NECK

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The Psycho-Ceilidh Band

Traditionelle irische Musik mit einem gehörigem Schuss (Punk)rock ist momentan schwer angesagt. Seien es die DROPKICK MURPHYS, FLOGGING MOLLY oder die REAL McKENZIES (die eher mit schottischen Wurzeln), schnelle Rhythmen mit Dudelsäcken und mehr oder weniger typischen Streetpunk-Texten sind in. Nun noch eine weitere Kapelle dieser Art? Nicht ganz. NECK gibt es fast schon genau so lange wie einige der oben genannten Vertreter. Die können zwar grob als Vergleich herhalten, aber doch haben NECK ihre Daseinsberechtigung. Hier wird das Ganze mal andersherum praktiziert, denn der Schwerpunkt liegt eher auf dem Traditionellen. Sänger Leeson, der bereits mit Shane McGowan von den POGUES diverse Bühnen der Welt besuchte, steht mit seiner Band und seinem Gesang für sich selbst, das hier ist auf CD gepresstes Herzblut. Gerade haben sie auf dem Berliner Label Bad Dog Records ihr drittes Album veröffentlicht und starten hierzulande auch live durch. Wenn sich euch die Chance bietet, sie mal live zu sehen, tut dies. Könnte passieren, dass euch NECK in einen ähnlichen Rausch versetzen wir ein gutes Pint Guinness oder ein kleines Gläschen Triple-Malt. Sláinte! Ich unterhielt mich mit Sänger/Gitarrist Leeson.

Stell doch mal kurz die Band vor ...


„NECK ist eine sechs-, manchmal siebenköpfige ‚London-Irish‘-Band und wir spielen ‚Psycho-Ceilídh‘. Dieser Begriff ist eine Erfindung von Shane MacGowan und ist ein typisches irisches Wortspiel mit dem Begriff ‚Psychobilly‘. Es bedeutet aber eigentlich nichts anderes als einen Mix aus Punkrock und irischer Musik. Die nordamerikanische Variante davon nennt sich ‚Irish Punk‘ ... NECK wurden vor ein paar Jahren von trinkfesten irischen Punkrockern in diversen Nordlondoner Lokalitäten gegründet. Line-up-Wechsel gab es, weil manche vom Weg abgebracht wurden, sei es durch Alkohol oder Frauen, manche heirateten und Kinder gekriegt haben oder das Land schnell verlassen mussten. Geblieben ist die Kombination aus ‚punk-as-fuck‘-Gitarren, Rhythmusfraktion und dem Chaos aus traditioneller irischer Instrumentierung mit Fiedel, Dudelsäcken, Banjo und Whistle. Was uns seit unseren ersten Gigs im Londoner Irish Pub-Bezirk bis heute auf Touren und Festivals inspiriert hat, ist, dass wir gern für Leute spielen, die Spaß daran haben, herumzuspringen, zu trinken und zu singen, so wie wir es tun. Manchmal singen sie sogar besser als wir ...“

Ihr habt ja schon diverse musikalische Erfahrungen. Du bist zum Beispiel Gründungsmitglied von Shane McGowans POPES gewesen.

„Ja, das stimmt. Ich habe mit Mo, Bernie, Danny und später Colm im Original-Line-up gespielt. Als ich gefragt wurde, ob ich in der Band mitspielen will, gab es den Namen noch gar nicht. Das ergab sich, als wir nach Tipperary gezogen sind, nachdem wir ewig in Shanes Wohnung ‚geprobt‘ haben – gleich um die Ecke vom Arsenal-Stadion in Nordlondon. Der Song ‚Blue skies over Nenagh‘, der sich auf ‚Sod ‘em & Begorrah!’ befindet, ist ein Song darüber, wie es war, mit den POPES in Irland zu sein, und ‚Loud ’n proud ’n bold’ von der ‚Here’s Mud In Yer Eye‘ wurde geschrieben, als wir in Dublin waren, im U2-Hotel, wo wir wie Gott in Frankreich lebten und wie Rockstars behandelt wurden. Seite an Seite mit den Reichen und Berühmten. Als wir bezahlt wurden, betrunken zu sein und faul rumzulungern. Ich war sehr glücklich darüber, dass ich gefragt wurde, in Shanes Band mitzuspielen. Das konnte ich mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen. Shane gab mir und tausend anderen meine Kultur zurück. Es war großartig und hat mich dazu gebracht, wieder irische Musik zu schreiben und auch letztendlich NECK zu gründen. Dafür werde ich Shane ewig dankbar sein.“

Ihr kommt aus London, wobei die irischen Züge in eurer Musik unverkennbar sind. Wo liegen eigentlich eure irischen Wurzeln?

„Wie gesagt, wir sind eine ‚London-Irish‘-Band. Die meisten Leute aus der Band und unsere Gastmusikern sind in erster oder zweiter Generation irisch. Entweder irische Einwanderer bzw. Kinder von Einwanderern. Die Hälfte unserer derzeitigen Besetzung besteht aus irischen Staatsbürgern und haben auch einen irischen Pass. Schau dir mal unsere Namen an – Leeson O’Keeffe, Stephen Gara and Guido McCiste. Marion, Stephen und ich spielen regelmäßig beim Londoner ‚Traditional Irish Music Session Circuit’, einem inzwischen weltweiten Phänomen, welches nicht in Irland, sondern in den Pubs von Nord-London entstand – unter den Einwanderern der irischen Gemeinschaft aus den 40ern und 50ern. Irische Musik liegt mir im Blut. Mein Großvater und meine Großmutter sangen, ich singe und es wurde an mich weitergereicht. Irland ist meine Heimat. Ich kehre oft dorthin zurück, mit der Band oder aber zur Familie, die noch in Dublin, Carlow und Roscommon lebt. Wir sind sehr stolz darauf, was wir sind und wer wir sind, was wir machen, auf unsere Traditionen und unseren Platz in der irischen Musik. Dass wir den Stab von Shane übernommen haben und die irische Musik vorangebracht haben ... Unser Song ‚May the road rise with you (Go N-éiri an bothair leat)’ auf ‚Sod’em and Begorrah!‘ handelt davon, wie es ist, über den Stolz, zur irischen Diaspora zu gehören.“

Eine Menge Bands spielen euren Musikstil. Welche Bands kennt ihr, die euren Musikstil spielen und von euch beeinflusst wurden?

„Leider nur von eine: SIHOBAN aus Kanada. Wir waren mit ihnen zusammen auf Tour in Deutschland in diesem März und hatten viel Spaß mit ihnen. Sie mochten unseren Song ‚Hello Jakey‘ so sehr, dass sie einen Song namens ‚Jakey’s gone to Germany‘ geschrieben haben.“

Ist es zurzeit nicht so, dass man mit Folk-Punk derzeit recht erfolgreich ist?

„Ja, so ist es. Es ist sehr seltsam, denn wir waren ein paar Jahre nicht mehr in irischen Bars unterwegs und sozusagen unsichtbar, jetzt ist alles komplett anders. Wir spielen auch nicht mehr in den irischen Bars wie früher. Es ist jetzt alles sehr aufregend und ich bin froh, dass wir wieder dabei sind.“

Ich denke mal, ihr spielt gerne in Irland. Was denken die Leute dort über Bands, die Punkmusik mit irischen Lyrics und Einflüssen spielen?

„Wir haben in Irland seit 2001 viel gespielt und es war großartig. Touren in Irland ist anders als irgendwo anders auf der Welt – die Leute bringen dich echt um mit ihrer Freundlichkeit. Es gibt eine Menge Leute, die DJ Shadow, SLIPKNOT, RADIOHEAD oder sogar die BEE GEES hören wollen, aber es gibt auch die, die irische Musik laut, rau und ‚punk-as-fuck‘ mögen wie wir. Ich weiß, dass es einige Menschen gibt, die was gegen Leute haben, die nicht in Irland geboren sind, und trotzdem irische Musik spielen – wie auch Shane –, aber die sollten sich wieder einkriegen. Jedes Jahr haben wir das ‚Fleadh Cheoil nah Éireann‘, ein gesamtirischer Wettbewerb für traditionelle Musik, und die Sieger kommen aus ganz Irland. Teilweise Großbritannien, Australien, Kanada und den Staaten, und keinen kümmert es, woher sie kommen, solange sie gut sind. Wenn das okay für die Leute ist, die aus der ernsthaften traditionellen irischen Musikszene kommen, wieso sollten wir diese Einstellung dann nicht übernehmen? Denn neben der Tatsache, dass wir wissen, dass wir gut genug sind, denkt das auch Shane. Und das genügt mir vollkommen.“

„Sod ’em & Begorrah“ ist euer viertes Album. Ihr seid also schon eine ganze Weile im Geschäft ... Gewöhnlicherweise meinen Bands immer, dass ihre letzte Platte die beste sei. Seht ihr das auch so?

„Ja, natürlich ist das so. Aber es ist unsere dritte Platte, wir sind seit 1997 dabei. Es ist die bessere Variante unseres ersten Studioalbums. Sie hat einen geilen Titel und ein ebenso geiles Cover, die ganzen Lyrics, Photos und anderen Kram in interessanter Verpackung. Und jeder spielt und singt sich die Seele aus dem Leib. Es ist eine Menge Seele und Spirit rübergekommen, als wir die Platte fertig gemixt hatten. Und als die letzten Klänge von ‚I’ll take me back‘ verklangen, stand ich auf und salutierte vor der versammelten Mannschaft mit Tränen vor Stolz, die meine Wangen hinab liefen. Wir sind eine Truppe verrückter, sentimentaler Witzbolde, aber das macht nichts. Das Album kommt dem, wie wir klingen wollen, am nächsten, und verdammt noch mal, es rockt!“

Was bedeutet „Sod ’em & Begorrah!“ und wieso ist das der Titel eures neuen Albums?

„Ich hatte eine ganze Menge guter Titel und ein paar schlechtere. Wir gingen alle durch, und der wurde es dann. Es fasst die Band zusammen: ein verrückter Dubliner Spitzname für irischen Punkrock und gleichzeitig ist es ein respektloses Wortspiel auf Sodom und Gomorrah aus der Bibel.“

Es ist eure zweite Veröffentlichung auf dem Berliner Bad Dog Label. Wie kam der Kontakt zustande und wie zufrieden seid ihr damit?

„Stimmt. Wir sind über Marc, unserem Booker bei M.A.D. in Berlin, in Kontakt gekommen. Ich denke, dass es ganz hilfreich war, dass uns die DROPKICK MURPHYS letztes Jahr gefragt hatten, ob wir nicht ihre Deutschland-Tournee supporten wollen. Und bei Bad Dog ist es spitze. Ich würde hier nicht sitzen, wären sie nicht gewesen, und wir hätten definitiv nicht unsere zwei besten Alben herausbringen können. Sie haben uns auch sehr geholfen, als unser alter Bus letztes Jahr in Berlin abkratzte – obwohl sie sich darum gar nicht hätten kümmern müssen. Sie haben uns absolute künstlerische Freiheit gelassen, und wir konnten unsere Vorstellungen rauslassen und unsere Träume verwirklichen, wenn man es so nimmt. Es ist gut zu wissen, dass sie so großes Vertrauen in uns haben. Das gleiche gilt für M.A.D., die waren ebenfalls großartig.“