Klarer Fall von Hummeln im Hintern, das Debütalbum „Mache“ von PAULINCHEN BRENNT. Hektische, laute Musik, die an Bands wie DŸSE, BLOOD BROTHERS oder REFUSED erinnert. Direkt aus der Besucherritze zwischen Noise, Screamo, Post-Rock und Mathcore. Dazu Texte über Hexerei, Besessenheit und puren Nonsens. Nach zehn Jahren hat es das Trio aus Leipzig, Nürnberg und Schweinfurt endlich geschafft, sein Debütalbum aufzunehmen. Veröffentlicht wurde über Krakenduft Records. Und darauf präsentieren sich die drei Freigeister musikalisch in Hochform. Sänger und Bassist Daniel Schmitt und Schlagzeuger Richard Seifahrt erzählen uns, wie alles angefangen hat mit PAULINCHEN BRENNT und welcher prominente Geburtshelfer an „Mache“ beteiligt war.
Euch gibt es schon seit 2013, aber erst jetzt kommt euer Debütalbum raus. Warum hat das so lange gedauert?
Daniel: Wir arbeiten eben sehr langsam. Außerdem betrachte ich diese acht Songs auch nicht als unser Debüt. Wir haben 2016 schon die 6-Track-EP „Viele werden satt“ und 2018 die Vinylsingle „Salz“ mit zwei Songs veröffentlicht. „Mache“ ist allerdings der erste Release, den wir als repräsentativ erachten für das, was wir machen. Wir sind alle drei immer in anderen Bands aktiv gewesen, da lag der Fokus oft woanders. Richard wohnt in Leipzig, ich in Nürnberg und mein Bruder Christian in der Nähe von Schweinfurt. Unsere Musik erfordert viele Proben, und weil wir uns relativ selten sehen, dauert das einfach ein bisschen länger.
Richard: Für mich fühlt sich das eher wie ein Sound-Debüt an. Das erste Mal klingen wir genauso, wie wir uns das vorstellen. Fast wie auf der Bühne. Wir haben das Album bei Thies Neu in der Tonbrauerei Berlin aufgenommen und schon das Schlagzeug klang viel mächtiger als alles, was ich bisher von uns gehört habe.
Wie hat das angefangen mit PAULINCHEN BRENNT vor zehn Jahren?
Daniel: Den Gitarristen kenne ich schon ewig, weil er mein Bruder ist. Wir sind in Premich, einem kleinen Ort in der Rhön, aufgewachsen und irgendwann sind wir nach Würzburg gezogen. Vorher hatten wir schon zusammen eine Crossover-Band, die sich aber dann aufgelöst hat. Christian und ich hatten Bock auf Krach und haben auf einer WG-Party Richard kennen gelernt, der damals noch in Würzburg gelebt hat. Es stellte sich heraus, dass er nur ein paar Straßen weiter wohnt und sogar einen Proberaum hat. Auf ihn aufmerksam wurde ich, weil er auf der Party einen DŸSE-Pulli trug. Als wir zum ersten Mal zu dritt Musik gemacht haben, haben wir uns sehr schnell gefunden. Wir haben auch gleich festgestellt, dass wir den gleichen Humor teilen, deshalb wimmelt es in unseren Texten nur so von Insider-Gags.
Richard: Eigentlich machen wir nur Mucke, damit wir zusammen abhängen können, haha. Ich habe damals Elementare Musikpädagogik in Würzburg studiert und das mit Jazz-Schlagzeug kombiniert. Deshalb hatte ich auch ziemlich viele Job-Gigs, habe bei Hochzeiten gespielt und war in einer Funk-Band mit zehn Leuten. Das mache ich alles nicht mehr. Inzwischen lebe ich in Leipzig und arbeite an einer Musikschule als Schlagzeuglehrer.
Wie seid ihr auf euren ungewöhnlichen Bandnamen gekommen?
Daniel: Wir sind große Fans der schwarzen Pädagogik, haha. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir darauf gekommen sind. Ich glaube, das Buch „Struwwelpeter“ lag bei mir herum und darin findet sich „Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“ über Paulinchen und ihr tragisches Ende.
Daniel: Christian und ich hatten schon ewig eine Hörspielkassette vom „Struwwelpeter“, die uns sehr geflasht hat. Wir hören uns sehr gerne Kinderhörspiele zum Einschlafen an, wenn wir gemeinsam auf Tour sind. Und schwarze Pädagogik ist mir in meinem Studium für Soziale Arbeit auch begegnet. Das sind einfach brutale Geschichten, die perfekt zu der Musik passen, die wir machen. Die ist einerseits grobschlächtig und andererseits auch kindlich und verspielt.
Richard: Da steckt auch dieser kindliche Widerspruch drin, der uns antreibt. Wir machen das nicht so, wie es uns gesagt wird. Wir machen das so, wie wir wollen. Mit dieser Trotzigkeit und Sperrigkeit konnten wir uns schnell anfreunden.
Die Songtitel tragen kurze Namen wie „Travis“, „Midas“ oder „Norman“. Steckt da ein Konzept dahinter? Oder gibt es Bezüge zu Literatur oder Kino?
Daniel: Es gibt auf jeder Seite drei Titel, die den Namen von einer Person tragen, und je einen Songtitel mit einem fiktiven Ort. Das hat alles Bezüge zu Büchern, die wir gelesen haben, oder ist einfach irgendein Schwachsinn, den wir uns ausgedacht haben. Mit „Norman“ ist zum Beispiel nicht Norman Bates von „Psycho“ gemeint. Da wollen wir aber nicht so viel verraten, das ist auch eine kleine Aufgabe für unsere Hörer, sich mit den Texten zu beschäftigen und das herauszufinden. Nur so viel: Im Song „Shinoda“ geht es um den Haarschnitt von Mike Shinoda von LINKIN PARK, haha. Bei unserem Screamo-Gesang kommt es auch nicht unbedingt darauf an, dass man die Texte bis ins letzte Detail versteht. Aber Konzeptalbum wäre zu weit gegriffen. Uns ging es eher darum, einen stimmigen Vibe zu erzeugen. Dass man merkt, die Songs gehören zusammen.
Der Albumtitel ist auch kurz und prägnant: „Mache“.
Richard: Der hat einen sehr witzigen Hintergrund. Wir sind mal auf einen Typen gestoßen, der eine sehr karge Art zu antworten hatte. Wenn man dem schrieb, kam oft als Antwort einfach „Mache“. Das fanden wir irgendwie inspirierend. Warum lange schnacken, einfach machen, haha.
Daniel: Als wir das Artwork von Conny Ochs bekommen haben, hat der Titel für mich erst richtig Sinn ergeben. Denn er meinte, der Begriff „Mache“ erinnere ihn an eine Art Stew, ein Gebräu. So hat er es auch in seinem Artwork verarbeitet. Im Duden wird man das Wort vermutlich nicht finden.
Wie funktioniert euer Bandleben, wenn ihr in Leipzig, Nürnberg und Schweinfurt wohnt? Daniel, du bist ja außerdem Bassist bei MAFFAI.
Richard: Unsere Musik trägt natürlich auch einen improvisatorischen Aspekt in sich. Kein Set klingt zu 100% wie das andere. Ich spiele meine Drums relativ frei. Weniger als früher, aber bestimmt ein Drittel. In Würzburg haben wir viel und lange geprobt, deshalb kennen wir uns musikalisch sehr gut. Dadurch fühlt sich ein Konzert fast wie eine Probe an. Wir sind auch keine Prog-Mathcore-Band, bei der alles auf Klick getimet ist. Das kann ruhig ein bisschen rotzig sein bei uns. Für neue Songs machen wir eine Art Bootcamp, bei dem wir uns drei Tage lang zusammensetzen.
Daniel: Beim Entwickeln der Songs schicken wir uns vorher schon gegenseitig Ideen zu. Dann fahren wir entweder nach Leipzig oder wir treffen uns in Nürnberg. Vor Konzerten übt jeder seinen Scheiß für sich zu Hause. Wir kennen uns schon lange und können uns aufeinander verlassen, dass jeder seinen Kram beherrscht.
Welche Rolle hat Jarii van Gohl, der Drummer von DŸSE, für das Album gespielt?
Richard: Jarii war der Stein, der alles ins Rollen gebracht hat. Ohne ihn wäre die Platte wahrscheinlich nicht entstanden. Durch ihn haben wir Thies und die Tonbrauerei kennen gelernt, wo wir alles aufgenommen haben. Durch ihn haben wir den Kontakt zu unserem Label Krakenduft in Dresden bekommen. Denn Axel Matz steht hinter dem Merchtisch für DŸSE.
Daniel: Jarii und Andrej von DŸSE haben wir vor drei Jahren bei einem gemeinsamen Konzert im Z-Bau in Nürnberg kennen gelernt und sind seitdem gut befreundet. Die laden uns immer wieder zu ihren Shows ein. Das passt auch total gut, weil deren Publikum mit unserer Musik auch was anfangen kann. Jarii ist bei den Aufnahmen zu „Mache“ ein paar Mal vorbeigekommen und hat uns Tipps gegeben. Der glaubt an uns und findet unsere Musik einfach gut.
Richard: Der hat uns die Augen geöffnet und uns beigebracht, dass wir unsere Band auch selbst gut finden dürfen. Wir haben die Band sehr lange eher halbherzig betrieben. Aber das war uns egal. Die Hauptsache war, dass wir zusammen waren. Er hat uns gepusht, PAULINCHEN BRENNT ernster zu nehmen, und das hat uns wirklich gutgetan. Die Band gibt es schon ewig und wir finden sie auch gut, sonst würden wir das nicht machen. Aber PAULINCHEN BRENNT liefen immer nebenbei, neben vielen anderen Aktivitäten.
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