NO°RD

Foto© by Fabian von Lojewski

Nicht immer um des Rätsels willen

Dass Bands in den letzten, noch von der Pandemie geprägten Jahren etwas länger brauchten, um wieder von sich hören zu lassen, ist nicht ungewöhnlich. Wenn dabei aber Teile der Band aus Münster und Dortmund wegbrechen, entstehen die ersten Sorgenfältchen. Doch in diesem Fall kann die Stirn geglättet werden: NO°RD sind mit neuem Schlagzeuger und ihrem aktuellen und einnehmenden Album „Böse Wetter“ zurück. Sänger Holz und Bassist Hof erzählen, woher das böse Wetter rührt und wie das Album entstanden ist. Ganz am Rande geben sie uns noch ein kleines Rätsel mit auf den Weg.

Fünf Jahre sind ins Land gezogen, seit ihr euer letztes Album „Paläste“ veröffentlicht habt. In der Zeit habt ihr einen Schlagzeuger verloren und mit Yanni einen neuen hinzugewonnen. Stand die Band in dieser Zeit mal auf der Kippe?

Hof: Auf der Kippe nicht, aber wir mussten uns darüber abstimmen, was in der Zukunft machbar und möglich ist und wer worauf Bock hat. Es war allein wegen des Lockdowns schwierig. Maik und Willi haben sich öfter zu zweit zum Musizieren getroffen, manchmal war ich auch dabei, aber es war die Frage, wann und ob wir uns wieder alle regelmäßig treffen können.
Holz: Für mich stand immer fest, dass wir weitermachen.

Konnte Yanni sich auch schon kreativ einbringen?
Holz: Er hat sich kreativ eingebracht. Er hat einen etwas anderen Schlagzeugstil als Tim. Seit er bei uns ist, hat er einiges an Selbstsicherheit und Stil bei sich verbessert und gefunden. Er ist noch jünger als wir und dabei, sich zu entwickeln. Er ist etwas verspielter, als Tim es war.

Und habt ihr noch Kontakt zu Tim?
Holz: Er ist in allen unseren WhatsApp-Gruppen. Er macht nichts mehr für uns, aber irgendwie ist er noch dabei.
Hof: Manchmal kommt die Stimme aus dem Off in einer Sprachnachricht. Es ist sehr schade, dass er jetzt seit zwei Jahren nicht mehr da ist, aber ich hoffe, wir können ihn wieder mal sehen. Wir sind im Guten auseinandergegangen. Tim macht weiter Musik, zusammen mit seinen alten Freunden. Er hat früher bei MALLORYS LAST DANCE gespielt und die Leute wohnen teilweise noch oder wieder im Umkreis von Bremen, wohin er jetzt wieder gezogen ist. Er hat uns mal Aufnahmen geschickt und vielleicht kommt da auch mal was raus und es gibt Konzerte.

Kommen wir zurück zu euch. Euer letztes Album „Paläste“ habe ich als ein wenig sperrig empfunden. „Böse Wetter“ hingegen ist sehr melodisch geworden und hat einige euphorische Momente zu bieten.
Hof: Ich weiß gar nicht, ob ich „Paläste“ als sperrig bezeichnen würde. Grundsätzlich ist das Melodische aber ein Einfluss von Willi. Viele Songs sind bei ihm zu Hause entstanden. Er hat einen Hang zum Melodischen.
Holz: Es war eine bewusste Entscheidung von Maik und Willi, gemeinsam in eine eingängigere Richtung zu gehen und Singalongs einzustreuen.
Hof: Nicht zuletzt auch mit dem Ziel, dass es live Spaß machen sollte.
Holz: Ich war von der Idee erst nicht so begeistert, weil ich lieber düstere Musik mag. Als ich die Songs dann aber wirklich aufmerksam einen nach dem anderen gehört habe und anfing, mir Gesang und Texte zu überlegen, fand ich das gar nicht so schlimm und auch gar nicht so fröhlich. Die Songs passen gut zu uns und ich bin jetzt sehr zufrieden mit der Atmosphäre.

Die Platte trägt also sehr stark Willis und Maiks Fußabdruck. Wurde womöglich auch ein Fußabdruck von den DONOTS hinterlassen? Ihr habt das Album bei ihnen im Heavy Kranich Studio aufgenommen.
Holz: Der Einfluss der Produzenten ist rauszuhören. Ich habe im Vorfeld einigen Leuten erzählt, dass wir bei denen aufnehmen, und einige sagten so was wie: „Oh je, hoffentlich klingt ihr dann nicht wie die DONOTS.“ Ich finde, das tun wir nicht. Den Einfluss kannst du aber nicht verleugnen. An den Arrangements haben wir im Studio nichts verändert, aber es gibt einige kleine Spielereien und zusätzliche Melodien, die das Pop-Niveau eine Stufe höher schrauben. Das geht auf das Konto von Guido und Purgen.
Hof: Die Richtung der Platte kam von uns. Die haben das im Prinzip rundgemacht. Dass ein Song wie „Horizont“ klingt, wie er klingt, war unser Wunsch. Dass er aber jetzt auch so funktioniert, das haben die im Studio mit uns erarbeitet.

Könnt ihr mehr über den Titel „Böse Wetter“ verraten?
Holz: Den habe ich schon 2017 vorgeschlagen, als es darum ging, „Paläste“ zu benennen. Wir haben diesen westfälischen Einschlag und auch einen aus dem Ruhrpott. „Böse Wetter“ ist ein Begriff aus der Bergbausprache, der gut zu Musik und Texten über eine schlechte Welt passt, in der die Atmosphäre vergiftet ist und immer giftiger wird. Der Titel ist die Verbindung von dem, woher wir kommen, und einem Bild für die Lage der Welt, in der wir leben und in der wir leben werden.

Und diese Thematik setzt sich von „Paläste“ hin zu „Böse Wetter“ fort?
Holz: Kann man so sagen. Bei „Paläste“ war das Ziel, nicht nur von Gefühlen und eigenen oder erfundenen Geschichten zu erzählen, sondern auch solche Geschichten, die man mitbekommen hat, oder von historischen Begebenheiten. Bei „Böse Wetter“ war die Idee, überwiegend über Männer zu schreiben, die Probleme mit ihren Gefühlen haben. Die ihre Gefühle nicht zeigen können oder wollen. Die sie verdrängen und in sich reinfressen. Gefühle, die dann plötzlich schädlich für sich und andere ausbrechen. Das Schlagwort toxische Männlichkeit sollte das Konzept sein. Letzten Endes sind auch wieder viele politische Textpassagen drin, in denen es um die Welt als Ganzes geht. Ich habe diesmal keine konkret historischen Texte dabei. Mit Ausnahme vielleicht von „London“. Da habe ich doch auf was zurückgegriffen, das im Internet kursiert.

Was da wäre?
Holz: Das möchte ich eigentlich gar nicht verraten. Das kann gegooglet und selbst entschlüsselt werden. Ich mag das Kryptische ja gern, wenn ich auch nicht der Meinung bin, dass alles, was wir veröffentlichen, kryptisch ist. Viele Leute sagen das über Jens Rachut oder auch TURBOSTAAT. So kryptisch ist das aber alles gar nicht. Das muss einfach mal so genommen werden, wie es dargeboten wird. In „London“ gibt es aber ein kleines Geheimnis, das ich nicht vorab lüften will.
Hof: Wenn man es weiß, ist es offensichtlich.
Holz: Ist ja auch nicht nötig, den Text so zu verstehen, wie ich ihn mir gedacht habe. Wenn Leute etwas daraus ziehen können, so dass es ihnen am Ende ein bisschen besser geht, haben wir erreicht, was wir erreichen wollten.

Ungeachtet des Rätsels in „London“: In der letzten Zeile dieses letzten Songs singt ihr: „Komm, söhn dich aus“. Handelt es sich hier um eine ironische Kampfansage? Ich höre dergleichen auch in „Wir“ raus.
Holz: So kann das gelesen werden. Du kannst es aber auch unsarkastisch verstehen. Du kannst dich nicht nur mit der schlechten Welt versöhnen, sondern auch mit dem Kampf dagegen. Die Linke ist sehr in sich zerstritten und da hilft es, auch mal wieder das Verbindende zu sehen. Es ist sehr schwierig, über diese Texte zu sprechen, bei denen ich mir fünf verschiedene Bedeutungsebenen denken kann. Das Schöne an Songtexten oder generell an Literatur ist ja, dass so vermeintlich banale Sachen, für die du dich im persönlichen Gespräch schon fast schämst, mit Musik, Gedichten oder Geschichten, auf eine Art ausgedrückt werden können, dass sie einfach schön sind und du dich nicht schämst. Ein Anteil in uns wünscht sich Versöhnung und das kann ausgedrückt werden. Dennoch sind andere Deutungen möglich und auch zutreffend.
Hof: Wir verstehen Holz’ Texte tatsächlich auch nicht immer auf Anhieb. Da können wir immer schlecht ein Veto einlegen. Aber wir würden es vermutlich auch nicht tun. Bisher gab es die Situation nicht.

Alex Pascow, auf dessen Label Kidnap Music ihr seid, sagt, dass NO°RD eine Band sei, die immer ein bisschen unter dem Radar läuft. Dieses Jahr durftet ihr aber zum ersten Mal auf dem „Angst macht keinen Lärm“-Festival in Wiesbaden spielen. Ist damit der Knoten geplatzt?
Holz: Glaube ich nicht. Nicht allen Bands, die da spielen, gelingt danach der große Durchbruch. Es ist trotzdem toll zu bemerken, dass mal ein paar mehr Leute auf uns aufmerksam geworden sind. Überhaupt da zu spielen, war ein großes Glück und eine große Freude für uns. Auf der gleichen Bühne wie TURBOSTAAT zu stehen, hat uns noch gefehlt. Die sind einer unserer größten Einflüsse. Auch hautnah mitzubekommen, wie emotional diese Auftritte auch für die großen Bands sind, die wir selber seit zwanzig Jahren als Fans begleiten. Das ist eben doch nicht nur ein Job.
Hof: Das ist genau das Festival, wo man auch als Gast gerne hingeht. Ich weiß gar nicht, ob es sonst Veranstaltungen gibt, wo all diese Bands spielen. Als ich 2019 dort als Gast war, habe ich mir jede Band angeguckt, weil auch einfach jede Band geil war und ich auch ungefähr von jeder eine Platte zu Hause habe.