Der Singer/Songwriter Manuel Sieg hat mit seiner kürzlich veröffentlichten Platte „Cure & Disease“ die Pforten weit geöffnet: Die Besucher strömen immer zahlreicher auf die Konzerte, seine Band NORTH ALONE spielt Support-Shows mit Größen aus Punk und Rock und die Platte wird in zahlreichen Rezensionen gefeiert. Doch der Osnabrücker bleibt misstrauisch ...
Du hast vor kurzem FLOGGING MOLLY supportet und in der Kölner Live Music Hall vor knapp 1.800 Leuten gespielt. Dann ging es mit NEW MODEL ARMY in den Hyde Park. Vor solchen Menschenmassen zu spielen ist kein Alltag für dich. Wie fühlt sich das an?
Es ist der Wahnsinn. Ich habe vor dem Auftritt in Köln nur kurz in den Saal geschielt, und der war proppenvoll. Wir haben noch nie vor so einem großen Publikum gespielt – vorher waren es maximal vielleicht 500 Leute. Das ist schon ein Unterschied und ein tolles Gefühl.
Du bewegst dich im Singer/Songwriter-Genre – eine Musikrichtung, die im Moment nicht gerade als unterbevölkert bezeichnet werden kann. Wie bist du dazu gekommen?
Eher zufällig. Ich hatte erst eine Hardcore-Band, RUSTICATE, das hat sich aber verlaufen. Und dann kam erst mal nicht so viel, bis ich mit Jan von UNION YOUTH die Band NORTH AND ABOUT gründete. Das ging eine Weile gut, bis ich schließlich eines Abends allein auf der Bühne stand, weil alle anderen Bandmitglieder abgesagt hatten. Also war ich fortan NORTH ALONE. Und in der Phase habe ich einfach verdammt gern Chuck Ragan gehört, zu Hause ein bisschen seine Songs gecovert und selbst Lieder geschrieben. Mit So-Kumneth Sim kam dann ein fantastischer Geiger dazu, der auf genau dasselbe Bock hatte wie ich. Dann haben wir losgelegt.
Apropos Chuck Ragan: Eure Musik wird häufig mit seiner verglichen. Stört dich das?
Ehrlich gesagt mag ich diese Vergleiche nicht. Klar hilft es dabei, sich vorzustellen, wie dieses oder jenes klingt. Und es ist irgendwo auch eine Ehre. Aber es hat immer so einen Beigeschmack von „abgekupfert“. Ich bin in den Neunzigern zum Punk gekommen, NOFX, LAGWAGON waren unsere großen Idole. Als wir dann angefangen haben, selbst Musik zu machen, wollten wir natürlich, dass das so klingt – wir standen ja schließlich auf die Musik. Trotzdem hat jeder Künstler immer seinen eigenen Weg, den eigenen Stil und seine eigenen Texte. Das sollte man dabei nicht vergessen.
Euer Weg, euer Stil und eure Texte scheinen jedenfalls anzukommen. Steht der Durchbruch kurz bevor?
Ich bin da sehr vorsichtig. Das hängt von so vielen Faktoren ab. Man sagt ja: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und das ist selbst bei einem ganzen Schwarm so. Es stimmt zwar: Wir sind gerade dabei, uns eine tolle Basis zu schaffen. Aber wer weiß schon, wie es laufen wird? Vielleicht spiele ich im Winter wieder Wohnzimmerkonzerte.
Aktuell ist das recht unwahrscheinlich. Ihr seid fast ausgebucht für dieses Jahr ...
Stimmt. Normalerweise habe ich einen Schnitt von achtzig bis neunzig Konzerten pro Jahr. Den haben wir jetzt zwar noch nicht ganz erreicht, sind aber auf gutem Wege. Vor allem bei den Support-Shows wollen wir noch viel mehr machen – die erhöhen einfach die Reichweite, wie man auch am FLOGGING MOLLY-Support gesehen hat.
Woran macht sich das bemerkbar?
Kurzfristig natürlich auf den sozialen Plattformen. Du bekommst mehr Likes für deine Seite, plötzlich klicken mehr als hundert Leute auf „Gefällt mir“, wenn ich nur ein einziges Bild poste. Und woran man es extrem merkt: Ich bekomme viel mehr Hilfe und Unterstützung angeboten, wenn ich um etwas bitte. Beispielsweise hätte ich gerne ein neues Bandshirt für uns, und als ich fragte, ob jemand jemanden kennt, kamen so viele Antworten und Tips. Viele tolle Leute haben mir ihre Hilfe angeboten. Das war vorher definitiv nicht in dem Ausmaß der Fall.
Du weißt die Vorteile von Social Media also durchaus zu schätzen ... Und was hältst du vom derzeit scheinbar einzig zukunftsfähigen Weg des Musikkonsums: Streaming?
Davon bin ich absolut kein Freund. Mit meiner Vorgängerband NORTH AND ABOUT waren wir kurze Zeit auch auf Spotify, und als die erste Abrechnung kam, dachte ich: Wollt ihr mich verarschen? Ganz ehrlich, selbst die Stars verdienen sich keine goldene Nase damit. Wer das unterstützt, der muss verrückt sein. Ich frage mich dann immer, ob die Leute tatsächlich nicht wollen, dass neue Musik entsteht. Mit dem Beitritt zu Streaming-Plattformen kämpfen sie jedenfalls genau dagegen an.
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