NO FRONT TEETH RECORDS

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Energie statt Nostalgie

Wenn man an England und Punkrock denkt, kommen nicht von ungefähr zuerst nostalgische Erinnerungen hoch an längst vergangene Zeiten und längst aufgelöste Bands, denn spätestens seit der zweiten großen Punk-Welle Anfang der Achtziger, die nicht wenige auch als den spätesten Zeitpunkt des Endes der eigentlichen Punk-Szene betrachten, ist in London nicht mehr viel passiert. Sieht man von dem Geschäft mit Punks auf Postkarten und der allgegenwärtigen Vergangenheitsbewältigung diverser ehemals dort entstandener Jugendkulturen einmal ab, war Großbritannien, und vor allem die Hauptstadt London, jahrelang ein mehr oder weniger toter Fleck auf der Punkrock-Landkarte. Genau das war auch die Situation, die Jon und Marco von No Front Teeth Records vorfanden, als sie sich Anfang des neuen Jahrtausends dazu entschieden, ihr Fan- und später Webzine um ein Label zu erweitern.

Den Sound und Stil der ursprünglichen englischen 77er-Punkbands, der in ihrem Land schon längst nicht mehr und auch im Rest von Europa nur äußerst selten zu finden war, entdeckten sie bei der damals in den USA entstehenden Szene um Bands wie die U.S. BOMBS, STITCHES, SMOGTOWN, ONE MAN ARMY oder den BELTONES und Labels wie Disaster Records, TKO oder Hostage Records wieder und genau das wollten sie nutzen, um die Szene in ihrer Stadt wieder zu beleben. Was relativ bescheiden mit einigen Compilations anfing, entwickelte sich über die Jahre mehr und mehr zu einem reinen Single-Only-Label, das inzwischen längst als weltweite Top-Adresse zählt, was Veröffentlichungen von Bands wie den CUTE LEPERS, STRAP STRAPS, ESCALATOR HATERS, THE PEGS oder den TRANZMITORS belegen. Mit viel harter Arbeit und Engagement haben es No Front Teeth Records tatsächlich geschafft, dass London wieder eine zwar kleine, aber großartige, aufregende und lebendige Punk-Szene zu bieten hat. Weshalb dafür aber nicht nur der richtige Riecher für großartige Bands, das für das Label typische ideenreiche und ausgefallene Artwork oder limitierte Special Editions wichtig sind, kann euch Marco jetzt selbst erzählen.

Marco, No Front Teeth Records ist inzwischen zu einer Top-Adresse für Punkrock bester Qualität geworden. Wie gestaltet sich euer Label-Alltag im Kontext eures „normalen“ Lebens?

Die Arbeit ist unglaublich und sie hört nie auf. Jon und ich waren ursprünglich alleine, aber über die Jahre ist das Label-Team auf bis zu acht Leute angewachsen, während wir inzwischen wieder dahin zurückgekehrt sind, alles zu zweit zu machen, weil das für uns einfach der beste Weg ist. Alle Entscheidungen werden von uns selbst getroffen und wir sind immer noch an jedem Schritt von NFT beteiligt. Jon macht alles, was mit dem Web zu tun hat, ich mache das komplette Artwork und die News. Wir betreiben auch den Mailorder selbst, so dass du, wenn du bei uns etwas bestellst, es auch direkt von uns bekommst. Wir stellen die Platten her, wir verpacken die Platten, wir machen alles selbst. Der Zeitrahmen dafür ist unheimlich eng und wir machen das alles zusätzlich neben unseren Vollzeitjobs. Ich bin Kunstlehrer an einer Schule, außerdem habe ich zwei Kinder und ein drittes ist auf dem Weg, dazu noch die ganzen Bands – der Tag hat also viel zu wenig Stunden und NFT frisst viel Zeit. Als wir uns dazu entschieden haben, Vinyl zu produzieren, haben mehr Leute von uns Notiz genommen, auch die Qualität ist jedes Jahr höher geworden. Nicht, dass ich unsere frühen Releases schlechtreden wollte, ich bin stolz auf alles, das wir veröffentlicht haben, aber ich denke, in den letzten vier, fünf Jahren sind wir das Label geworden, das wir immer sein wollten, so was braucht halt Zeit. Wir waren ja noch Kids, als wir angefangen haben, wir hatten von alledem überhaupt keine Ahnung, also haben wir ständig dazugelernt und tun das noch heute.

Hast du das Label eigentlich nach Duane Peters oder Shane McGowan benannt? Auch wenn beide inzwischen ihre Zähne haben reparieren lassen ...

Es hat tatsächlich damit zu tun, dass ich einmal in einem Zahnlabor gearbeitet und dort für einige Jahre künstliche Zähne angefertigt habe. Ich habe die Gipsabdrücke von den Zähnen gemacht und damit die Kronen angefertigt, außerdem Brücken und Teilgebisse, die oft für fehlende Vorderzähne angefertigt worden sind. Ich habe mir auch einmal selbst Vorderzähne aus Silber angefertigt, weil ich mir einen Zahn komplett und den anderen zum Teil abgebrochen hatte, heute habe ich die allerdings nicht mehr. Was Duane und Shane angeht, die haben inzwischen ja beide ein perfektes Lächeln.

Was Duane Peters betrifft, denke ich, dass sowohl seine Bands als auch sein Label Disaster Records ein großer Einfluss für dich zu Beginn deines Labels waren, wie kam es dazu?

Da hast du auf jeden Fall Recht, zusammen mit Labels wie Hostage, denn das ist die Art von Punkrock, die uns hier bei NFT wirklich begeistert. Als wir 2000/01 anfingen, gab es nicht viel in Europa, was diesen Sound repräsentiert hätte, weshalb wir uns dazu entschieden hatten, die erste Compilation zusammenzustellen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vor, ein richtiges Label aufzubauen. Wir dachten eigentlich nur daran, mit dem Zine weiterzumachen und hier und da eine Compilation zu veröffentlichen. Die Idee dieser ersten Compilation war es, den eben genannten Sound hier in Europa und vor allem in England vorzustellen. Mit Bands wie SMOGTOWN, US BOMBS, DUANE PETERS & THE HUNNS, THE DECLINE und so weiter, aber auch kleineren Bands, von denen wir dachten, dass sie cool sind, und nicht zuletzt natürlich europäischen Bands. Beeinflusst wurden wir dabei vor allem von frühen Labels wie Dangerhouse, wir haben sogar deren Coverformat gestohlen. Warum ich denke, dass Labels wie Disaster oder Hostage so wichtig für das Entstehen von NFT waren, hängt damit zusammen, dass sie zu dieser Zeit aktiv waren. Ihr Sound war der Sound der Gegenwart. Es ist großartig, dass Hostage jetzt wieder Sachen veröffentlichen, und ihre „Surf & Destroy“-Radioshow ist absolut überragend, außerdem unterstützen sie NFT und unsere Bands wirklich sehr.

Welche Labels haben dich sonst noch stark beeinflusst, was ihren Stil, ihre Musik und auch ihr Artwork angeht, und warum?

Wie gesagt, auf jeden Fall Dangerhouse, was die Coverform angeht. Ich liebe einfach diesen Stil der Cover, wo du, wenn du es umdrehst, die Hälfte des Vinyls sehen kannst. Und ich stehe auf die Kunst von Tom D. Kline, der für Beer City und Disaster Records gearbeitet hat. Das sind die Dinge, die mich sicher am meisten beeinflusst haben. Ich mache das komplette Artwork für NFT und 99,9% der Cover für NFT-Releases. Ich bin schon mein ganzes Leben lang Künstler und sehr beeinflusst von der Arbeit einer Gee Vaucher/CRASS und Winston Smith im Sinne der auf Musik bezogenen Kunst. Außerdem durch die Arbeit von Francis Bacon, Robert Rauschenberg, Jeff Koons, Hans Bellmer, Jim Phillips oder Andrew Shrigley, es sind einfach verdammt viele. Ich denke, Bilder sind sehr wichtig im Punkrock, und als Teenager hat es sicher eine große Wirkung auf mich gehabt, wenn ich Punk-Singles durchstöbert habe. Je einfacher desto besser, ist meine Devise. Und das ist auch der Grund, warum Hostage so einen großen Einfluss hatte, denn das waren zum größten Teil einfach fotokopierte Cover. Für mich ist das Perfektion – der reine, rauhe Punk-Stil!

Vor dem Label kamen ein Fanzine und ein Webzine, was hat dich dazu motiviert, ein Label zu gründen, vor allem zu einer Zeit, als die englische Punk-Szene tot war und das eigentlich schon seit Jahren?

Es war schwierig, das Fanzine im Papierformat unter die Leute zu bringen, das Problem war der Vertrieb. Ein Webzine war also der nächste logische Schritt für uns und die Umsetzung war für uns sehr einfach. Buchstäblich über Nacht wuchs unsere Leserschaft von ein paar hundert auf ein paar tausend. Ein richtiges Fanzine ist natürlicher viel cooler als ein Webzine, aber wir hatten einfach das Gefühl, dass es an der Zeit ist, mehr Leuten mitzuteilen, was wir zu sagen haben, und das Internet war dafür einfach der richtige Weg. Jon, mit dem ich NFT gegründet habe und der heute noch mein Label-Partner ist, arbeitet im IT-Bereich, was die Umwandlung und Entscheidung noch einfacher machte. Wir haben dabei aber immer gesagt, dass wir keine Kompromisse eingehen wollen, das Artwork musste gut sein, es sollte nicht einfach nur ein weiteres lahmarschiges Webzine werden. Nach dem Erfolg der ersten Compilation, von der ich eben erzählt habe, entstand dann wie selbstverständlich das Label. Wir fingen langsam an, Veröffentlichungen von einzelnen Bands zu machen, einige zusätzliche Compilations und irgendwann gelang uns der Sprung von CD zu Vinyl. Es stimmt, dass die englische Punk-Szene zu dieser Zeit sicher nicht besonders aufregend war, weshalb unser Fokus damals wie heute auch mehr auf amerikanische Bands gerichtet ist. Der Stil, den wir selber lieben und repräsentieren, ist sehr speziell und in England nur schwer zu finden. Es gab, als wir anfingen, einen Haufen Ska-Punkbands, woran wir überhaupt kein Interesse hatten, und viele der typischen Fat Wreck/Epitaph Bands, womit wir ebenfalls nichts zu tun haben wollten. Als es mit dem Label losging, bekamen wir viele Mails und Briefe von Leuten aus ganz Europa und besonders auch aus England, die uns schrieben, dass es schon lange überfällig war, dass ein Label aus England diese Art von Musik herausbringt. Anscheinend gab es zu dieser Zeit viele, die über die Szene genau so gedacht haben wie wir. Wir wollten damals beweisen, dass es eine Handvoll Bands gibt, die wirklich interessant sind, das waren dann auch die Sachen, die wir veröffentlicht und auf Compilations gepackt haben. Wir hatten selber eine Band namens BLACKLIST BRIGADE, die aus NFT-Mitgliedern bestand, und so war das Label eine natürliche Plattform, auch unsere eigenen Sachen zu veröffentlichen. Später kamen dann THE JABBS, CAPITOL TARGETS, BLACK BEACH UNION, bei denen immer Leute von NFT mit am Werk waren, was sich bis heute zu den GAGGERS, BOTOX RATS und DAGGER DICKS fortgesetzt hat.

Wie bist du selbst dann in einem derart schlechten Klima für Punkrock an diese Musik gekommen, was ist deine persönliche Punkrock-Geschichte?

Ursprünglich war ich Heavy-Metal-Fan, der auf IRON MAIDEN, SLAYER, LED ZEPPELIN und diese ganze Scheiße abgefahren ist, sogar ein wenig auf OBITUARY und NAPALM DEATH. Mit 13 Jahren war ich dann mal zu Besuch in Neapel und einer der Freunde meiner Schwester gab mir ein CLASH-Mixtape. Er hatte einfach ein paar CLASH-Songs auf die eine und BLUE ÖYSTER CULT auf die andere Seite aufgenommen, eine sehr seltsame Mischung. Jedenfalls hat das Zeug von THE CLASH mich umgehauen, es war der Wahnsinn. Ich kannte zwar Songs wie „Should I stay or should I go“ und „I fought the law“, aber „Spanish bombs“, „Safe European home“, „Jimmy Jazz“, „Junco partner“ und die ganzen anderen unglaublichen Sachen hörte ich zum ersten Mal. Zurück in London habe ich in der Schule ein paar SEX PISTOLS-Tapes von einem Kumpel bekommen. So hatte ich dann „Never Mind The Bollocks“, „Flogging A Dead Horse“, „The Great Rock’n’Roll Swindle“ und ein paar Tapes von P.i.L. Für etwa ein Jahr hörte ich also THE CLASH, SEX PISTOLS, Metal und war total verrückt nach den BUTTHOLE SURFERS und DEAD MILKMEN, bis dann irgendwann der Metal verschwand und ich Bands wie die DEAD KENNEDYS, die Lookout Records-Sachen, RANCID und so weiter entdeckte. In meiner Straße gab es damals einen Plattenladen, in den ich jeden Tag nach der Schule ging, dort hat auch meine eigentliche Punkrock-Geschichte begonnen, und wo ich neue Bands kennen lernte und Platten von den BUZZCOCKS, THE BOYS, SHAM 69, PAGANS, FEAR, MACC LADS, BUSINESS, DEVO, FLIPPER, NUNS, LURKERS und vielen mehr kaufte. Den Laden gibt es noch heute und ich kaufe da auch immer noch Platten, gerade letzte Woche habe ich eine ASEXUALS-LP gekauft.

Ich habe immer den Eindruck, dass die musikalische Geschichte von London und vor allem die des Punkrock heute nur noch benutzt wird, um Touristen abzuzocken, während es auf der anderen Seite schwer ist, etwas Neues zu etablieren. Warum fühlen sich viele immer noch mehr von der Nostalgie als von der Gegenwart angezogen?

Ja, wir sagen immer, dass England zwar immer gut darin ist, für einen aufregenden, neuen Stil und Sound Pionierarbeit zu leisten, allerdings nicht besonders gut darin, etwas davon zu erhalten. Wir sind nur eine kleine Insel, also erfinden wir etwas und widmen uns dann der nächsten Sache, als ob wir keine Zeit und keinen Raum hätten, tiefer in eine Szene einzusteigen. So bekommst du dann diese kleinen, aufgesplitterten Szenen, die dann für den Rest der Welt, der sich weiterentwickelt hat, das repräsentieren, was eigentlich schon für tot gehalten wird. Wenn ich mit Punks der ersten Generation spreche, sind viele der Meinung, dass es in den Achtzigern schon vorbei war. Wenn du in einem großen Land, wie den USA lebst, dann sind Szenen quasi dazu gezwungen, weiter zu existieren, weil es genug Raum für alle gibt, um sich aufeinander einzulassen. Die aktuelle Szene in London ist zwar klein, aber interessant und aufregend, sehr an ’77 orientiert, was die Musik und den Stil angeht. Eine Handvoll Leute hält die Szene am Laufen, so dass diese Leute auch in vielen Bands spielen, die sich dementsprechend die Mitglieder teilen. Nimm zum Beispiel mich, ich singe bei den GAGGERS, BOTOX RATS, DAGGER DICKS, DISCO LEPERS, SHANGHAI WIRES und noch ein paar anderen. Der Gitarrist der GAGGERS singt bei den BLOWOUTS, NEEDLE AUTOMATIX, THE SEMINALS und bei HATEFUL, außerdem spielt er auch noch akustische Sachen, wobei ich ihn wiederum mit dem Akkordeon unterstütze. Einige andere wirklich sehenswerte Bands aus London sind die ELECTRIC COCKS, JOHNNY THROTTLE, TEN O SEVENS und THEE SPIVS. Man sieht also, dass alles ziemlich eng zusammengehört und die Szene sehr klein ist, aber es ist neu und frisch. Es gibt sicher auch noch einige UK’82-Punks, die völlig in ihrer Nostalgie leben. Wir repräsentieren das allerdings nicht, das ist eher die Postkarten Punk-Ästhetik, die wir für völlig überholt halten. Sicher, wir stehen zwar für einen Sound, der sogar noch früher aufkam, nämlich 1977/78, aber wir haben nicht das Gefühl, dass das nostalgisch ist, weil es sich jung anfühlt, weil die Energie zu spüren ist, es macht mehr Spaß und ist ehrlich.

Würdest du sagen, dass das in England auch mit der Diktatur der Musikpresse zusammenhängt, die nur damit beschäftigt ist, die nächste Franz-Libertine-Gallagher-Style-Band in den Himmel zu loben?

Ja, ich denke, das gilt für das gesamte Geschäft mit dem Hype um neue und aufregende Bands oder zumindest, was die für neu und aufregend halten, bis sie sich der nächsten Sache zuwenden. Inzwischen spricht doch seit Ewigkeiten keiner mehr von diesen Bands und dennoch hattest du vor ein paar Jahren keine Möglichkeit, ihnen zu entkommen.

Wenigstens haben inzwischen Bands wie die TEN O SEVENS, GAGGERS und andere auch außerhalb von London auf sich aufmerksam machen können. Denkst du, dass die unermüdliche Arbeit von dir und deinem Label ihren Teil dazu beigetragen hat?

Das ist auf jeden Fall so. Ich denke, es ist wichtig für NFT, als Label aus London, die aktuelle Punk-Szene der Stadt zu repräsentieren und zu dokumentieren, und es ist, wie ich schon sagte, eine aufregende Zeit und Musik, und wir haben dabei geholfen, das in der Welt zu verbreiten. Unser Vertrieb ist wirklich großartig, viele unserer Releases gehen in die USA, nach Japan, Australien sowie selbstverständlich Europa. Das Konzept unserer Compilations war es immer, unbekannten, kleinen Bands mit der Unterstützung größerer Bands dabei mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, und tatsächlich hat es einigen viel geholfen, um Platten zu veröffentlichen und Shows zu bekommen. Inzwischen sind wir sogar eine Art Kult-Label geworden, eine Art Qualitätssiegel, die Leute verlassen sich auf uns, dass wir sie mit großartiger Musik versorgen.

Gibt es eine bestimmte Band, von der du denkst, dass sie diese Veränderung, die bereits im Untergrund vor sich hingekocht hat, endgültig losgetreten haben?

Die PARKINSONS haben sicher eine Menge Leute beeinflusst, sie sind zwar eigentlich Portugiesen, waren aber nach London übergesiedelt. Sie waren kurz davor, richtig groß zu werden, waren aber wohl zu echt, so dass letztendlich nichts daraus wurde. Ich weiß noch, dass sie mich wirklich umgehauen haben, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Ich hatte so einen Sound von einer Band aus London nicht mehr gehört seit meinen Punk-Singles aus den Siebzigern. Das liegt zwar schon einige Jahre zurück, aber ich würde auf jeden Fall sagen, dass sie definitiv etwas in der Szene bewegt haben. Vor kurzem haben sie eine Reunion-Show gespielt und die Leute sind völlig durchgedreht. Mitglieder von den PARKINSONS gingen später zu Bands wie THE PHOBICS, JOHNNY THROTTLE und THE HATEFUL.

Es gibt sicher eine Gruppe von Kunden, die regelmäßig bei euch einkaufen, nämlich die Plattensammler.

Wir haben auf jeden Fall einige treue Kunden, die Sammler sind. Das sind doch die Leute, die am meisten auf die Veröffentlichungen gespannt sind, die wirklich intensiv dabei sind, nicht nur aus Sammelgründen. Wir hatten eigentlich nie vor, ein Sammlerlabel zu werden, und wissen eigentlich auch nicht, wie es dazu kam. Es ist aber äußerst schmeichelhaft für das Label und die Bands, dass es Leute gibt, denen das alles sehr wichtig ist, vor allen in den Zeiten der ganzen digitalen Scheiße, wo scheinbar niemanden mehr irgendetwas wichtig ist.

Denkst du auch, dass die Special Editions, die handgemachten Cover, die ganzen Gimmicks nicht nur mehr Leute aufmerksam machen, sondern vor allem auch ein besonderes von einem Standard-Label unterscheiden?

Wir haben uns für die Special Editions entschieden, weil wir dachten, dass es in den heutigen Zeiten mit digitalen Downloads und virtueller Musik noch viel großartiger sei, ein Stück Kunst aus diesen Platten zu erschaffen. Also klebten wir Reißverschlüsse auf die Cover, malten andere selber an, haben mit verschiedenen Arten von unterschiedlichen Schichten gearbeitet, so dass man mit dem Anheben jeder Schicht unterschiedliche Bereiche des Artworks sehen konnte. Mein Favorit ist aber die „Sperma Edition“ der DAGGER DICKS/ELECTRIC COCKS-Split-7“, wo wir eine limitierte Anzahl mit Spermaspritzern auf dem Cover gemacht haben. Gut, es war zwar nur Kleber, sah aber verdammt überzeugend aus. Gerade erst haben wir die STRAP STRAPS-10“ veröffentlicht, bei der wir unser erstes Laser-Cut Sleeve gemacht haben, worauf wir verdammt stolz sind. Wir wollen einfach nur ein cooles Stück Kunst schaffen, wir haben auch das nie gemacht, um Geld damit zu verdienen, wir verlangen nur mehr für die Versionen, weil sie auch in der Herstellung teurer sind, besonders die durchsichtigen Cover und die Laser-Cut-Sleeves, so dass der Preis angemessen ist. Wir jagen den Preis nicht in unerschwingliche Höhen, denn das hätte nichts mit unserer Einstellung zu tun. Alles ist sehr D.I.Y. und ich bin der Meinung, dass das wichtig bei einem Label ist, und die Leute merken das auch. Es ist verdammt viel Arbeit.

Ist es für ein Label, das Vinyl veröffentlicht, nicht sogar notwendig, etwas Einzigartiges zu produzieren, um überhaupt überleben zu können?

Ich denke schon, unser Produkt soll sowohl attraktiv aussehen als sich auch gut anhören, denn wenn Leute noch nichts von der Band gehört haben, wollen sie die Platte vielleicht haben, weil das Cover cool aussieht. Nicht nur die limitierten Versionen, sondern alle. Das Artwork muss dich anspringen. Ich selbst würde viele der NFT-Releases alleine deshalb kaufen, wie sie aussehen. Ich habe das mit Releases anderer Labels auch schon gemacht, du hast irgendwie sofort das Gefühl, dass du es haben willst, egal, ob es dir etwas sagt oder nicht. Image ist sehr wichtig, bei NFT gab es nie Raum für Faulheit, unsere Sachen sahen immer gut aus und wir haben seit dem ersten Tag viele Anstrengungen und Mühen in sie investiert, und dafür bekommen wir auch Anerkennung.

An welcher Stelle steht bei NFT Records der kommerzielle Faktor einer geplanten Veröffentlichung?

Wenn wir etwas gut finden, dann veröffentlichen wir es auch, unabhängig davon, wie wir denken, dass es sich verkauft. Nichts dreht sich nur um Verkäufe oder Zahlen. Wenn wir der Meinung sind, es sollte veröffentlicht werden und es uns leisten können, dann tun wir das auch und machen dafür soviel Werbung, wie nur irgend möglich, alleine deshalb, weil wir denken, dass es cool ist und gehört werden sollte. Geld für eine neue Veröffentlichung zu haben, ist immer der schwierigste Faktor bei einer Platte und wird bei NFT immer eine große Rolle spielen, weshalb es für uns auch immer schwierig ist, neue Releases zu planen, denn es gibt verdammt viel, das wir gerne machen würden, wobei wir aber von unseren Finanzen her leider limitiert sind. Alles muss sorgfältig durchdacht werden und jeder Penny, den wir verdienen, wird sofort wieder in NFT und die nächste Veröffentlichung investiert. Jon und ich stecken dabei immer wieder eigenes Geld rein, das wir aber niemals zurückbekommen. Es ist sicherlich ein teures Hobby, aber Hobbys kosten nun einmal Geld, und wir haben ohnehin immer erwartet, Geld dabei zu verlieren.