Der zweite Teil der EP-Serie der Wiener OCEANS steht an. Was es mit dieser Aufteilung auf sich hat, erklärt uns Gitarrist Patrick.
Bald kommt Part zwei eurer Serie „Hell Is Where The Heart Is“. Magst du uns mal erläutern, warum ihr euch für das Konzept zeitlich getrennter EPs statt eines Albums entschieden habt?
Die Aufteilung in EPs ist der Tatsache geschuldet, dass sich das Konsumverhalten mit den Jahren enorm verändert hat. Wir alle haben Zugriff auf riesige Mengen neuer Musik, und das täglich. Und so kommt es, dass komplette Alben nicht mehr in voller Länge gehört werden, was die Streamingzahlen eindeutig belegen. Der Fokus liegt auf zwei bis drei Singleauskopplungen und der Rest der Songs geht letztlich unter. Das ist schade, denn wir – und ich möchte behaupten auch die meisten anderen Bands – investieren in jeden einzelnen Song sehr viel Arbeit und deshalb wollen wir, dass auch jeder die volle Aufmerksamkeit bekommt.
Gab es bei dieser Aufteilung in unterschiedliche EPs auch Herausforderungen und Fallstricke, die ihr vielleicht im Vorfeld nicht bedacht hattet? So was wie Reihenfolge der Songs im Kleinen, also auf der EP, versus die in der Gesamtschau?
Wir haben uns im Vorfeld ausreichend Gedanken gemacht. Nicht nur bandintern, sondern auch zusammen mit unserem Label und unserem Management. Somit ist der komplette Release gut durchdacht. Fallstricke gab es bis dato keine und ich klopfe direkt mal auf Holz, dass es so bleibt. Frag mich in einem Jahr noch mal, rückblickend kann ich dir vielleicht mehr sagen.
Die EPs tragen ja unterschiedliche Zusätze im Titel: „Part I – Love“ und „Part II – Longing“. Worin unterscheiden sich die beiden Kapitel musikalisch und inhaltlich?
„Part I – Love“ handelt von den Erscheinungen rund um das Thema Liebe. Während in „The awakening“ die positive Kraft der Liebe zum Ausdruck gebracht wird, zeigen „Sulfur“ und „Skin“ die Kehrseite der Medaille. Musikalisch tritt die erste EP schon sehr düster und heftig auf, wohingegen „Part II – Longing“ sich mit den schmerzhaften Aspekten der Sehnsucht befasst. Die EP ist insgesamt ruhiger und melancholischer, beinhaltet aber auch die richtige Portion Wut und Frustration. Das Gefühl der Sehnsucht kann unheimlich erdrückend sein und verdammt schwer auf den Schultern lasten.
Ist die Reihe damit beendet oder erwartet uns noch ein dritter Teil?
Wer uns genau verfolgt, hat mitbekommen, dass wir in den letzten Wochen zwei neue Videos abgedreht haben. Bei „Part II – Longing“ steht noch eine Single aus. Den Rest kann man sich nun denken, haha!
Hattet ihr beide EPs parallel geschrieben und produziert oder sind die tatsächlich nacheinander entstanden?
Wir arbeiten eigentlich fast konstant an neuen Songs und haben mittlerweile eine ganze Menge Material in der Rückhand. Die Songs entstanden vom ersten Riff bis zum finalen Master über die letzten Jahre hinweg. Somit stellen wir sicher, dass wir keinen „Schnellschuss“ veröffentlichen und unseren eigenen Standards gerecht werden. Mit einer sorgfältig ausgewählten Anzahl an Songs sind wir dann ins Studio gegangen und haben diese letztlich aufgenommen. Wir haben also eigentlich ein Album ausgearbeitet und aufgenommen und das im Nachhinein aufgeteilt.
Mental Health ist ein Thema, das bei euch ja sehr präsent ist und auch in euren Socials immer wieder stattfindet, indem ihr in kurzen Botschaften unter dem Hashtag „#MentalMonday“ positive Impulse gebt, wie „Everybody grows at different rates“ oder „You can’t heal if you keep pretending that you are not hurt“ ... Allgemein habe ich das Gefühl, dass in den letzten Jahren vermehrt ein Fokus auf Mental Health gelegt wird, gerade weil sich auch viele Musiker in dieser Hinsicht „outen“ – wie ist dein Eindruck im Jahr 2022? Wird es besser? Haben „Mental Health Problems“ ihr Stigma verloren? Oder ist das nur in unserer Musiker- und Szene-Bubble so?
Das Thema Mental Health ist uns sehr wichtig. Wir alle haben unsere Schnittstellen mit psychischen Erkrankungen, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Durch diese Plastikwelt der Social Media und den allgegenwärtigen Druck der Gesellschaft durch die hohe Erwartungshaltung an uns Menschen wird uns dieses Problem in den nächsten Jahren noch härter treffen. Dies macht auch nicht vor unseren Kindern halt und das bereitet mir große Sorgen. Die Medien meiden das Thema Suizid und dennoch nehmen sich täglich 25 Menschen in Deutschland das Leben. Natürlich können wir nicht alle retten, aber wenn jede:r damit anfängt, die Ängste und Sorgen seiner Familienmitglieder, Freunde, Bekannten und Arbeitskolleg:innen ernst zu nehmen, können wir es vielleicht schaffen, diese Zahl zu reduzieren. Auch „aktives Zuhören“ und „Beobachten“ kann schon helfen, dass sich Betroffene besser fühlen. Und gerade wir als Musiker:innen, die das Privileg haben, dass man uns zuhört und wahrnimmt, haben nicht nur die Chance, sondern vielleicht sogar die Pflicht, unseren Teil dazu beizutragen, diese kaputte Welt ein kleines Stückchen besser zu machen. Dies ist aber erfreulicherweise nicht nur in der Musikszene zu beobachten. Ein gutes Beispiel für mich sind Kurt Krömer oder Torsten Sträter, die in einer völlig offenen, transparenten Weise über ihre psychischen Erkrankungen und deren Begleiterscheinungen sprechen, wie etwa Alkoholismus bei Krömer. Ja, ich glaube, das Stigma ist dabei abzunehmen, aber wir haben noch immer eine Menge Arbeit vor uns, denn bislang ist diese Gesellschaft nicht bereit, eine Erkrankung, die sie nicht sehen kann, dennoch als solche zu akzeptieren.
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