Ohne diverse Bands abwerten zu wollen, finde ich es schon ziemlich bescheiden, als Amerikaner, bzw. Kanadier, irische oder schottische Folkmusik mit Punkrock zu mischen! Die Amis versuchen ja auch nicht auf bayrisch zu singen, so etwas sollte man dann doch den traditionellen Einwohnern dieser Gegenden überlassen. Wie z.B. den NEWTOWN GRUNTS aus Glenrothes, Schottland. Ich sprach mit Dave (Bass) und Norman (Gesang) via Internet. Da das Interview über zwei Tage geführt wurde, beantwortete Norman im Gegensatz zu Dave nur den ersten Teil meiner Fragen.
Stell doch mal die Band vor.
Dave: Nun, wir sind immer noch zu siebt: Norman, Gesang – Rod, Gesang – Lynne, Gesang – Dave, Bass – Skinz, Gitarre – Ricky, Gitarre – Mike, Drums.
Das fand ich schon immer faszinierend an euch, es ist ja nicht gerade alltäglich, eine Punkband mit drei Sängern anzutreffen! Wie kam es dazu?
Norman: Das hat sich einfach so ergeben! Die Leute denken halt immer, es wäre total unkonventionell, weil sie meinen, eine Punkband müsste aus dieser typischen 4-Mann-Konstruktion bestehen. Für uns ist es aber genau richtig, wie es ist, und wir geben alle Vollgas!
Das macht sich auf der CD bemerkbar! Wenn ich an Schottland denke und eure Songs so höre, dann habe ich immer dieses Bild von Schottland mit vielen Hügeln, jeder Menge Natur, Folksongs singender Working Class-Bevölkerung mit Kilts in verrauchten Kneipen im Kopf!
Dave: Genauso sieht’s hier aus, haha! Für die einen ist Schottland ein schöner Platz, für andere wiederum ein hässlicher. Aber ich denke, dass die Schotten eine sehr starke Identität haben, diese Identität wird aber immer mehr durch die ganze Scheiße, mit der man im Fernsehen vollgestopft wird, zerstört.
Das wäre auch meine nächste Frage gewesen: Wenn ich nämlich Orte wie Glasgow sehe, muss ich feststellen, dass die Leute dort aufgrund der Medien und der Amerikanisierung ihre traditionelle Linie verloren haben!
Dave: Ich sage mal, dass all die jüngeren Leute unter 25 sich größtenteils wirklich diesem Amerikanismus unterworfen haben, trotzdem haben sie aber gewisse schottische Gewohnheiten wie die ‘Friday Night Buckfast Session’ beibehalten.
Norman: Ich denke, dass unsere Traditionen denen der Amerikaner einfach überlegen sind. Traditionen an sich sind nur eine Ausrede für bestimmte blöde Rituale, die einmal jährlich in unserer Gesellschaft ausgelebt werden.
Ihr habt ja auch einen Song namens „Buckfasted“, wofür steht dieser Ausdruck?
Dave: Buckfast ist ein Wein, der von den Heiligen Mönchen von Buckfast Abbey hergestellt wird bzw. oder wurde! Ziemlich gutes Zeug, stell dir vor, du mischst Hustensaft mit billigem, selbstgemachtem Wein und du weißt, wie Buckfast schmeckt!
Norman: Wenn’s gut genug für Gott ist, ist’s gut genug für mich!
Wie kommt es eigentlich, dass ihr eure aktuelle CD „Disgruntled“ in vier verschiedenen Studios aufgenommen habt?
Dave: Wir haben die CD über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren aufgenommen, und größtenteils selbst finanziert. Dann haben wir plötzlich einen Band-Wettbewerb gewonnen, der uns 1.000 Pfund einbrachte, so dass wir uns ein besseres Studio leisten konnten.
Was denkt ihr über Bands wie die DROPKICK MURPHYS oder die REAL MCKENZIES, die ja aus den USA bzw. Kanada stammen und irische bzw. schottische Folkmusik mit Punkrock verbinden?
Norman: Ja, das ist schon lustig und auch ein wenig ironisch, diese Liebe zu Irland und Schottland heutzutage. Komischerweise konnten wir daraus keinen Profit schlagen. Und glaub mir, hier in Schottland gibt es eine Menge Bands, die versuchen mit amerikanischem Akzent zu singen! Have some of your own medicine ya yank cunts!
Hehe… Wie steht es mit der grundsätzlichen Aktivität der Band?
Dave: Es war schon immer ziemlich hart für uns, etwas auf die Beine zu stellen, da einige Band-Mitglieder Kinder und Familie haben! Eine längere Planung ist da unmöglich, weswegen wir alles immer erst einen Monat im Voraus planen. Meist spielen wir halt in Schottland, und in letzter Zeit zieht es uns auch immer häufiger nach England. Im Sommer sind wir dann für vier Gigs in Deutschland!
Erzähl mal etwas über euer Label Flotsam & Jetsam.
Dave: Auf diesem Label veröffentlichen wir halt einen Großteil unserer Platten, eigentlich fast alles. Das Label wird von Gordon von den AMPHETAMEANIES betrieben, die ja auch bald nach Deutschland kommen, wenn ich das an dieser Stelle mal anmerken darf.
Mal etwas ganz anderes: Meinst du, man kann für eine große Firma arbeiten und trotzdem seine Ideale behalten und sozusagen „Punk“ bleiben?
Dave: Klar, ich meine ‘Punk’ bedeutet für jeden etwas anderes, und solange man sich selber treu bleibt und an das glaubt, wofür man steht, bleibt man doch derselbe, unabhängig vom Gehalt oder irgendeiner Position. Punk bedeutet für mich, wie man mit Menschen umgeht! Verstehst du, ich meine jeder, mit dem ich rede, verdient denselben Respekt. Dein Boss, Teilzeitarbeiter, Verkäufer... alle sollte man gleich behandeln. Benimmst du dich mir gegenüber aber wie ein Arschloch, kannst du mich mal am Arsch lecken!
Zurück zur CD. Wie kam es zu diesem grandiosen Anti-Straight Edge-Song?
Dave: Ich denke nicht, dass es ein totaler Anti-Straight Edge-Song ist, sondern eher die Falle aufzeigt, in die viele tappen, wenn sie die Szene oberflächlich betrachten. Viele Freunde von uns sind straight edge und der Song richtet sich ganz bestimmt nicht gegen sie, sondern eher gegen die Leute in Amerika, die früher bzw. auch heute noch ein X in die Leute ritzen, die sie rauchen oder trinken sehen. Das empfinde ich als ein wenig geisteskrank! Aber was soll’s, wir lachen mit ihnen... haha!
Wie kam es, dass ihr mit dem ANGELIC UPSTARTS-Cover „Soliditary“ auf dem „Greetings From The Welfare State“-Sampler wart?
Dave: Unser Freund Simon aus Wales kam damals auf uns zu und sagte, er bräuchte noch Bands für den Sampler. Eigentlich sollte der Song auf einem deutschen Sampler vertreten sein. Dem Typ gefiel der Song allerdings gar nicht, so dass er ihn wieder von der Liste strich. Also gaben wir den Song an die Leute von BYO. Und wir waren echt total überrascht zu hören, wir wären mit auf dem Sampler, das war ein ziemlich großer Deal für uns!
Muss ja ziemlich dumm von dem Kerl gewesen sein, euch nicht auf dem Sampler haben zu wollen. Nenn mich ruhig arrogant, aber ich glaube, ich bin der Einzige, der euch schon vor dem Sampler auf BYO kannte!
Dave: Das ist schon möglich. Wir sind in britischen Kreisen ziemlich bekannt, darüber hinaus ist aber so gut wie gar nichts los! Dass der Typ uns nicht auf dem Sampler haben wollte, ist aber verständlich, der Song war eine Schande. Du hättest dich schlapp gelacht, wenn du ihn gehört hättest, bevor wir ihn verbessert haben!
Macht ja nichts, ist ja doch alles gut geworden. Wie sieht eine typische Show für euch aus?
Dave: Das fängt meistens damit an, dass wir uns alle für ein paar Stunden annerven und versuchen unser Zeug für die Show zusammen zu suchen, und dann mindestens eine halbe Stunde zu spät losfahren. Doch man nervt sich noch mehr beim Versuch den Ort zu finden, an dem man spielen soll, und bei dem Versuch, hinterher das ganze Zeug aus dem Van zu packen. Zu dem Zeitpunkt, wenn wir spielen, sind wir dann schon alle ziemlich besoffen, oder besser gesagt sehr fröhlich. Es ist jedenfalls immer eine fantastische Zeit auf der Bühne, und es läuft auch immer ganz gut, solange wir halt voll sind! Nein, mal im Ernst, wir streiten uns immer, wenn wir gestresst sind, und dann fangen wir halt auch an zu trinken. Naja, ich muss jetzt wirklich los, wir haben gleich noch Probe und morgen eine Show!
Gut, dann wünsche ich mal viel Glück! Es war mir ein Vergnügen!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #47 Juni/Juli/August 2002 und Paul Tackenberg
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #46 März/April/Mai 2002 und Ox