PATTERN

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Meeresgeschichten

Man steckt halt nicht drin: Da müht sich Chris Appelgren jahrelang mit den PEECHEES ab, doch außer Achtungserfolgen passiert nichts. Dabei war die Band großartig und hatte wie jetzt THE PATTERN das Markenzeichen von Chris’ außergewöhnlichem, nicht unbedingt immer eingängigem Gesang. Doch so unberechenbar ist das Rock'n'Roll-Geschäft eben, und da wundert sich auch jemand wie Chris noch, der seit einem Jahrzehnt im Hauptberuf der Boss von Lookout Records ist. „Real Feelness“ heißt das erste Album von THE PATTERN (davor gab’s diverse EPs und Singles), das im Herbst auf Lookout (USA) bzw. Wichita (Europa) erschien.

Chris, wieso klappt das mit THE PATTERN, während mit den PEECHEES kaum was ging?


Das ist für mich auch ein ganz großes Mysterium. Aber man ist das ja irgendwie gewohnt, dass reihenweise gute Bands unbeachtet bleiben, oder? Ich bin jetzt aber natürlich froh und auch überrascht, dass es plötzlich klappt mit THE PATTERN. Vielleicht hat das ja was mit dem Timing zu tun: die PEECHEES saßen immer zwischen den Stühlen, zwischen Punk und Indie, während sich da heute recht viele Bands tummeln.

Interessant ist eben mal wieder, dass Leute, die vor ein oder zwei Jahren einen Scheiß auf Punk und Rock’n’Roll gegeben haben, jetzt plötzlich die YEAH YEAH YEAHS, die HIVES, die WHITE STRIPES, THE PATTERN und so weiter abfeiern. Was geht ab?

Hahaha, Mann, hier ist das genauso. Klar, für Leute wie dich und mich und unseren Freundeskreis ist das alles nichts neues, und es verwundert schon, wenn plötzlich die großen Musikmagazine “unserer“ Musik Beachtung schenken. Jahrelang haben sie solche Bands nicht beachtet, jetzt tun sie so, als sei das frisch und neu. Aber so ist das eben.

Kannst du bei euch nachvollziehen, woran es lag, dass es plötzlich klappt?

Ja, als wir „Immediately“ im Sommer 2001 auf Wichita veröffentlichten, spielten wir eine Tour in England und trafen da eine Menge Leute, die spontan von uns begeistert waren. Wir wurden oft als Gegenentwurf zu den ganzen Emo- und Indiebands wahrgenommen, die da gerade angesagt waren. Ich finde, da werden jetzt einzelne Bands aus der ganzen Welt als eine neue Szene empfunden – und dabei existiert diese „Szene“ nur in der Wahrnehmung von ein paar Musikkritikern. Wir selbst kannten die meisten dieser Bands gar nicht, bekamen nur mit, dass sie im selben Kontext gesehen wurden wie wir. Seltsamerweise hatten wir dann auch erst in England und teilweise dem Rest von Europa Erfolg, bevor sich in den USA was bewegte. Wir tourten dreimal in England, dann erst in den USA. Und der NME schrieb schon früh über uns, das hat einiges bewegt.

Das verstehe ich sowieso nicht: England, das uns in den Neunzigern so viele stinklangweilige Popbands beschert hat, ist plötzlich das Land, in dem Rock’n’Roll-Bands wieder eine Chance bekommen, wo die HIVES hunderttausende Platten verkaufen? Unglaublich!

Hahaha, ja, das hat schon eine gewisse Ironie. Es hängt, denke ich, damit zusammen, dass England eine sehr starke, selbstbewusste Musikpresse hat, die immer auf der Suche ist nach dem „next big thing“. Wir spielten eine Tour in England mit den DATSUNS aus Neuseeland die extra nach England gekommen waren, um von diesen Kreisen wahrgenommen zu werden und sich zu etablieren. Unser Ding ist so was freilich nicht: wir freuen uns über Aufmerksamkeit, wenn was passiert, aber wenn wir nächste Woche auf US-Tour gehen, sitzen wir wie eh und je in unserem alten, verbeulten Van, ganz auf uns alleine gestellt, und hoffen, dass im Mittleren Westen ein paar Kids zu unseren Konzerten kommen. Da ist alles wie immer.

In verschiedenen Besprechungen, gerade in der englischen Presse, wurden euch Einflüsse aus der frühen britischen Popmusik unterstellt.


Hm, also ich kann das nur begrenzt nachvollziehen. Klar, der britische Sixties-Freakbeat, Psychedelic, Mod und Sixties-Rock, das ist Musik, die wir hören und mögen, von THE EYES über THE ACTION bis zu frühen DEEP PURPLE, aber eigentlich sehen wir uns als ganz normale Punkrock-Band, die ihre Wurzeln im √Nuggets“-Garage-Punk hat. Auf keinen Fall aber sehen wir uns als Band, die irgendeinen Stil aus der Vergangenheit aufpoliert.

In den USA ist das Album auf deinem eigenen Label, auf Lookout erschienen.

Ja, die Platte ist seit Anfang September raus und soweit läuft es auch ganz gut. Die USA sind so riesig, da geht alles etwas langsamer, als etwa in England und wir müssen jetzt einfach abwarten, was passiert. Gestern Abend haben wir hier in San Francisco eine Show mit THE INTERNATIONAL NOISE CONSPIRACY gespielt, das war ausverkauft und klasse, nächste Woche dann die Tour, zusammen mit HOT HOT HEAT, die auf SubPop sind – es läuft also, wir sind aufgeregt und haben Spaß. Aber die USA sind eben groß, es gibt so viele Bands, so dass man unglaublich hart arbeiten muss, um wahrgenommen zu werden, doch das ist für uns alle nichts neues, wir haben alle schon in verschiedenen Bands gespielt.

Wie kommt’s, dass du das Album deiner eigenen Band auf deinem Label veröffentlichst?

Hm, das ist eine gute Frage. Ich habe mir darüber natürlich auch Gedanken gemacht, denn ich wollte nicht, dass irgendwer den Eindruck bekommt, meine eigene Band erfahre auf meinem Label eine Sonderbehandlung. Aber meine Leute hier und meine Partner bei Lookout mögen THE PATTERN, haben Lust für sie zu arbeiten – und da wir so viel wie möglich für die Band tun wollen, bot es sich an, die Platte eben selbst zu machen. Außerdem ist es so auch einfacher für mich, Label- und Bandarbeit zu vereinbaren. Außerdem gibt’s ja auch noch das alte Punk-Prinzip, so viel wie möglich selbst zu machen, und ich rate auch jeder Band, die mich nach meiner Meinung fragt, so viel wie möglich selbst in die Hand zu nehmen. Ich muss natürlich aufpassen, dass meine Band bei Lookout nicht irgendwie bevorzugt behandelt wird, das könnte ich den anderen Bands wohl nicht vermitteln. Ich weiß eben, dass es bei Bands, bei Musik immer ums Ego geht, da muss man vorsichtig sein.

Apropos Lookout: In den letzten vier, fünf Jahren hat sich das Programm doch etwas verändert. Wo früher Pop-Punk dominierte, ist es jetzt erheblich vielfältiger.

Ja, das stimmt. Wir haben heute das Sublabel Panic Button, das John und Ben von SCREECHING WEASEL gegründet haben, und da erscheinen nur die ganz klassischen Pop-Punk-Sachen, so wie man sie früher von Lookout gewohnt war. Als ich vor dreizehn Jahren bei Lookout angefangen habe, fand ich es spannend, dass es da keine eingefahrenen Genres gab. Als Lookout damals OPERATION IVY und GREEN DAY veröffentlichte, spielten die wirklich neue Musik – zum Mainstream, zu als konventionell betrachtetem Pop-Punk wurde das erst später. Wir versuchen heute bei Lookout, auch weiterhin neue, interessante Bands zu veröffentlichen, was nicht heißt, dass wir zur neuen QUEERS-Platte Nein sagen. Aber mir gefällt die neue Platte von Ted Leo oder PRETTY GIRLS MAKE GRAVES genauso gut. Wir versuchen bei Lookout also, wirklich neue, interessante Musik zu veröffentlichen, als ständig nur einen bestimmen Stil zu repräsentieren. Schau dir im Vergleich zu Lookout doch mal Touch & Go an, wie die sich verändert haben: als die anfingen, war das ein reines Hardcore-Label, und heute sind die so ein richtiges „Erwachsenen-Label“. Das ist nicht mein Ding, ich will immer noch Musik rausbringen, die auch Teenager interessiert.

Um auf THE PATTERN zurück zu kommen: Als ich letztes Jahr eure 7“ in die Finger bekam, war ich erstmal überrascht, denn der Name THE PATTERN – Das Muster erschien mir in seiner Einfachheit durchaus auch programmatisch. Das hätte auch eine Künstlergruppe aus Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein können oder so...


Hahaha, das gefällt mir. Ja, also wir haben den Namen schon mit Bedacht ausgesucht und es gefällt uns, dass er offen ist für die verschiedensten Interpretationen. Jede Band hat Gründe, warum sie ihren Namen gewählt hat, doch wenn die Sache mal läuft, kommen ständig neue Bedeutungen dazu. Für uns hat der Name dazu gepasst, wie wir als Band zusammengefunden haben. Wir wollten einfach ein bisschen mit den Rock’n’Roll-Konventionen spielen, sind uns bewusst, wie überflüssig und irrelevant Punkrock und Rock’n’Roll sein können. Gleichzeitig wollten wir auch mit der Vielschichtigkeit des Namens spielen, den Eindruck erwecken, da stecke ein Konzept oder so dahinter, immer aber mit einem Augenzwinkern. Was du als Deutung ins Spiel gebracht hast, ja, dieser Hauch von situationistischer Künstlergruppe, das ging mir auch im Kopf rum, aber mir selbst wäre es zu albern gewesen, das von unserer Seite her in Spiel zu bringen – ich bin froh, dass du das getan hast, haha.

Wir haben noch nicht über die anderen Jungs in der Band gesprochen.


Also, da ist Jason Rosenberg an der Gitarre, der früher bei THE ST. JAMES INFIRMARY war, die mal eine Platte auf John Yates’ Allied-Label hatten. Außerdem war er bei ENGAGE, einer sehr engagierten veganen Animal Rights-Band, die hier in der Bay Area ziemlich bekannt war. Andy Asp, der andere Gitarrist, war früher bei NUISANCE, die vor langer Zeit mal zwei Platten auf Lookout gemacht haben. Damals nahm die aber keiner so recht war, weil sich ihr Sound doch stark von den anderen, melodiösen Lookout-Bands unterschied. Carson Bell, der Basser, war bei THE CUTS, einer Band, die eigentlich nur hier in der Bay Area ein paar Leute kennen. Er ist ein Kunststudent, ein Freund von uns, der so seinen Weg in die Band fand. Und Scott Batiste schließlich, unser Drummer, war in verschiedenen Hardcore-Bands, darunter YAPHET KOTTO und HEART OF SNOW, die Platten auf GSL gemacht haben. Jason hat früher übrigens bei Alternative Tentacles gearbeitet und dort das ganze Artwork gemacht. Wir waren alle schon befreundet, bevor wir zusammen eine Band hatten.

Textlich sind THE PATTERN nicht weit von den PEECHEES entfernt, mit Ausnahme von einem Song sind alle Texte von dir - und deshalb genauso eigenwillig und verschlüsselt. Ich denke da etwa an „Selling submarines“.

In dem Song geht’s um Drogen. Keine Ahnung, warum ich den Song geschrieben habe, denn das ist eigentlich nicht meine Welt. Aber früher, klar, da hatte man in der Punkszene automatisch mit so was zu tun, und meine Mutter war früher auch in der ganzen Drogenkultur drin. „Selling submarines“ an sich hat somit keine konkrete Aussage, das ist auch viel Spielerei mit Worten. „Submarine“ etwa steht für Drogen...

...und Meeres-Metaphern fanden sich ja auch schon bei den PEECHEES.

Ja, genau, ich mag einfach diese Bilderwelt mit Meer, Booten, Tauchen und so weiter. Ich weiß auch nicht, ich komme einfach nicht davon weg, haha. Ich habe diesmal aber versucht, meine Texte so wenig konfus wie möglich zu machen, aber so recht schaffe ich das einfach nicht, da schleichen sich immer wieder Wörter aus meiner ganz persönlichen Terminologie ein. Ich finde es sowieso cool, wenn eine Band ihre eigene Sprache entwickelt.