NEW CHRISTS

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Younger than the Birdmen

Rob Younger, geboren 1950, ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der australischen Rockmusik. Allein die 1974 gegründete Band RADIO BIRDMAN ist eine Einflussquelle für unzählige Bands, vor allem aus Skandinavien, ihre Musik eine einzigartige Mischung: Detroit Rock, schnell, druckvoll und melodisch, verbunden mit der souligen, tiefen, charismatischen Stimme Robs. Nachdem sie sich 1978 aufgelöst hatten, spielte er noch eine Weile mit THE NEW RACE - zusammen mit den Birdman-Gitarristen Deniz Tek und Mitgliedern von STOOGES und MC5. Derzeit ist er noch aktiv als Komponist, Texter und Sänger von THE NEW CHRISTS, sie kommen im Juni auf Tour zu uns. Seit den 80ern ist er auch als Produzent für die Crème de la Crème des australischen Rock'n'Roll/Punkrocks, wie zum Beispiel EASTERN DARK, THE STEMS, LIME SPIDERS, HARD-ONS und, nicht zu vergessen, die großartigen CITY KIDS aus Frankreich. Ein Mann mit bewegter Vergangenheit. Daher war es mir auch eine besondere Freude, mit dieser "Legende" ein eMail-Interview zu führen.


THE NEW CHRISTS 2006: Europatour im Juni. Was können wir noch erwarten? Neue Besetzung? Neue Songs? Neue Platte?


Ja, es gibt eine neue Besetzung, wie immer bei dieser Band. Dabei sind allerdings auch zwei Leute aus alten Besetzungen. Wir werden eine bunte Mischung spielen, es gibt ja schließlich eine große Auswahl, aber keine neuen Sachen. Ich hab zwar einige neue Songs, glaube aber nicht, dass sie es ins Set schaffen. Es gibt auch kein neues Album, doch das kommt sicher eines Tages. Das letzte Album "We Got This!" bekam fantastische Kritiken. Aber vielleicht hat mir das Label auch nur die guten geschickt, denn es verkaufte sich nicht. Nichts als ein weiterer Flop.

Viele Rock'n'Roll-Helden sind tot: Johnny, Joey und Dee Dee Ramone, Joe Strummer, Johnny Thunders. Rock'n'Roll fordert seinen Preis. "Live fast, die young!" - wie steht es mit dir? Du bist noch am Leben und am Rocken. Was macht den Unterschied, was hält dich am Leben und wie steht es mit deiner Gesundheit?

Das waren alles sehr berühmte und kreative Leute. Ich denke nicht, dass ich mich da einreihen kann. Aber ich kann jederzeit tot umfallen. Das kann jedem passieren. Sie starben alle aus einer Vielzahl von Gründen: Drogenüberdosis, seltene Krankheiten, durch Missbrauch und Vernachlässigung zerschundene Körper. Es klingt zu sehr nach Romantisierung, wenn man sagt: "Live fast, die young!" Ich glaube nicht, dass Johnny Thunders zu schnell gelebt hat. Das kann letztlich jedem passieren, aber man nimmt es eher zur Kenntnis, wenn es einer Berühmtheit passiert. Diese Todesfälle zeigen uns, dass auch unsere Zeit kommen wird. Natürlich ist es nicht schwer, sich mit Heroin umzubringen. Also meide ich das Zeug. Ich versuche, nicht in Fahrzeuge einzusteigen, die ein Betrunkener fährt. Meine Gesundheit? Ich denke, ich bin okay. Ich denke nur "echte" Gedanken und trinke keine Vollmilch. Ich mochte Joey sehr gern. Sein Tod traf mich am meisten.

In einigen älteren Interviews hab ich gelesen, dass du sehr verärgert bist über die mangelnde Resonanz in Bezug auf THE NEW CHRISTS, vor allem in Australien. Hat sich daran etwas geändert oder ist es noch immer so?

Nein, gar nichts. Es ist immer noch scheiße. Ich war aber nie verärgert über den Mangel an Resonanz. Ich habe oft gesagt, dass THE NEW CHRISTS ein einziger Misserfolg sind, das heißt aber nicht, dass ich darüber verärgert bin. Ich nenne nur die Fakten. Ich war verärgert darüber, dass die letzte Besetzung nicht zusammenhielt. Ja, ich habe auch schon bemerkt, dass viele der alten Rocker sehr verbittert und verärgert sind, weil sie denken, dass die Jüngeren nun für das abkassieren, was sie begonnen haben. Aber eigentlich haben sie gar nichts begonnen. Sie stammen alle von Chuck Berry ab, oder wer auch immer damit angefangen hat. Alle, die sich beschweren, sind unbedeutende Wichser. Mir wurde schon mehr Beachtung geschenkt, als ich zu träumen wagte. Ich bin nie mit etwas angekommen, was wirklich ein Original wäre. Ich bin immer ein Fan gewesen. Von daher gibt es für mich keinen Grund, verbittert zu sein. Ich hab die Möglichkeit, durch die Welt zu reisen, Konzerte zu spielen. Dafür hätte ich sonst nie das Geld.

Wenn wir uns mal die NEW CHRISTS-Geschichte anschauen, waren da viele Besetzungswechsel. Du bist geblieben. Wegen deines Charakters, bist du eher dominant?

Diktatoren sind meistens wie ein Geschwür am Arsch, aber Demokratie innerhalb einer Band kann Dinge auch "verwässern". Ich bin das, was man den "gemeinsamen Nenner" nennt. In Wirklichkeit hätten sich die NEW CHRISTS nach jeder Auflösung anders nennen können. Dann hätte ich zehn verschiedene Bandnamen in meinem Lebenslauf. Das würde aber beschissen aussehen, also hab ich den Bandnamen beibehalten. So sieht es dann eher aus, als ob ich eine bestimmte Vision hätte, vielleicht sogar eine intelligente.

In einigen Interviews erwähntest du, dass du SPINAL TAP magst. Ich vermute, du könntest auf Grund deiner langen Karriere eine eigene Version von "This Is Spinal Tap" drehen, oder? Was ist das interessanteste "Spinal Tap"-Ding, das du bisher erlebt hast?

SPINAL TAP hatten mehr Glück als wir. Ihre Trommler verbrannten augenblicklich. Unsere nervten uns immer jahrelang. Da war mal so ein "Spinal Tap"-Ding 1997: Wenn dein Trommler am Morgen nach der London-Show unter der heißen Dusche liegt, komplett angezogen, Jeans, Boots, Lederjacke, immer wieder "Ich bin blind!", "Ich bin blind!" rufend. Unser Manager bekam einen Anruf, während wir warme Klamotten einkauften. "Was sollen wir tun?", fragten sie. John sagte: "Verschwende kein heißes Wasser für diesen Arsch!" Der Typ stellte das heiße Wasser ab und ließ kaltes laufen.

Wie sieht es derzeit bei dir persönlich aus? Immer noch miese Jobs oder hat sich deine musikalische Karriere verbessert?

Nein, es ist sogar noch schlimmer geworden. Ich habe keinen Job mehr und meine musikalische Karriere stagniert. So sieht es gewöhnlich aus und plötzlich verändert sich alles, komische Dinge passieren. Na ja, und jetzt mit einer Welttournee für RADIO BIRDMAN und hauptsächlich Spanien für THE NEW CHRISTS fangen die Dinge doch an zu rocken. Aber zwischen diesen Tourneen könnte ich auf jeden Fall noch einen Job gebrauchen.

Du hast ja schon einige Bands produziert. Bist du noch aktiv?

Ich produziere schon ein wenig, von Zeit zu Zeit. Ich wäre froh, wenn es etwas mehr wäre. Die letzte Band, mit der ich zusammengearbeitet habe, war HALFWAY aus Queensland, auch sehr gut. Nicht wie unser Zeug, mehr Country, aber trotzdem hip. Vorher hab ich mit STARKY, einer coolen Popband, zusammengearbeitet. Ich bin offen für Angebote.

Es gibt häufig diesen Streit, wie man eine Platte aufnehmen soll. Einige sagen, "step by step" andere meinen, es ist nötig, live aufzunehmen. Was bevorzugst du?

Ich bevorzuge eine Kombination aus einem Live-Rhythmus-Fundament mit Gitarren, Keyboard, Gesang und was auch immer für Overdubs. Aber wenn bestimmte Aufnahmen gut klingen, behalte ich die natürlich. Es muss nicht zwingend live aufgenommen werden. Es gibt unzählige großartige Platten, die mit dem oben erwähnten Verfahren aufgenommen wurden. Trotzdem ist es nicht grundsätzlich falsch, live aufzunehmen, aber heutzutage ist das rar gesät.

Du hast mal gesagt, Musiker sollten keine Interviews geben. Du gibst sie auch. Warum? Nur wegen der Promotion oder gibt es andere Gründe?

Die meisten Musiker geben wirklich beschissene Interviews. Wahrscheinlich mache ich es genauso. Es gibt keinen Grund, warum Musiker, selbst jemand, der gute Texte schreibt, so interessant sein sollte, Fragen über sich selbst zu beantworten. Viele dieser Musiker und Sänger können sich in normalen Worten nicht ausdrücken. Oft sind es schüchterne Typen, die diesen ganzen Lärm drum herum brauchen, um ihr Herz auszuschütten. Es ist ein Klischee, aber es steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Natürlich ist es wichtig für die Publicity. An einem Tag interessiert sich niemand für sie und am anderen stehen sie im Mittelpunkt. Viele Musiker fühlen sich gebauchpinselt. Ich würde sagen, dass Nick Cave mit die besten Interviews gibt. Ich habe auch gern welche von Lou Reed gelesen, obwohl er inzwischen rüberkommt wie ein bösartiger Scheißhaufen.

Lass uns über RADIO BIRDMAN sprechen. Gegründet 1974, habt ihr nun nach all der Zeit neue Songs und ein neues Album aufgenommen. Was ist das für ein Gefühl? Kommt es wieder auf Citadel?

Wir mussten neues Material schreiben, wenn es weitergehen soll. 1996 haben wir bei einer ganzen Reihe von Festivals gespielt. Ich bekam Autogramme auf meine ELASTICA-Singles, da die auch auf dem Festival spielten. Nachdem die Tour musikalisch und zwischenmenschlich gut gelaufen war, beschlossen wir, uns zusammenraufen und zu sehen, was geht. Aber wir konnten nicht immer und ewig die gleichen Sachen spielen und erwarten, dass die Leute fortwährend kommen. Und ohne neue Songs, keine neue Platte. Nachdem wir dann erstmal so weitergemacht haben, Europatourneen 2003/04, etwas Touren hier, etwas Touren da, brachten wir immer wieder neue Songs mit ins Set. So haben wir dann Mitte Juni unser neues Album raus. Ich kann nicht sagen, ob es gut ist oder nicht. Es dauert immer einige Monate, bis es sich herausstellt, wie die Resonanz darauf ist. Es ist vielseitig, genau wie unser letztes, "Living Eyes". Im Grunde wird es dasselbe sein, bis auf die Rhythm-Section, denn die neue hat mehr Wumms. Es gibt einige Rocker, einige skurrile Songs. Wir haben nicht alle Songs live gespielt. Vielleicht etwas weniger Soli, dafür treffe ich mehr Töne. Klingt schrecklich, oder? Ich hätte gern das Citadel-Logo drauf, aber ich denke nicht, dass es so kommen wird. Weiß auch nicht, warum. Citadel ist ein angesehenes Label mit einem guten Ruf und einem schönen Logo.

Viele beschreiben RADIO BIRDMAN als Rock'n'Roll-Band, aber auch viele Punkrocker stehen auf RADIO BIRDMAN. Was ist deiner Meinung nach der Unterschied zwischen Punkrock und Rock'n'Roll?

Da ist gar kein so großer Unterschied, nicht in Bezug auf Musikstile. Unsere Musik fußt auf beiden Stilen. Aber was genau den Unterschied ausmacht, kann ich auch nicht sagen. Aber ist das wichtig? Punk wurde immer als etwas tougher, anstößiger als Rock'n'Roll angesehen. Das kommt wahrscheinlich daher, dass es als eine Art von Musik angesehen wurde, die von missmutigen Iro-Punkern in Nietenjacken und mit auf den Schwanz tätowierten Hakenkreuzen gespielt wurde. Aber das ist es nicht. Punk war sehr vielfältig. Da war ein Riesenunterschied zwischen X-RAY SPEX, mein persönlicher Favorit, und, sagen wir mal, BUZZCOCKS und WIRE. Ebenso hatte Rock'n'Roll den Hornbrillenträger mit Schluckaufgesang Buddy Holly, aber auch die Stones, die darüber sangen, zwei 14-Jährige gleichzeitig zu pimpern. Und wer war mehr Punk, Gene Vincent oder die SLITS?

Eure erste Europatournee war ja 1978 mit den FLAMING GROOVIES. Danach habt ihr euch aufgelöst. Was ist passiert? Habt ihr etwas von dem wachsenden Punk-Ding mitgekriegt? Und wie seid ihr mit den FLAMING GROOVIES klar gekommen?

Wir haben uns aufgelöst, weil wir es nicht ertragen haben, im selben Bus durch England rauf und runter zu fahren. Wir waren noch nie so lange weg von zu Hause. Immer nur gelegentliche Wochenendtrips nach Melbourne oder Adelaide. Eingepfercht in eine Londoner Wohnung und in diesen scheußlichen Bus, der Bus des Bösen, mit all dem zwischenmenschlichen Bullshit, den man sich an den Kopf werfen kann. Bei den Aufnahmen zu "Living Eye" war es nicht mehr tragbar und führte zwangsläufig zur Katastrophe. Die Punk-Bewegung hat uns kaum berührt, soweit ich mich erinnern kann. Wir waren eine Band, die hart und schnell vor einem feindseligem Publikum spielen konnte. Zu den FLAMING GROOVIES hatten wir nur wenig Kontakt, aber sie waren freundlich. Komischerweise war der Ort, an dem sie ein großes Problem mit dem Publikum hatten, Liverpool. Die Leute nervten sie, für den Versuch, so zu sein wie die BEATLES. Aber ich mochte sie. Großartige Klamotten hatten sie auch.

Wie steht's mit Deniz Tek, dem RADIO BIRDMAN-Gitarristen? Immer noch "alive and kickin'"?

Er war "alive and kickin'", als ich ihn das letzte Mal sah, vor etwa zwei Wochen. Er lebt in den USA und arbeitet dort als Mediziner und kommt dann noch manchmal nach Australien für eine Tournee. Er hält sich fit und wird uns wohl alle begraben.

Es gibt immer noch eine Menge Oz-Rock-Fans. Gibt es Bands, die du besonders empfehlen kannst?

Ich mag die GIANTS OF SCIENCE oder THE FLARES, die sind alle um die 13 Jahre alt. YOU AM I sind immer noch cool und bringen demnächst eine neue Platte raus, die rockt. Ihr Drummer Rusty trommelt auch für uns. Charmanter Junge. Wen haben wir noch? AUGIE MERCH sind sehr gut. THE SPECIMAN, ROCKET SCIENCE, THE SPAZZYS. Und THE COSMIC PSYCHOS sind zurück. Da ist immer was. Du sagst, es gibt immer noch Oz-Rock Fans. Es scheint eher, dass Australien nicht mehr der "flavour of the month" in Europa ist, wie wir zu sagen pflegen. Das war hauptsächlich in den 80ern so und ist seitdem stark zurückgegangen. Bands, wie die großartigen DIED PRETTY, genau wie viele kleine Indie-Bands, die hier fast unsichtbar blieben, knallten in Europa. THE NEW CHRISTS waren seinerzeit auch angesagt. Mal sehen, was jetzt kommt.

Jan "Pizza" Haracic