NOAHFINNCE

Foto© by Corinne Cumming

Leben im Internet

Bekannt geworden als YouTube-Star, veröffentlicht NOAHFINNCE nach Single- und Cover-Releases nun sein Debütalbum. Im Interview erklärt der Brite, was das Aufwachsen im Internet mit ihm gemacht hat und was hinter seinem Anti-TERF-Song „Scumbag“ steckt.

Dein Album trägt den Titel „Growing Up On The Internet“, lustigerweise bist du auf dem Cover aber mit einem alten Fernseher abgebildet. Warum nicht mit einem Computer?

Der Fernseher ist cool, aber ursprünglich war der ein Requisit, das wir 2021 für ein Musikvideo benutzt haben. Das Foto war an sich auch nur für Promozwecke gedacht. Aber ich fand dann, dass es für mich keine Rolle spielt, da es nur um die Idee geht, beobachtet zu werden. Ich habe schon das Gefühl, dass ich im Internet aufgewachsen bin, dass ich meine Bestätigung von Fremden ausschließlich online bekommen habe. Es gab immer Tausende Leute, die mir gesagt haben, was sie an mir mögen oder was sie an mir nicht mögen, was für eine Person ich ihrer Ansicht nach sein sollte, wer ich lieber nicht sein sollte ... Es ist einfach diese umfassende Idee, beobachtet zu werden, und dass Leute Zugang zu jedem Aspekt von einem haben, von kleinauf. Als ich dann das jetzige Coverbild sah, fand ich, dass es einfach Sinn macht.

Ein weiteres großes Thema ist die LGBTQI+-Gemeinschaft. In deinem Song „Scumbag“ sprichst du dich gegen TERFs aus. Das Akronym steht für Trans-Exclusionary Radical Feminist. Kannst du mir ein bisschen mehr darüber erzählen?
Der Song hat etwas damit zu tun, dass man nicht weiß, was man im Internet tun oder sagen soll, wenn die Anti-Trans-Rhetorik auf dem Vormarsch ist. Der erste Song, den ich je veröffentlicht habe, heißt „Asthma attack“ und ist eine kleine Nummer auf der Ukulele, die ich mit 15 geschrieben habe und in der es darum geht, dass ich einfach nur sterben wollte, weil es mich so sehr verstört hat, trans zu sein. Doch seitdem habe ich das Thema nicht mehr so oft angefasst. Ich gab ein paar Anspielungen in Songs, aber ich wollte nicht, dass es so wirkt, als würde ich nur darüber schreiben, dass ich mich umgewandelt habe. Ich habe den Prozess durchlaufen, es ist nicht etwas, worüber ich jeden Tag in meinem Leben nachdenke, das passiert nur, wenn ich ins Internet gehe. Und als ich „Scumbag“ schrieb, hatte ich das Gefühl, dass ich bald durchdrehe angesichts der Flut an transphoben Fake-Informationen. Ich hatte es einfach satt. Vor allem das Phänomen der aufkommenden TERFismen, bei denen angeblich feministische Personen ihren Hass auf Trans-Menschen unter dem Deckmantel, es ginge ihnen um den Schutz von Frauen und Kindern, verstecken. So als ob meine schiere Existenz irgendwie die Rechte von Frauen einschränken würde ... Ich hatte diese Heuchelei einfach satt. Ich bekomme jeden Tag Tausende von Kommentaren in den sozialen Medien, aber hin und wieder geht ein Video viral und alle Kommentare lauten: „Du bist ekelhaft.“ Seit ich 17 bin, werde ich als Kinderschänder bezeichnet, nur weil ich mich als trans geoutet habe. Die Leute sehen, wie ich über mein Trans-Sein spreche, und erklären mir, dass ich damit irgendwie ihren Kindern schade. Ich glaube, das hat sich weiter zugespitzt, vor allem im Internet, wenn man sich überlegt, was J.K. Rowling gesagt hat oder wie die Rechte von Trans-Menschen von der Politik als eine Art Spielball betrachtet werden.