NOMADS

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31 Jahre Garage-Punk

Manches wird mit den Jahren einfach immer besser. So auch die 1981 gegründeten schwedischen Garage-Rock-Urgesteine THE NOMADS. Vor kurzem überraschten sie ihre Fangemeinde mit dem großartigen neuen Album „Solna“ – und das elf Jahre nach dem letzten regulären Studioalbum „Up Tight“. Es war ruhig geworden um die Stockholmer in der letzten Zeit und abgesehen von den Veröffentlichungen „Showdown 2 – The 90’s“ (2002) und „Nomadic Dementia“ (2006) hörte man kaum etwas von der Band, die oft als Ursprung und Vorlage für THE HIVES, HELLACOPTERS und GLUECIFER genannt wird. Ich traf mich mit Sänger Niklas „Nix“ Vahlberg in Stockholm und unterhielt mich mit ihm über Vergangenheit und Gegenwart einer der wichtigsten Garage-Punk-Bands unserer Tage.

Seit dem letzten Interview mit den NOMADS in Ox #36 sind 13 Jahre vergangen. Was hat sich getan bei euch seit den späten Neunzigern und warum hat man so lange nichts mehr von euch gehört?


Das war eine recht aktive Phase damals. Um das Jahr 1999 herum erlebten die NOMADS eine Art Revival. Zu dieser Zeit waren Bands wie THE HELLACOPTERS sehr populär und davon profitierten wir eindeutig, sie nannten uns oft in Interviews als einen wichtigen Einfluss. Das war mit Sicherheit einer der Gründe, warum es damals plötzlich ein sehr wiedererwachtes starkes Interesse an den NOMADS gab. Wir haben wirklich eine lange Reise hinter uns, und im Laufe der letzten drei Jahrzehnte erlebten wir mehrere Karrierehöhepunkte und mindestens ebenso viele Tiefpunkte. Mitte der Achtziger, Mitte der Neunziger und Ende der Neunziger – das waren definitiv die drei Glanzzeiten der NOMADS. Wir waren damals sehr zufrieden mit unseren zwei White-Jazz-Alben „Big Sound 2000“ und „Up Tight“. 2001 gingen wir auf Tour und ich erinnere mich heute insbesondere gerne an die damalige Deutschlandtour zurück. Nach mehreren Jahren des totalen Desinteresses strömten plötzlich wieder Fans zu unseren Konzerten in Deutschland. Das war nicht immer so gewesen: 1996 spielten wir ein Konzert in Lübeck. An jenem Abend kam kein einziger Konzertbesucher zu unserem Gig. Ein Fiasko, haha. 2001 lief es, wie gesagt, wirklich sehr gut für die NOMADS, aber wir entschieden uns nach der Tour dennoch, in Sachen Rock’n’Roll zukünftig ein wenig kürzer zu treten. Meine Frau und ich bekamen damals ein Kind und auch die anderen in der Band hatten plötzlich neue Prioritäten im Leben. Die NOMADS wurden mehr und mehr ein Hobby-Projekt.

Hat sich deiner Meinung nach über die Jahre etwas am klassischen Sound der NOMADS geändert?

Etwas, das sich ungefähr zeitgleich mit „Up Tight“ abzuzeichnen begann, war die Entwicklung von Chips und Björnes Songwriting mehr und mehr in Richtung Powerpop. Der Sound der NOMADS entfernte sich damals ein wenig von klassischem Garage-Rock und Punk und wurde mehr zu einem Gemisch aus Powerpop und Garage-Punk. Powerpop haben wir im Endeffekt schon immer gemocht. Bands wie FLAMIN’ GROOVIES, THE PLIMSOULS und BIG STAR haben uns von Anfang an beeinflusst, nur gehört hat man das früher nicht so deutlich. Erst mit „Up Tight“ begann sich unsere Vorliebe für Powerpop herauszukristallisieren, und auf unserem neuen Album „Solna“ hört man das natürlich noch stärker. Gute Pop-Melodien, Refrains, Chöre und Backing Vocals, all das ist uns heute mit Sicherheit wichtiger als damals in den Achtzigern. Zum Teil ist das also eine natürliche Entwicklung. Gleichzeitig haben wir aber auch auf „Solna“ die wesentlichen Elemente des typischen NOMADS-Sounds beibehalten. „Hangman’s walk“ zum Beispiel ist ein klassischer Garage-Rock-NOMADS-Song.

Ein wenig überraschend ist ja eure Zusammenarbeit mit Universal Music in Schweden. Wie kam der Kontakt mit dem Majorlabel zustande?

Viele Leute wunderten sich, wie eine Band, die eigentlich nie besonders kommerziell erfolgreich war und von der man darüber hinaus mehr als zehn Jahre nichts gehört hat, plötzlich auf dem größten Plattenlabel der Welt landen kann. Die Menschen, mit denen wir bei Universal in Schweden zu tun haben, sind richtige Musik-Nerds und ich habe nur gute Dinge über unsere Zusammenarbeit zu berichten. Sie mochten unsere neue Platte ganz einfach und wollten sie herausbringen, das ist alles.

In Ox #36 sprachst du darüber, dass sich die NOMADS Anfang der Achtziger als eine Art Reaktion auf die Transformation sahen, die Punk zu dieser Zeit durchmachte. Punk entwickelte sich damals in andere musikalische Stilrichtungen wie Hardcore, Oi! oder Post-Punk weiter – und diese Entwicklungen fandet ihr eher langweilig.

1980/81, als wir die NOMADS gründeten, waren wir nach wie vor besessen vom ursprünglich Punkrock. Wir wuchsen ja 1976/77 mit all den klassischen Punkbands auf und diese bedeuteten Anfang der Achtziger immer noch unglaublich viel für uns. Die erste RAMONES-Platte hatte schließlich unser Leben für immer verändert. 1978 war es ja bereits wieder vorbei mit der ersten Punk-Welle. 1980/81 begann sich Punkrock in für uns eher merkwürdige Richtungen weiterzuentwickeln. Englischer Oi! und Hardcore-Punk, das war nicht wirklich unsere Welt. Das war uns einfach zu wenig Rock’n’Roll und hatte zu wenig Melodie. Als in England zu dieser Zeit Post-Punk mehr und mehr mit Goth zu liebäugeln begann, da wussten wir direkt, dass das definitiv nicht unser Ding war. Was amerikanischen Hardcore betraf, so fanden wir einige Bands sehr gut, die frühen BLACK FLAG zum Beispiel. Trotzdem empfanden wir all das als nicht annähernd so gut wie all die großartigen Bands, die es in den Siebzigern gegeben hatte. Mit Bands wie THE GUN CLUB und THE CRAMPS fühlten wir uns allerdings sehr im Geiste verbunden. THE CRAMPS beriefen sich auf 50s-Rockabilly und THE GUN CLUB hatten alte Blues-Größen wiederentdeckt. Unser Ansatz war damals, auf den alten Rockabilly und 60s-Rock’n’Roll zurückzugreifen, weil uns ganz einfach keine der damals aktuellen Punk-Spielarten gefiel. Garage-Bands wie THE SONICS, die heute fast jeder kennt, waren damals ja völlig unbekannt.

2008 spielten die NOMADS ein legendäres Konzert mit Roky Erickson – ein Erlebnis für euch.

Das war ein großer Moment in der Geschichte der NOMADS. Wir sind alle schon ewig Fans von Roky Erickson. Die Veranstalter des Festivals wollten Roky damals unbedingt buchen und es war geplant, dass er ein akustisches Set spielen sollte. Sie hatten nämlich kurz zuvor Keven McAlesters Dokumentarfilm „You’re Gonna Miss Me“ gesehen. Rocky schien seine psychische Erkrankung in den Griff bekommen zu haben und begann, wieder akustische Konzerte zu geben. Rockys Manager meinte damals aber, dass Rocky nach wie vor nicht in der Lage sei, ganz alleine aufzutreten, Roky bräuchte eine Backing-Band für das Konzert. Dieser besagte Manager war ein großer NOMADS-Fan und stellte dann den Kontakt her. Roky selbst wusste sicher nicht, wer wir waren – der hatte damals andere Dinge im Kopf, haha. Zwei Wochen hatten wir Zeit, um die Songs zu proben. Als Roky dann nach Schweden kam, hatten wir genau eine einzige Probe mit ihm vor dem eigentlichen Konzert. Ich erinnere mich, dass es extrem heiß war an diesem Tag und Roky keine Lust hatte, das ganze Set zu durchzuspielen. Also probten wir nur ungefähr die Hälfte der Songs, aber wir kannten Rokys Live-Aufnahmen mit den EXPLOSIVES und wussten ungefähr, was wir zu erwarten hatten. Wie auch immer, das Konzert war ein voller Erfolg. Roky hatte immer noch eine großartige Stimme und schien sich auf der Bühne wohlzufühlen.

Auf „Solna“ findet sich mit „American slang“ auch ein Coversong.

„American slang“ ist ein Song von Jack Oblivian. Jack beschrieb diesen Song einmal als eine Art NEW YORK DOLLS-Hommage. Ich mochte den Song schon immer. Ich habe Jack mehrmals persönlich getroffen, sowohl in Stockholm als auch in Memphis. Wir sprachen damals darüber, dass die NOMADS gerne ein Cover einspielen wollten. Jack findet unsere Version übrigens so gut, dass er überlegt, unser neues Song-Arrangement selbst bei Live-Konzerten zu spielen.

Wo wir schon bei den NEW YORK DOLLS sind: Du hast Johnny Thunders mehrmals persönlich getroffen. In den frühen Achtzigern lebte er mit seiner schwedischen Freundin in Stockholm. Was für Erinnerungen hast du an die Zeit Anfang der Achtziger?

Wir haben mehrere Male mit Johnny Thunders gespielt und ähnlich wie bei Roky ist damit für uns alle ein Traum wahr geworden. 1981 oder ’82 habe ich Johnny zum ersten Mal getroffen. Er war damals in tragisch schlechter Verfassung und konnte kaum die Augen öffnen bei einem seiner Auftritte. Ich besuchte danach noch viele seiner Konzerte und die waren manchmal katastrophal, manchmal aber auch einfach großartig. Die NOMADS waren mehrmals alsVorband bei Johnnys Konzerten dabei. 1989 hatte Hans den Song „Beyond the valley of the dolls“ geschrieben. Dieser Song klang ein wenig wie eine Johnny-Thunders-Nummer. Zu dieser Zeit wohnte Johnny in Hägersten, einem Bezirk von Stockholm. Wir riefen ihn an und fragten, ob er nicht Lust hätte, zu uns ins Studio zu kommen und ein Gitarrensolo einzuspielen. Unglaublicherweise sagte er zu. Das war schon großartig, Johnny Thunders mit auf einer NOMADS-Platte zu haben! Leider lebte er danach bekanntlich nicht mehr allzu lange.

Der schwedische Musik-Streaming-Dienst Spotify erfreut sich – auch bei Punk-Fans – wachsender Beliebtheit, gleichzeitig gibt es viele kritische Stimmen, etwa warum Künstler nur so einen äußerst geringen Betrag als Vergütung erhalten. Was sagst du als Musik-Fan aber auch Urheber dazu?

Ich befinde mich jetzt in einem Lebensabschnitt, in dem ich einfach keine Zeit und Energie habe, ständig in Plattenläden nach neuen Alben zu suchen. Das musikalische Angebot auf Spotify ist immens, das Ganze ist einfach sehr praktisch. Klarer Nachteil ist unter anderem die recht bescheidene Tonqualität, aber darüber kann ich hinwegsehen. Als Urheber muss ich sagen, dass mit Spotify in Schweden vieles besser geworden ist. Vor Spotify kaufte nämlich niemand mehr CDs und lud einfach alles illegal herunter. Urheber erhalten sehr niedrige Beträge, ja, das stimmt. Aber es geht bereits aufwärts und die Beträge werden in der Zukunft steigen. Eine legale Alternative zur illegalen Piraterie zu haben ist jedenfalls viel wert.