NEW SENSATIONS

Foto

Sachliche

Aus Karlsruhe/Heidelberg kommen immer wieder extrem gute Bands wie MUCUS 2, BRIEGEL oder eben THE NEW SENSATIONS. Gegründet von jenen drei Leuten, die vor Jahren BRIEGEL aus der Taufe hoben, haben THE NEW SENSATIONS mit der Hinzunahme von Sängerin Miss Tress einen messerscharfen eigenen Sound kreiert, der aber auch rein gar nichts mit THE WHITE STRIPES zu tun hat, wie Ox-Kollege Gereon Helmer in seiner Review in Ausgabe 62 zu hören glaubte. Eben jenes Demo brachte mich dazu, einen Abstecher nach Karlsruhe zu machen und die Bande mal vor's Mikro zu zerren ...


Zunächst: Wie kommt man auf so einen selten genial-dämlichen Bandnamen?


Don Hammer: Was heißt hier dämlich? Die Idee ist nur genial und stammt von Henrik!

Jermaine German: Bei dem Namen ging es mir mehr um den Sound des Namens, als um den Namen selbst. Ich habe zu der Zeit, als der Name noch nicht feststand, sehr viele 60s Soul-Sampler gehört und da sind ja alle Bands irgendwie nach dem "The besser, toller, schöner"-Schema benannt. Deren Bandnamen klingen einfach alle sehr eingängig und rund. Mir hat dieses Schema einfach sehr gut gefallen und letztendlich hat es dann bei uns bei THE NEW SENSATIONS geendet. Da ist mehr Augenzwinkern dabei, als bloße Selbstüberschätzung oder Angeberei. Es sollte einfach funky klingen, mehr ist da nicht dabei. Wir finden uns aber trotzdem manchmal selbst ziemlich sensationell, haha.

Ihr drei, also Ben, Henrik und Chris, habt damals ja BRIEGEL gegründet, die in Garage-Kreisen auch sehr bekannt sind. Warum macht ihr als Gründungstrio jetzt wieder eine komplett neue Band?

DH: Der Hintergrund ist, dass Henrik aus beruflichen Gründen bei BRIEGEL aufhören musste. Als er dann vor etwa drei Jahren aus dem hessischen Exil zurück nach Karlsruhe gekommen ist, war klar, dass Ben und ich auf jeden Fall wieder eine Band mit ihm machen wollten - never change a winning team. Bei BRIEGEL waren und ist die Besetzung komplett, das heißt, ein Einsteigen bei BRIEGEL wäre ohnehin nicht gegangen. Bei mir persönlich war es auch so, dass ich ohnehin noch unbedingt etwas machen wollte, was musikalisch in eine andere Richtung geht. Es sollte halt dreckiger und funkiger sein als BRIEGEL und musikalisch einen breiteren Horizont abdecken.

Benzo Casino: Für mich war ebenfalls wichtig, mit Leuten zu spielen, die einen ähnlichen musikalischen Background haben und die gleichen Ziele verfolgen - Qualitätssound zu machen, der sich nicht nach irgendwelchen Szenenormen richtet, sondern sich ausschließlich an den Kriterien "gut" und "schlecht" orientiert. Hinzu kommt, dass du als Instrumentaltrio einfach flexibler bist, mehr Raum zum Improvisieren hast. Dass wir darauf abfahren, merkst du, wenn du uns mal live gesehen hast.

JG: Eigentlich war ich sogar fast sechs Jahre im Exil, denn ich bin schon früh nach der BRIEGEL-Gründung aus beruflichen Gründen ausgestiegen und dann zwei Jahre später komplett nach Hessen verschwunden. Nachdem ich wieder zurückgekommen bin, war eigentlich klar, dass wir drei wieder etwas zusammen machen, weil wir uns einfach sehr gut verstehen und auch dasselbe musikalisch machen wollten. Das mit dem "winning team", wie es Don nennt, passt da schon sehr gut. Und dass wir Miss Tress als Sängerin gefunden haben, war dann auch noch der absolute Glücksfall.

Wie bist du, Miss Tress, denn dazu gestoßen?

Miss Tress: Es war so, dass weder Jermaine noch Don singen wollten - jemand anderes wollten sie aber nicht dabei haben. Irgendwann hab ich halt zu Jermaine gesagt, besser singe ich als keiner. Ich hab ja noch nie vorher in einer Band gesungen - wir haben dann mal geprobt und es hat halt gepasst.

DH: Na ja, wir waren schon ziemlich wählerisch, was die Bandzusammenstellung angeht. Aber keiner von uns wollte singen und so lief es dann wegen unserer Sturheit eben auf Miss Tress hinaus - und war einfach die beste Wahl. Wobei wir aber auch Miss Tress von Anfang an gesagt hatten, dass sie sofort wieder rausfliegt, wenn es nicht geil ist.

Die Punkszene ist ja schon recht männerdominiert. Deshalb die ketzerische Frage: Warum Sängerin? Verkaufen sich Titten besser?

MT: Meine Titten sind zwar supergeil, aber gerade in der Szene sollte man erwarten können, dass die Leute eben doch über den hohen Tellerrand der Klischees hinaus schauen können.

BC: Erstaunlicherweise kommen wir gerade bei den Frauen gut an.

JG: Frauen gab es doch schon immer in Punkbands, zum Beispiel bei X-RAY SPEX oder THE AVENGERS. Ich finde das ganz normal und letzten Endes ist es auch wirklich scheißegal, wer wo was spielt. Anscheinend erregt das ja immer noch Aufmerksamkeit. Ich finde es immer ziemlich Panne, wenn ich irgendwo Flyer mit Sprüchen wie "Super Punkrock mit Frauengesang" oder Plattensampler sehe, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass da nur Bands drauf sind, in denen Frauen spielen/singen, so als ob es das neueste Weltwunder wäre. Um es mal ganz zu überspitzt zu sagen: Wenn die BAD BRAINS spielen würden, würde doch auch keiner auf den Flyer "Hardcore von Negern" draufschreiben, oder?

Warum spielt ihr ohne Bass? Kennt ihr keinen gescheiten Basser, oder was?

JG: Hat sich so ergeben - ich hätte ja auch den Bass übernehmen können, weil ich den auch einigermaßen beherrsche, aber wir wollten eben das "Zwei Gitarren, kein Bass"-Ding machen. Ich denke, die Kritik am mangelnden Bass beruht eher darauf, dass die Leute es irgendwie nicht gewohnt sind, eine Band ohne Bass zu sehen, als der Sache einfach zuzuhören, um festzustellen, dass es trotzdem knallt. Dieses Gitarre/Bass/Drums/Gesang-Muster ist eben seit zig Jahren eingebrannt, und wenn es dann mal nicht so aussieht, wie es eben aussehen soll, werden die Leute stutzig. Und dann noch eine Sängerin - das sprengt den Rahmen für einige dann wohl leider endgültig.

DH: Das hat sich meiner Meinung nicht nur so ergeben, wie es Jermaine ausdrückt. Keinen Bass zu haben, war volle Absicht und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Das Prinzip ist ja auch nicht wirklich neu. Schau dir mal HOUND DOG TAYLOR an, wie geil die ohne Bass mit zwei Gitarren und Drums waren, oder auch OBLIVIANS oder die frühen BLUES EXPLOSION. Und IMMORTAL LEE COUNTY KILLERS und BASSHOLES kommen sogar nur mit einer Gitarre aus. Zwei Gitarren und Bass hören sich halt auch schnell überladen an. Und auf der Gitarre kann man sowohl Einzeltöne als auch Akkorde spielen.

BC: Eben! So gesehen ist der Bass auch ein sehr limitiertes Instrument. Bevor mir ein Bass in die Band kommt, sattle ich lieber selbst auf Panflöte um!

Henrik, wie kommt man eigentlich von derbem Hardcore-Geprügel Anfang/Mitte der 90er wie LUZIFERS MOB zum Garage-Trash?

JG: Tja, da hat mich die sagenumwobene "Weiterentwicklung" erwischt. Die Mob-Zeit war einmalig, aber nach dem Ende musste es eben auch weitergehen. Es machte keinen Sinn für mich, in der nächsten Grind-Band zu spielen, weil ich schon beim Mob alles in der Richtung für mich ausgereizt hatte und sich musikalisch wahrscheinlich vieles wiederholt hätte. Das wollte ich nicht. Außerdem ist es auch ziemlich genial festzustellen, dass die SONICS irgendwie genauso brettern wie zum Beispiel CROSSED OUT, bloß eben anders, haha. Das Genre ist fast völlig egal. Wichtiger ist für mich, ob mir das Ganze Spaß macht, ob es mich herausfordert, und dass einfach etwas "Gutes" dabei herauskommt. Die Herangehensweise hat sich auch sehr wenig verändert: Ich benutze ja zum Beispiel immer noch denselben Gitarrenverzerrer wie beim Mob, bloß dass der heute nicht mehr dauernd läuft, sondern nur bei vereinzelten Liedern - da dann aber auch wesentlich brutaler und noch rasierermäßiger.

Musikalische Vorlieben und Schubladen gehören ja eng zusammen. In welche Ecke wollt ihr geschoben werden?

BC: In welche Ecke man uns schieben will, ist mir eigentlich egal. Ich denke ohnehin, dass unsere Einflüsse zu vielfältig sind, um alles auf einen knappen Begriff reduzieren zu können - auch wenn das jede Schülerband heutzutage wahrscheinlich auch von sich behauptet. Wichtig ist doch nur, dass wir die Punk-Attitude ausleben, indem wir machen, worauf wir Bock haben. "Guten" oder "schlechten" Sound - und nur darum geht es - kannst du ohnehin nicht an bestimmten Schubladen festmachen.

DH: Ja, aber um die Schublade kommt man nicht rum. Und deshalb ist mir wichtig, mich von dem Begriff "Garage" zu distanzieren. Garage schreibt sich heutzutage jede Scheißband auf die Fahnen. Wir machen kein Garage, sondern Trash-Rock. Blues-Punk würden wir aber auch noch durchgehen lassen, hehe.

Wenn man, so wie ihr, über Jahre hinweg in Bands spielt, verändert sich da die Perspektive auf das Musikmachen, und zwar sowohl mit Blick auf euch selbst, als auch auf die Szene?

DH: Klar, verändert sich so manches im Laufe der Zeit. Mit Blick auf die Band: Man wird am Instrument halt zwangsläufig besser.

JG: Du meinst wahrscheinlich im "Riffklauen".

DH: Außerdem hat man keine Illusionen mehr in Bezug darauf, was die Band bringen soll. Es ist ein Hobby, schon alleine aus zeitlichen Gründen. Um von Musik zu leben, muss man schon sehr groß sein.

BC: Da schließe ich mich Don an. Es ist halt ein nettes Hobby, das man am Wochenende auslebt, das aber nicht mehr das gesamte Leben bestimmt. Umso mehr, denke ich, genieße ich es, dann und wann eine Show zu spielen. So gesehen ist das Musikmachen tatsächlich eher "Urlaub" als Ausdruck einer Lebenshaltung.

JG: Allerdings ein ziemlich geiler Urlaub, meiner Meinung nach. Was meinst du eigentlich mit "Szene"? Ich bin meine eigene Szene.

BC: Hahaha! Aber im Ernst: Für mich hat sich da schon einiges geändert, zumindest was die so genannte Szene angeht. Auch wenn das jetzt pseudo-nostalgisch in CSU-Manier rüberkommt, nach dem Motto: "Früher war alles besser". Eine Szene im klassischen Sinn sehe ich überhaupt nicht mehr. Das liegt wahrscheinlich zum einen daran, dass wir für den ganzen Scheiß mittlerweile etwas zu alt und einfach raus sind. Zum anderen glaube ich auch, dass der ganze Punk- und Garagen-Kram mittlerweile zum reinen Lifestyle verkommen ist. So was wie eine Wertegemeinschaft kann ich zumindest nicht erkennen.

Euer Demo ist sehr geil. Werden die Lieder demnächst mal auf Platte rauskommen?

MT: Wir hatten insgesamt dreizehn Lieder aufgenommen, wobei drei davon auf unserer Homepage zum Download bereit stehen. Die Lieder können im Prinzip sofort auf Platte rauskommen.

DH: Ja, wobei wir bereits die nächsten Lieder aufgenommen haben. Und wir werden wahrscheinlich von einigen der alten Lieder neue Takes machen, da sich Benzo in der Zwischenzeit Harddisk-Equipment gekauft hat und der Sound einfach besser ist.

BC: Die alten Lieder haben wir auf einem alten, analogen Acht-Spur-Gerät aufgenommen, was zwar im Prinzip sehr geil, aber halt leider auch etwas betagt und schrottig war.

JG: Wir haben also insgesamt sechzehn Lieder am Start, die wir im Prinzip sofort veröffentlichen können.

Darauf freue ich mich schon. Danke fürs Interview.