MURPHY'S LAW

Foto

Ein Gestapo-Verhör

Zu den Hochzeiten des Hardcore, als Mission und Taffness den Gestus nahezu jeder Band bestimmten, entzog sich eine Band der Gründerzeit all dem, ohne den Blick für die Realitäten ihrer Szene zu verlieren. MURPHY’S LAW aus New York tourten und musizierten mit den RAMONES, den BEASTIE BOYS, den RED HOT CHILI PEPPERS und FISHBONE, deren Bläsersektion auch auf einigen Tonträgern aushalf. Ihre erfrischende Mischung aus HC, Punk, Ska und Reggae fährt insbesondere live ins Blut und nimmt sich dankenswerterweise niemals ernst.

Wie auch, bei Liedern über den Angriff der Killerbiere oder die „Cavity creeps“, die Kariesmonster. Die Ernsthaftigkeit dem Gegenstand HC gegenüber lässt die Partypropaganda jedoch so natürlich erscheinen. Noch heute werden die Bostoner Ideale der Einheit von Band und Publikum propagiert und erfüllen sich, wenn etwa der Sänger der Nienburger Band DYING ART zusammen mit MURPHY’S LAW ein eigenes Lied improvisieren kann. In Amerika füllt die Band ganze Hallen, bei uns ist es lange still um MURPHY’S LAW gewesen. Nach einer kurzen Show und einer langen Nacht in Berlin stand deswegen fest, Sänger und Bandleader Jimmy Gestapo nachzureisen, um ihm in Hannover einige Fragen zu stellen. Meine Begleitung wandte sich zwar angewidert am Eingang ab, doch ich hatte mich schon immer für Getränke interessiert und blieb. Im Einzelnen interessierte mich, wie die Sponsorengespräche mit Jägermeister, deren Flasche auch als Kuhglockenersatz in die Show eingebunden ist, genau abliefen. Vielleicht so: „Ich, als Vertreter meiner Band, fühle mich als kompromissloser Verfechter des Konzeptes hemmungslosen Betrinkens bis zur Besinnungslosigkeit in höchstem Maße prädestiniert für eine typgerechte Präsentation ihres Produktes.“ Darüber hinaus wollte ich überprüfen, ob der „Ska song“, immerhin eine echte New Yorker Straßenhymne, wirklich nur aus vier Zeilen bestand. Er tat es, aber inhaltlich überladen waren MURPHY’S LAW ja noch nie.

Du warst 1990 in unserer sechsten Ausgabe.

Ganz schön lange her. Oh, guck: Chuck Valle! Ein guter Freund von mir, er wurde in Los Angeles ermordet ... Ich weiß nicht, was hier steht, aber ich schätze, ich hab ganz schönen Mist geredet. Und schau mich an: Ich hatte Haare! Und das hier ist Dan Nastasi von DOG EAT DOG, mein Gitarrist.

MURPHY’S LAW nahm seinen Anfang auf einer Feier am 31.12.1982, richtig?
Ich spielte bei KRAUT und wurde von denen abgezogen. Da war ich 13 Jahre alt und beschloss aus Spaß mit einem Freund, dem Drummer der STIMULATORS, eine Band zu gründen. Sein Name war Harley Flanagan. Giorgio Grebowski, Produzent der YARDBIRDS, der ROLLING STONES und Millionen anderer, besaß ein Gebäude in Manhattan, in dem er Partys schmiss. Er hatte einen Gig mit REAGAN YOUTH und MDC und ließ uns da spielen. Wir kifften ordentlich was weg, schrieben ein paar Lieder und 22 Jahre später tun wir das noch immer.

Dee Dee Ramone schrieb in seiner Autobiografie, er hätte Angst vor dir. Ich würde mich geschmeichelt fühlen.
Ach, Dee Dee und Joey waren Freunde von mir. Nur Johnny ... Nach dem Ende der RAMONES hat er seine Gitarre verkauft und alles für seine Scheiß-Baseball-Sammelkarten ausgegeben. Ich hasse Baseball. Nein, ich hasse Sport. Wir waren mit den RAMONES auf Tour an der Westküste und hingen in Kalifornien fest, weil Joey ins Krankenhaus musste. MURPHY’S LAW machten dann kleinere Auftritte, um die Zeit zu überbrücken, und Johnny versuchte seine Ausfälle bei der Vorband zu kompensieren. Im Verlauf der Unterredung fasste er mir ins Gesicht, daraufhin habe ich ihm gedroht, ihn umzubringen.

Du hast auf der Bühne vom Tourstress gesprochen. Heute war es doch ganz gut, oder?
Das will ich meinen. Wir haben nur heute erfahren, dass der Touragent sich mehr auf den Bus, den Fahrer, die Agentur, die Werbung konzentriert hat, als auf die Bezahlung der Band. Wir haben einen Monat lang jeden Tag gespielt, seit zwei Nächten nicht geschlafen und jetzt schulden wir denen – nicht die uns! – fast 5.000 Euro, nur dafür, auf Tour zu sein. Ich bin nicht sehr froh darüber, aber ich war mir im Klaren, worauf ich mich einlassen würde. Aber so ist das Geschäft. Ich habe hier grausamere Geschäftsleute getroffen, als viele, mit denen ich in Amerika zu tun habe.

Du bist berüchtigt dafür, Ärger mit Agenten und Promotern zu haben.
Wenn mich jemand abzocken will, kriegt er von mir aufs Maul. Was meinst du, warum ich Gestapo heiße? Ich bin in Queens aufgewachsen und habe Drogen verkauft, bis ich angefangen habe, sie selbst zu nehmen. Ich musste mit ansehen, wie mein Vater Leute zu Tode prügelte. Ach was! Ich habe selbst Leute zu Tode geprügelt! Mir kam eine Aufstellung zu Gesicht, die Hinz, Kunz und Rumpelstilzchen berücksichtigte, nur unsere Bezahlung nicht. Auf meinem Tourplakat sind zahlreiche Sponsoren abgedruckt. Wo zum Teufel ist mein Hooligan-Sweatshirt? Ich behalte von jetzt an alles selbst in der Hand. Da war dieses französische Label, das von mir Geld wollte, um meine eigene Platte zu pressen! Die bekommen von mir gar nichts mehr. Ich bin kein Kapitalist. Kapitalisten verdienen Geld. Ich verdiene kein Geld.