Leben auf der Überholspur

Spätestens nach ihrem dritten Album „Rumors And Headlines“, welches auf BYO erschien, sind die Kalifornier ONE MAN ARMY in aller Munde. Mit ihrem stark ‘77er-beeinflussten Punkrock konnten sie sowohl Fans als auch andere Bands wie ALKALINE TRIO für sich gewinnen. Zwar wird die Band nie explizit politisch, hat aber trotzdem eine starke Message und beschreibt im Grunde die Gesellschaft aus ihrer Mitte heraus. Nach dem Einstieg von Chip Hanna, der zuvor bei den semi-legendären US BOMBS Schlagzeug spielte, hat man nun die perfekte Besetzung gefunden, eine Band, die sich geradewegs an den momentanen Strömungen vorbeischrammelt. Aber gerade diese Verbundenheit zu alten Helden des Punk wie THE CLASH und deren Huldigung, lässt es einem ganz warm ums Herz werden. Hier haben drei Herren ihre Seele ganz dem Punkrock samt seinem Glanz wie auch seinen Irrtümern verschrieben. Jack Dalrymple und der sehr aufgeweckte Chip Hanna gaben mir einige Einblicke in ihre Welt.

Was denkt ihr denn über den neuen Gouverneur von Kalifornien?

Jack: „Arnold Schwarzenegger, der Governator?! Das konnte man als Schlagzeile lesen, und als dann der Recall war, stand überall ‚Total Recall‘.“
Chip: „Mich betrifft die Wahl nicht mehr, ich wohne jetzt in Arizona. Wir dachten ja, Davis sei ein Stück Scheiße, aber nun das. Na ja, eigentlich sind alle Politiker schrecklich, aber was kann man daran ändern? Man kann wählen gehen, aber wenn man sich für eine Außenseiterpartei entscheidet, dann verschwendet man nur seine Stimme und letzten Endes ist doch immer der Geldfaktor bei einem Kandidaten entscheidend.“

Habt ihr denn nicht für den Kandidaten Grisham gestimmt, vielleicht bekannter als Jack von T.S.O.L.?

Jack: „Ich habe gehört, dass er kandidiert hatte, aber ich habe nicht gewählt. Irgendeine Pornodarstellerin hat sich auch um das Amt beworben. Wenn ich hingegangen wäre, dann hätte ich wohl Jack gewählt.“

Wo wir schon über alte Helden sprechen, wie war denn eure Tour mit AGENT ORANGE?

Jack: „Das war eine Tour, die Spaß gemacht hat, und für mich war es auch das erste Mal in Europa. Chip war ja schon fünf- oder sechsmal hier, aber für mich war es neu. Es gab auch keine Diskussion darüber, wer der Headliner sein würde.“
Chip: „Ich fand es auch cool, ich konnte erst spielen, und dann hatte ich frei und konnte mit den US BOMBS abhängen. Ich konnte ihnen sagen, dass sie mal die Klappe halten sollen, und sie sagen es zu mir, wir waren eben gleichgestellt. Und sobald die Kacke anfing zu dampfen, habe ich einfach den Abgang gemacht, weil ich die Freiheit dazu hatte, schließlich bin ich nicht mehr in der Band.“

Du musstest dir auch keine Gedanken darüber machen, ob dein Sänger auftauchen würde, oder?

Chip: „Klar, Jack ist immer da. Bei Duane war es einige Male so, dass er erst gar nicht einreisen durfte, also hat er auch mal vier Konzerte verpasst. Es hat dann eben gedauert, bis er seinen Ausweis bekommen hat, und wir sind voraus geflogen und haben eben einige Konzerte ohne ihn gespielt. Dann haben eben die Zuschauer gesungen.“

Und wie ist es so, mit Duane Peters zu touren?

Chip: „Peters ist ein Stück Scheiße, aber er ist mein Kumpel, also kann ich darüber reden. Er ist verrückt, ich könnte dazu viele Stories erzählen, habe aber auch viele wieder vergessen. Ich erinnere mich noch, wie er mit dem Gesicht voraus von einer Monitorbox fiel. Ach ja, die Narbe hier stammt auch von ihm. Wir hatten einen Kampf, und er hat mir die Narbe am Hals verpasst, genau genommen habe ich es auch verdient. In Detroit hat er mir auch mal volle Pulle auf die Nase gehauen. Da war ich aber wieder schnell nüchtern. Er hat auch schon mal eine Feile genommen, als er Zahnschmerzen hatte, dann hat er versucht, sich den Zahn wegzufeilen. Ich habe auch schon oft gesehen, wie man ihn irgendwo rauswarf, Partys usw., und oft hätte ich gerne eine Kamera in der Hand gehabt, aber das war leider nie der Fall. Dann ist er unendlich mal viele Treppen runtergefallen. Bei einem Tempo von 80 Meilen die Stunde hält er den Kopf so aus der Van-Tür, dass er fast den Boden schrammte. Dann stellt man sich immer die Frage: Soll ich ihn jetzt reinziehen oder rausstoßen?“

Jetzt bist du ja mit ruhigeren Leuten in der Band ...

Chip: „Eigentlich ist es inzwischen ja so, dass Duane Peters völlig nüchtern und clean ist, und auch ein ziemlich netter Kerl. Das hat mich am meisten angekotzt, als ich bei den BOMBS ausgestiegen bin, dass Duane plötzlich völlig clean war, haha.“

Euer aktuelles Album kam bei vielen Leuten extrem gut an, darunter waren wohl auch einige, die eure alten Platten gar nicht kennen. Welche würdest du ihnen denn besonders empfehlen.

Jack: „Eigentlich würde ich den Leuten die Alben in der Reihenfolge empfehlen, in der sie auch veröffentlicht wurden. Wobei ich denke, dass wir jetzt eine viel bessere Band sind, da Chip so ein guter Schlagzeuger ist. Wir haben kürzlich sechs Songs für eine Split mit ALKALINE TRIO aufgenommen und eigentlich gefallen mir diese neuen Stücke noch besser als die auf ‚Last Words Spoken‘.“
Chip: „Die Split mit AKALINE TRIO mischen wir gerade ab, und die wird dann wohl im April rauskommen. Jede Band hat sechs Songs aufgenommen, eben die BYO-Split-Series. Ihr werdet die Songs mögen, sind echt klasse geworden. ‚Rumors And Headlines‘ war einigen Hörern zu glatt produziert, uns kümmert das eigentlich nicht, aber die neuen Lieder sind wieder etwas rauer produziert. Wir haben alles in 40 Stunden eingespielt, und es klingt entsprechend ungeschliffen. Keine Overdubs, nur das Trio mit Livevibe.“

Wie kam es denn zu der Split mit ALKALINE TRIO?

Jack: „In Amerika sind wir mit ihnen getourt, und ihnen gefällt unsere Platte ‚Rumors And Headlines‘ sehr. Sie haben uns dann angerufen, als sie für ‚Good Mourning‘ im Studio waren und fragten uns wegen der Tour. Daraus hat sich dann die Split entwickelt.“

Die Split kommt also bald, und wie sieht‘s mit einem neuen Album aus?

Jack: „Keine Ahnung, wir machen alles ganz in Ruhe nacheinander.“
Chip: „Ehrlich gesagt, wissen wir auch nicht, ob es überhaupt ein neues Album geben wird. So wie es momentan läuft, würde ich nicht sagen, dass noch mal ein Album kommen wird.“

Wo liegt das Problem, zahlt es sich nicht aus?

Chip: „Es wird immer schwerer, Dinge zu finden, über die man noch schreiben kann.“

Also ich habe den Eindruck, dass viele Leute eure Band sehr gut finden.

Jack: „Ja, das stimmt schon, den Eindruck hatten wir auch, vor allem in England und Deutschland lief es großartig, und wir hatten eine tolle Zeit. Die ‚Westcoast-Invasion‘-Tour war cool. In den USA ist es einfach problematisch, weil dort so viele Bands touren, man kann so viele Bands sehen, wie man möchte.“
Chip: „Generell hat es auch gar nichts mit Europa zu tun, Europa ist total genial.“

Was wollt ihr denn später mal machen, wenn ihr Ende 40 seid und die Band sich aufgelöst hat?

Chip: „Ich werde andere Bands aufnehmen. Wir haben alle unsere Demos auch bei mir aufgenommen, und später möchte ich mich vielleicht darauf konzentrieren. Den Bands weiterhelfen, etwas zurückgeben. Mal sehen, ob‘s für meine Miete reicht, aber daran, pleite zu sein, habe ich mich inzwischen ja gewöhnt.“
Jack: „Ich würde gerne Bass bei jemanden spielen. Ich nehme einfach Heikos Bass und spiele dann vielleicht bei seinem Country-Projekt mit, das er bis dahin sicher haben wird.“

Kann man denn mit Punkrock seine Rente finanzieren oder habt ihr schon ein anderes Sicherheitsnetz gespannt?

Jack: „Nein, glaube ich nicht, wenn ja, okay, wenn nicht, dann eben nicht. Keine Sicherheitsnetze, die Würfel werden jetzt geworfen und sie werden fallen, wie sie eben fallen. Wir haben nichts, worauf wir uns verlassen können. Keine Versicherung, ich kann mir nicht mal die Zähne machen lassen.“