Leise, verhalten, introvertiert, sehnend, klagend – all das sind Attribute, die in diesem Heft viel zu oft für Musik benutzt werden und inzwischen (leider, leider) an Schärfe verloren haben. OWEN bringt an dieser Stelle Klärung, denn zu deren Songs passen sie wunderbar. Dazu noch melodisch und schön, nicht immer mit Melodien, die sofort im Ohr hängen bleiben, sondern viel mehr einer Stimmung, einer Intimität, die den Hörer einnimmt. OWEN drängt sich nicht auf, aber die Musik berührt in ihren besten Momenten so stark, dass man am liebsten verschämt auf den Boden schauen würde. Man nimmt unvermittelt an den Emotionen eines Anderen teil, wenn man nicht sogar das Gefühl hat, OWEN würden einem selbst aus der Seele sprechen.
Dank genialer Routenplanung aus dem Netz bekomme ich zwar einiges von Oldenburg zu sehen, was ich nicht geplant hatte, verpasse allerdings den lokalen Opener des Abends. OWEN und JOAN OF ARC sind angekündigt. Das bietet sich natürlich an: Mike Kinsella spielt live den Bass bei JOA und neben der (hauptsächlich akustischen) Gitarre auch alles andere bei OWEN, denn OWEN ist nur er (früher war er auch Frontmann der wunderbaren AMERICAN FOOTBALL und spielte bei CAP’N JAZZ und den OWLS). Zwei Alben und eine Split-EP hat er im wahrsten Sinne zu Hause aufgenommen. Wie schön, ihn live sehen zu können. Doch zu früh gefreut: Je nach Laune wechselt er sich auf dieser Tour mit JOAs Roadie ab, der als THE LOVE OF EVERYTHING auch ruhige, aber etwas zu fragmentarische und unausgegorene Songwriterstücke zum Besten gibt. Da bin ich schon sehr enttäuscht. Nach dem im übrigen sehr guten Konzert von JOA ziehe ich Mike dann trotzdem an die Seite, um ihn ein wenig zu seinem Soloprojekt zu befragen. Und hoffentlich konnte ich Mike Kinsella damit ein wenig Mut machen, möglichst schnell wieder her zu kommen. Und falls er sich wieder ankündigen lässt, kommt und nicht spielt, werde ich ihn dazu nötigen müssen, mir persönlich auf der Strasse diverse Stücke darzubieten. So billig kommt er mir nicht noch einmal davon.
Erstmal zum Namen: Warum nennst du dich OWEN und nicht Mike? Die Musik ist nun sehr intim und sie unter einem anderen Namen laufen zu lassen, scheint zunächst eine Distanz zwischen dir und dem Hörer aufzubauen.
Ich denke, die Leute denken sonst, es wäre nur ein Typ mit einer Gitarre, haben gleich eine feste Vorstellung, was sie erwartet und tun es dann vorschnell ab. Wenn das Ganze unter OWEN oder etwas, was sich ein wenig mehr vage anhört, läuft, wissen sie nicht genau, was auf sie zukommt. Es könnte eine Band sein, es ist einfach offener.
Wann hast du damit angefangen? Hast du immer schon alleine gespielt und es nur nie richtig aufgenommen?
Ich spiele schon sehr lang Gitarre und habe irgendwann angefangen eigene Songs zu schreiben und zu arrangieren und so kam es, dass ich irgendwann für die Band den Opener machte. Das hieß dann noch nicht OWEN oder überhaupt irgendwas und es waren nur sechs Stücke. Daraus entstand erst die Idee, die Stücke auch aufzunehmen. So entstand das erste Album vor zwei Jahren und seitdem versuche ich einfach, das Ding am Laufen zu halten.
Du nimmst deine Stücke zu Hause, im Haus deiner Mutter auf? Hast du dort ein Studio?
Ja, ich habe mir dann einen Computer gekauft und Pro Tools. Im Haus wohnt nur noch sie, in einem Raum. Die anderen stehen leer und in einen habe ich dann den Computer gestellt, die Gitarren in einen anderen und mein Bett in ein weiteres.
Wohnst du also wieder in deinem Elternhaus?
Nein, nur für die Zeit der Aufnahmen bin ich dahin zurückgezogen.
Welchen Stellenwert hat OWEN für dich neben JOAN OF ARC?
Es sind unterschiedliche Kanäle, die ich bei beiden benutze. Alles was dabei herauskommt, wenn ich allein mit mir bin, bringe ich bei OWEN unter. Das nächste Album könnte sich theoretisch ganz anders anhören.
Geht man von deinen Platten aus, könnte man denken, dass du ein trauriger Mensch bist …
Nein! Die meiste Zeit mache ich ja etwas mit meinen Freunden und habe Spaß! Wenn ich dann zu Hause sitze und mich mit Dingen auseinandersetze, die mich bewegen und das dann in Musik verpacke, kommt so etwas heraus. Ich komme mir dabei oft selbst dumm vor. Andererseits hören sich meine Sachen für mich auch ganz anders an als für andere. Es ist dann auch so, dass ich nicht jeden Abend in der Stimmung bin, diese Lieder zu spielen. Heute zum Beispiel war mir viel mehr danach, Krach zu machen, als mit der Akustik-Gitarre allein auf der Bühne zu stehen.
Auf dem ersten Album hörte es sich an, als hättest du dich mehr für digitale Effekte interessiert. Zum Beispiel das Rückwärts-Echo in „Most Days And“. Das neue Album hört sich dagegen mehr Band-orientiert an. Wie kam es dazu?
Zu Beginn habe ich noch viel gelernt. Bevor ich richtig aufgenommen habe, habe ich mehr ausprobiert: Was kann ich denn alles so machen? Viele Sachen hörten sich gut an, andere gar nicht. Auf dem ersten Album war es mehr so, dass die Lieder entstanden, während ich gelernt habe, wie man überhaupt aufnimmt. Und beim zweiten standen die Songs, die Arrangements und die Texte bereits in meinem Kopf. Als ich dann aufnahm, wusste ich viel mehr: Jetzt kommt hier ein Bass, so soll sich das Schlagzeug anhören. Es lief viel linearer. Ich glaube, dadurch ist etwas verloren gegangen. Ich hätte in solche Effekte gerne mehr Zeit investiert. Beim nächsten Mal will ich eine Mischung aus beidem.
Wie trägst du deine Lieder live vor? Arbeitest du mit Tapes oder Computern?
Ich habe es mit CDs probiert, die ich laufen ließ. Das funktionierte aber nicht so gut. Im Moment versuche ich es mit einem iPod, Apples mp3-Player-und-mehr-Hosentaschengerät, aber auch das klappt nicht 100%ig. Wenn ich auf dieser Tour live spiele, dann nur alleine mit der Gitarre. Letztes Jahr bin ich vier Wochen durch die Staaten getourt und hatte eine ganze Band dabei. Es war wunderbar: Ein Freund spielte Pedal Steel-Gitarre, was an sich schon sehr cool ist. Er ist nun ein so talentierter Spieler, so dass er eigene Teile geschrieben hat und das machte es erst recht großartig. Leider kann ich es mir nicht leisten, sie mit nach Europa zu nehmen. Deswegen spiele ich hier auch allein. Ich finde es problematisch von Leuten, die herkommen, zu erwarten, sich einen Typen, allein mit seiner Gitarre, anzuhören. So wurden die Shows kürzer und manchmal habe ich auch gar nicht gespielt.
Als ich die neue Platte gehört habe, dachte ich sofort, dass du sehr viel RED HOUSE PAINTERS gehört haben musst ... Die Art wie du Gitarre spielst und Lieder arrangierst erinnert stark an Mark Kozelek.
Das stimmt auf jeden Fall. Das Komische ist, dass ich mir die früher viel öfter angehört habe. Ich weiß nicht, warum es bei mir gerade jetzt durchkommt, denn gerade nach der Highschool waren sie meine Lieblingsband. Die Jahre waren wohl sehr prägend. Von der letzten Platte ‚Old Ramon‘ mochte ich nur ein, zwei Stücke. Dabei ist sie noch vor Kozeleks Solo-Platte ‚What‘s Next To The Moon’ mit den AC/DC-Covern aufgenommen worden. Von daher dachte ich, dass die neue Platte sehr gut werden würde, aber da lag ich wohl daneben. In letzter Zeit höre ich viel ‚cheesy‘ Pop, deswegen wundere ich mich umso mehr, dass jetzt die RED HOUSE PAINTERS durchkommen. Würde sich meine Musik im Moment mehr nach DEPECHE MODE anhören, würde mich das viel weniger wundern.
Auf „No Good For No One Now“ gibt es eine Menge Schimpfwörter. Gab es da schon Reaktionen?
Meine Mutter hörte alle Lieder zuerst und meinte, ich solle sie weglassen, haha. Einige Leute finden das sicher unterhaltsam. Die Texte sind oft so geschrieben, als wäre es eine Unterhaltung und so was kommt dann dabei heraus, unglücklicherweise. Ich habe wohl ein sehr schmutziges Mundwerk, haha.
In den USA gibt es zum Teil Songs, bei denen alle Schimpfwörter durch ein Piepen ersetzt worden sind.
Oh ja, das ist so albern. Jeder weiß, was da gesagt wird, das macht es so sinnlos. Jemand von Polyvinyl sagte mir mal, dass einige Radiostationen gerne meine Lieder spielen würden, es aber genau deswegen nicht können. Das ist direkt witzig: Als ob niemand diese Wörter kennen würde ...
Das ist etwas, was ich grundsätzlich nicht an den USA verstehe: Es nennt sich „Land of the free“, aber man kann nicht „Fuck“ im Radio sagen. Hat dich gerade im Moment mal jemand angemacht, einfach weil du Amerikaner bist?
Es gab da kleine Anspielungen, aber wenn wir hier sind, sind wir doch meistens mit Leuten zusammen, die ungefähr gleich alt sind und ungefähr die gleiche Wellenlänge haben. Von daher passiert nicht viel. Die Leute wissen, dass wir unser Ding machen und nicht den Bullshit unserer Regierung unterstützen.
Wann kommst du denn mal wieder nach Europa, ich meine als OWEN?
Ich habe diesen Masterplan vor Augen, bei dem das nächste Album genau so wird, wie ich es mir vorstelle, ich eine Band zusammen stellen kann, die mit mir die Stücke live so spielen kann, wie ich es will. Aber ich weiß nicht, ob das Publikum hier darauf stehen würde. Vielleicht komme ich so wieder nach Europa, aber es ist sehr schwer, das alles umzusetzen. Allein mit der Gitarre ... Da bin ich mir nicht so sicher, ob ich damit einen Raum voll bekomme.
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