PENDIKEL

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Nicht nicht kommunizieren gilt nicht!

PENDIKEL gibt es seit 1994, bis zur Auflösung 2000 erschienen die zwei Noiserock-Kleinode "Fu ruft Uta" und "Phantasievoll, aber unpraktisch" - letzteres tatsächlich unpraktisch, weil unpraktisch verpackt, dafür musikalisch tatsächlich umso phantasievoller. Auf ein Duo geschrumpft sind die beiden Gitarristen Oliver Klemm und Carsten Sandkämper 2003 mit "3" mit einem ungemein ruhigem Album zurückgekehrt und überraschten letztes Jahr mit dem wunderbaren und stellenweise auch wieder sehr lauten, stellenweise fast progrockhaften "Don't Cry, Mondgesicht", aufgenommen wie jeher mit Guido Lucas. Carsten hat vor dem Konzert im Magnet Club die Inhalte der Band in Worte geformt.





Du sagst über die neue Platte, ihr könnt immer nur Konzeptalben machen.


Jede Platte ist bisher so verlaufen, dass wir uns bei der Zusammenstellung unfassbar viele Gedanken gemacht haben. PENDIKEL ist nie so, dass wir die Stücke einfach hintereinander stellen könnten, und dann eine Reihenfolge finden, auf die man sich so einigermaßen einigen kann, gerade da bei "Don't Cry Mondgesicht" eine Geschichte erzählt wird, sozusagen eine Art Bühnenstück, das aufgeführt wird. Es gibt zahlreiche Themen, die sich miteinander verbinden, und Leitmotive, die auf einander eingehen, und das kann man nicht so hintereinander setzen, und dadurch vielleicht noch in eine falsche Reihenfolge bringen, das muss schon alles Hand und Fuß haben. Es gibt diesen Anrufbeantworter, der vollgequasselt wird, und den hört man an mehreren Stellen auf der Platte, und es wäre doof, die Stücke einfach hintereinander zu schneiden, und zu sagen, das ist jetzt der Part, wo der Anrufbeantworter vollgequasselt wird. Ich finde es gut, wenn es im Laufe der Geschichte wieder auftaucht, genauso wie du dich bei einem Buch freust, dass sich fünf Kapitel später auf eine bestimmte Stelle zurückbezogen wird. Es gibt auch diesen Handlungsstrang von diesem einen überverzweifelten Menschen, der am Gutmenschentum der Welt um ihn herum verzweifelt, und daran auch kommunikativ komplett versagt. Das sind zwei Pole, die auch immer wieder aneinander abprallen, einerseits sind da die Szenechecker und die Gutmenschen, die, die alles wissen und die immer nur die richtigen Entscheidungen treffen und diesen Survival-of-the-fittest-Gedanken vorantragen, gar nicht mal mit Slogans oder eindeutigen politischen Ansichten, sondern einfach nur als ein Mittel zum Zweck, so eine Art von Heuschreckengewinnertum. Was gar nicht mal so ideologisch eingefärbt sein muss, aber was einfach auf einer seltsamen, darwinistischen Interpretationsweise des Lebenswillens aufbaut. "Negativität kannst du nicht tolerieren, die gibt es auch nicht, wird ausgeblendet, durch riesige Leuchtreklamen überdeckt, und Leute, die am Leben verzweifeln, sind krank." Das sind halt die Typen, denen permanent die Sonne aus dem Arsch strahlt, aber die sind halt nicht echt, die bescheißen sich selber. Dann gibt es die anderen, die auf der anderen Seite der Bühne stehen, und sagen: "Ihr könnt unsere Existenz nicht verneinen. Und: Wir sind nicht krank. Niemand kann mir sagen, weil ich ein depressiver Mensch bin, hab ich eine chronische Krankheit."



Bei "Arbeiterlied" verpackt ihr in einem wunderschönen Popsong total harsche Kritik an kapitalistischen Zwängen.

Das ist ja im Grunde die CHUMBAWAMBA-Idee. Das "Arbeiterlied" ist tatsächlich durch so einen Schwebezustand entstanden. Im Grunde beschreibe ich darin die Situation, dass im Fernsehen das Bild von revoltierenden Hafenarbeitern gezeigt wird, wie zum Beispiel in Marseille, die für Mindestlöhne protestieren, die die Container übereinander stapeln und anzünden, und dieses Bild steht in direktem, passendem Kontrast zu den durchlaufenden Börsenkursen. Das hat so was Hollywood-mäßiges, und natürlich entsteht damit die Aggression, die dahinter steckt, und die ein bisschen im Nebel zurücktritt, weil der Vortragende währenddessen einschläft und der Traum so eine Mischung aus Bau der Queen Mary II und Panzerkreuzer Potemkin ist. Es bleibt die Essenz davon übrig, dass einem in bestimmten Momenten nichts anderes bleibt, als sich zu wehren. Deswegen kommt dieser Text in seiner leichten Verpackung wesentlich besser an, als das rabiate "Gewinner", und wirkt vielleicht sogar ein bisschen subversiver nach. Es sollte sich so einschleichen, dass man im ersten Moment nicht so darauf kommt.



Hattet ihr jemals vor, mit Musik Geld zu verdienen?

In den 90er Jahren hat das "Major ist Satan" halt Beine bekommen, und hat auch eine Entsprechung gefunden, durch die ganzen Blasen, die aufgebauscht wurden. All die Bands, die dann auf einmal weg von Fenster waren, weil gedroppt, und dann kam der große Crash und alles war sowieso ganz fürchterlich. Wir haben auch Major-Erfahrungen am Rande gesammelt, und auch wenn man sich noch so gegen die ganzen Vorurteile sträubt, und denkt: "Ach, die sind gar nicht so schlimm", und "Managements und A&R, mit denen kann man auch reden, das sind ja auch ganz normale Typen". Doch, die sind so schlimm! Wir hatten Leute bei uns im Proberaum sitzen, die gesagt haben, "die neuen Songs sind zwar ganz gut, aber da ist noch so ein PENDIKEL-typischer Teil drin, das ist zu ruppig und kantig." Und da fragt man sich halt: Was wollen die haben? Neues Futter, um ihre Position zu sichern? Oder muss eine Innovation her, weil die Verkaufszahlen gerade scheiße sind? Innovation bin ich nicht, wenn die mir PENDIKEL-typische Teile aus meinem Lied rausschmeißen. In dem Moment, wo du anfängst, dich in solche Verhältnisse hineinzubegeben, verändert sich deine Musik. Wir haben, bevor wir uns zeitweise aufgelöst haben, für so einen Gedanken geschrieben, mal mit der Musik Geld zu verdienen, und von diesen Stücken möchte ich mir nichts mehr anhören. Schrecklich. Was wir heute vielleicht für einen großen Spaß noch mal machen würden, aber nicht in echt.



Das Schiefe, diese Brüchigkeit lässt euch immer nach PENDIKEL klingen, nie nach Schubladen.

Das Schiefe bezieht sich auch auf Fehler, ich bin ein ganz großer Fehler-Fan. Fehler kann man sowieso nur einmal aufnehmen, und es gibt geile Fehler und schlimmer Fehler. Aber Fehler sind auch was, was dir niemand wegnimmt, was keiner covern kann, und die keiner so hinkriegt. Auf der neuen Platte sind teilweise richtige Melodiebögen aus Fehlern entstanden. Sachen, die sich durch einen falsch angeschalteten Verzerrer ergeben haben und irgendein Seitenklirren war auf einmal eine Melodie, wo keiner wusste, wo die herkommt, die war auf einmal da, hat sich weiterentwickelt und musste dann auch von einem anderen Instrument gespielt werden.



Ist Musik für euch nur ein schönes Hobby?

Das Bandhaben kann ein Hobby bleiben, aber das Musikmachen an sich ist eine Notwendigkeit. Gestern hat mich auch jemand gefragt, was der Impuls für das Musikmachen ist. Was es ist, weiß ich nicht, aber dass er da ist. Eine Notwendigkeit. Und auch wenn das dann irgendwann keine Band mehr ist, nicht mehr im Studio aufgenommen wird, das Musikmachen und Liederschreiben wird bleiben. Für die gesellschaftliche Konvention, was man unter einem Hobby versteht, ist es aber viel zu teuer und anstrengend.