Schenken wir uns umständliche Einleitungen, denn die NECKBONES können bestens für sich selber sprechen. Nur so viel, hier geht´s um Rock´n´Roll reinster Prägung bzw. um eine weitere Perle im wunderbaren Kosmos des Fat Possum-Labels, auch wenn man eine Band wie die NECKBONES vielleicht eher auf Estrus oder Sympathy For The Record Industry vermuten würde. Ihre beiden Fat Possum-Releases "Souls On Fire" und "The Lights Are Getting Dim" sind nichtsdestotrotz absolut grossartig, aber auch live als Vorband von T-Model Ford im Münchner Club 2 hinterliessen die NECKBONES einen mehr als positiven Eindruck. Beim anschliessenden Plausch waren Tyler Keith (Guitar, Piano, Vocals), David Boyer (Guitar, Bass, Vocals) und Forrest Hewes (Drums, Vocals) zugegen. Robbie Alexander, das vierte Urmitglied der NECKBONES, hatte vor Anbruch der Tour unwiderruflich das Handtuch geworfen, dessen Stelle musste Tourbegleiter und Fat Possum-Mitarbeiter Amos kurzfristig einnehmen.
Ich weiss, sicherlich kein besonders origineller Anfang, aber wer oder was sind die NECKBONES?
Tyler Keith: "Wir stammen aus Oxford, Mississipi und spielen bereits seit ca. 7 Jahren zusammen, also schon eine ganze Weile."
David Boyer: "Das kannst du laut sagen, haha!"
TK: "Die Tour mit T-Model Ford ist die erste für uns in Europa, wir haben zwei Platten bei Fat Possum veröffentlicht und machen einfach Rock´n´Roll, das war´s eigentlich schon. Was willst du sonst noch wissen?"
Klingt, als ob ihr schon Berge von Interviews hinter euch nicht hättet...
Forrest Hewes: "Eigentlich nur ein paar, aber da gab´s halt immer konkrete Fragen."
DB: "Lass dir halt was gutes einfallen."
TK: "Ausserdem erscheinen wir so vielleicht interessanter. Also, wie schon gesagt, das ist unsere erste Europatour, die bereits lange überfällig war. Ach ja, wir haben auch noch eine 10" mit dem Titel "Gentlemen" gemacht. Kennst du die?"
Ja, aber die ist nicht auf Fat Possum erschienen, sondern auf einem kleinen Label, das nicht sonderlich bekannt ist.
DB: "Stimmt, es ist ein relativ kleines Label namens Misprint von einem Typen aus Tennessee. Er hat gerade erst mit dem Label angefangen und macht eigentlich einen ganz anderen Job. In den Staaten bekommt man "Gentlemen" nur schwer in den Läden, weshalb die Leute sie überwiegend bei unseren Konzerten kaufen, oder über die Website des Labels. Wir waren deshalb ganz überrascht, als wir in einem belgischen Heft eine ziemlich gute Besprechung der Platte sahen."
Wie kommt es, dass ihr die Platte nicht auf Fat Possum gemacht habt?
TK: "Wir hatten gerade erst "The Lights Are Getting Dim" auf Fat Possum veröffentlicht und wollten mal etwas auf einem anderen Label machen, wo wir mehr Freiheiten haben, z.B. die Freiheit, Sachen rauszubringen, die wir nicht mehr mit auf die beiden anderen Album nehmen konnten. Ausserdem ist es immer gut, mehr Kram zu haben, den du den Leuten bei Konzerten andrehen kannst. Das ist alles streng kapitalistisch geregelt, damit wir unterwegs immer genug Geld für Bier und Pot haben."
Dann macht ihr also nicht nur Rock´n´Roll, sondern seid auch noch Drogenkonsumenten, das passt ja zufällig wieder ganz hervorragend zusammen.
TK: "Nein, nein, das stimmt nicht, wir sind sogar ziemlich heftige Drogenkonsumenten, haha. Natürlich nur zur Entspannung. Du hast nicht zufällig etwas Gras dabei?"
Nein, da muss ich leider passen. War "Souls On Fire" eigentlich eure erste richtige Platte?
TK: "Nein, wir hatten davor bereits in Eigenregie eine Platte namens "Pay The Rent" aufgenommen. Wir haben davon 1.000 CDs machen lassen, fanden aber niemanden, der sie vertreiben wollte, bis auf ein paar Typen, die uns nie dafür bezahlt haben. Wir sind halt keine guten Geschäftsleute."
Da befindet ihr euch bei Fat Possum ja in bester Gesellschaft.
TK: "Stimmt, wahrscheinlich sind wir genau deshalb dort gelandet."
Dennoch seid ihr neben 20 MILES aber regelrechte Fremdkörper auf Fat Possum. Ihr seid weiss, ihr seid unter 50...
TK: "...und wir können lesen und schreiben, haha. Du hast natürlich schon recht, für eine weisse Rock´n´Roll-Band ist es eigentlich seltsam, auf einem Blues-Label mit schwarzen Musikern zu sein. Wenn Journalisten nach Oxford kommen, um Artikel oder Dokus zu machen, werden wir in der Regel nicht weiter erwähnt. Was eigentlich eine Schande ist, da wir aus derselben Region kommen und dieselben Emotionen in unsere Songs packen - deshalb sind wir ja auf Fat Possum. Wir klingen sicherlich nicht wie eine dieser bescheuerten weissen Blues-Bands, von denen es in den Staaten jede Menge gibt."
Wir würdet ihr das, was ihr musikalisch macht, denn konkret bezeichnen? Es handelt sich ja weder um reinen Blues noch um klassischen Rock´n´Roll.
TK: "Es gibt unser Verständnis von Rock´n´Roll wieder, so wie Rock´n´Roll unserer Meinung nach klingen sollte, mit allen möglichen Freiheiten. Es sollte nicht sauber klingen, sondern richtig emotional, was man bei unseren Aufnahmen auch hören kann. Die Leute empfinden das dann oft aber als schlampig oder trashig. Sicherlich ist es rauh, was aber mit der Art und Weise zu tun hat, wie wir unsere Sachen aufnehmen."
FH: "Es ist halt nicht poliert und mit tausend Effekten aufgemotzt, das könnten wir uns finanziell auch gar nicht leisten. Es ist sehr direkt, etwa wie bei Chuck Berry, es rockt."
TK: "Wenn du dir Platten aus den 50ern oder 60ern anhörst, sind da noch richtige Spielfehler drauf, was völlig egal ist, da es legitimer Teil der Musik war."
Gleichzeitig findet man bei euch aber auch ein überraschendes Gespür für, sagen wir mal, Pop-Songs!
FH: "Exakt, nur dass Pop-Songs heute völlig anders klingen, weshalb jeder unsere Sachen automatisch für Rock-Songs hält."
TK: "Aber du kannst auch in vielen Reviews lesen, dass die Leute darin Pop-Elemente entdecken. Ich für meinen Teil mag Pop-Musik, was ja nur besagt, dass es sich um "populäre Musik" handelt, nur sind heutzutage Gitarren nicht mehr besonders populär. Wir sind mit Musik aus den 50ern und 60ern aufgewachsen, genauso wie mit der Musik der 70er und 80er, darunter Leute wie Elvis Costello, die sich noch als richtige Songwriter verstanden. In dieser Zeit war Popmusik viel cleverer und nachdenklicher. Vielleicht werde ich ja älter, aber was heutzutage im Radio läuft, besitzt nicht mehr dieselbe Anziehungskraft, es ist schwer da noch die Einflüsse von Rock´n´Roll, Rhythm & Blues und Country wiederzufinden, also die Wurzeln aller Musik."
Wie kam eigentlich konkret eure Verbindung zu Fat Possum zustande? Eure diesbezügliche Ausnahmestellung hatten wir eben ja schon angesprochen.
TK: "Wir sind alle aus derselben Stadt. Oxford ist nun mal eine ziemlich kleine Stadt, in der aber sehr viel passiert. Wir haben ziemlich wilde Shows in Oxford gespielt und Matthew Johnson wurde immer wieder auf uns angesprochen, aber tauchte nie selber auf, um sich uns persönlich anzuschauen. Die Platten haben wir überwiegend mit seinem Partner Bruce Watson aufgenommen, und es schien sich vor allem um seine Idee zu handeln, uns auf Fat Possum rauszubringen. Er hat auch so seine Vorlieben, die er dort einbringt."
FH: "Die Kommunikation zwischen uns und dem Label ist eher dürftig und ich habe irgendwie den Eindruck, dass sie nicht so recht wissen, was sie mit uns eigentlich machen sollen. Wir sind halt nur eine weisse Rockband. Sie haben jede Menge anderer Künstler, die sich quasi von selbst vermarkten und sie haben nicht genug Geld, um uns grossartig zu unterstützen. Vor allem bei den Touren wäre das sehr hilfreich. Ganz im Gegensatz zu T-Model Ford und R.L. Burnside, die auf einer Tour in den Staaten ziemlich viel Geld machen können. Für eine Rock´n´Roll-Band ist es in den Staaten hart, viel Geld zu machen. Und wenn du 29 bist, kannst du dir es nicht mehr leisten, nach einer 5wöchigen Tour mit läppischen $140 zurückkommen."
DB: "Genau das haben wir die letzten sechs Jahre gemacht, wir sind quasi ständig chronisch pleite. Und nach einer gewissen Zeit macht das wirklich keinen Spass mehr. Du kommst nach Hause und sie haben dir den Strom abgestellt. Du kannst eine 5wöchige Tour machen und wenn du zurückkommst, musst du doppelte Schichten schieben, um das Geld wiederzubekommen. Und du hast keine Ahnung, wieso das so ist. Wir mussten mal eine komplette Tour abbrechen, weil wir total pleite waren und schliesslich auch noch unser Wagen schlapp machte. Vom Label gab es da keine Unterstützung. Das ist die Misere an unserem Verhältnis, sie können uns nicht geben, was wir brauchen und wir verkaufen nicht genug Platten, um für sie wirklich wichtig zu sein. Generell ist es natürlich schön, dass sie unsere Platten herausbringen, zumal Fat Possum das momentan beste Labelprogramm hat, und die Touren mit T-Model und R.L. machen auch riesigen Spass, vor allem in Europa."
TK: "Es ist cool, jeden Abend irgendwo spielen zu können und auf der Bühne zu stehen. Du kannst deine Emotionen rauslassen und das ganze Gift rausschwitzen."
FH: "Hierzulande scheinen die Leute auch viel interessierter an unseren Sachen zu sein als in den Staaten, sie sind hungriger nach Rock´n´Roll und viel enthusiastischer."
Was ist eigentlich mit eurem ursprünglichen Bassisten passiert?
TK: "Der hat uns vor Beginn der Tour verlassen, da er wegen der Pleiten der letzten Zeit ziemlich desillusioniert war. Er tauchte bei einer Show einfach nicht mehr auf. Wir riefen ihn an und fragten ihn, ob er käme und er sagte: Nein! Wir riefen ihn danach nicht mehr an und er uns auch nicht, was ziemlich seltsam ist, da wir seit 7 Jahren zusammengespielt haben. Ich verstehe, dass er keine Lust mehr hatte, aber das war ein ziemlich unschöner Abgang."
Abschliessend noch eine Sache: was für eine Geschichte verbirgt sich eigentlich hinter diesem ganz wundervollen Song namens "Crack Whore Blues"?
TK: "Das ist eine uralte Geschichte und eigentlich nichts, worauf man stolz sein könnte. Ich gab mal einer Nutte einen Haufen Geld, weil ich und ein Freund von ihr Crack wollten. Sie verschwand in einem Haus, kam aber nicht wieder heraus. Wahrscheinlich verschwand sie durch die Hintertür. Gib also nie einer Crack-Hure Geld, bevor du nicht die Drogen hast oder deinen Spass hattest. Ich verurteile sie auch gar nicht dafür, dass sie mit dem Geld abgehauen ist, ich hätte an ihrer Stelle wahrscheinlich dasselbe getan. Wie gesagt, das ist schon Jahre her und ich habe mit dem Dreck nichts mehr am Hut. Das ist halt der Scheiss, den viele Leute, mich eingeschlossen, anstellen, um high zu werden. Sex, Drugs & Rip-Offs. Mittlerweile ist es ein richtig beliebter Song, denn die Leute wollen scheinbar Sachen hören, die vom Leben auf der Strasse handeln."
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #39 Juni/Juli/August 2000 und Thomas Kerpen