MOUSE ON MARS

Läßt man mal das übliche Trendgekasper hinsichtlich mal mehr, mal weniger innovativer und zukunftsweisender Richtungen wie Krautrock, Postrock und neuerer Elektronischer Musik außer Acht, sind MOUSE ON MARS spätestens seit ihrer letztjährigen Platte "Autoditacker" die Shooting Stars einer Szene, die es in Wirklichkeit so gar nicht gibt und die mal wieder den Köpfen schlauer Popkultur-Beobachter entsprungen ist. Andi Toma (Düsseldorf) und Jan St. Werner (Köln) nehmen im Bereich Elektronischer Musik schon deshalb eine Ausnahmestellung ein, da sie seit ihrem 94er Debüt "Vulvaland" beim renommierten englischen Label Too Pure unter Vertrag stehen, das regelmäßig mit ziemlich feinen Releases abseits von irgendwelchen unerträglichen Britpop-Kapellen wie VERVE, OASIS oder BLUR aufwartet. Außerdem funktioniert ihr nicht völlig unnostalgischer Sound auch außerhalb bestimmter Festplattenkapazitäten - Live greift man auf einen nicht-virtuellen Schlagzeuger namens Dodo und sowie einen Basser (unbenannt) zurück.

Auch wenn einem bei MOM leicht undisziplinierte Bezeichnungen wie "KRAFTWERK für die 90er" durch den Kopf spuken, bedeutet die Band vernünftig musikalisch kategorisieren zu wollen, daß man sagt, sie würden Techno machen, der kein Techno ist, Pop, dessen Melodien man nicht nachsummen kann, oder Indierock, der auf Gitarren verzichtet. Oder man erwähnt ihre anderen Projekte wie MICROSTORIA (Jan St. Werner plus Markus Popp von OVAL), YAMO (zusammen mit KRAFTWERKs Wolfgang Flür) oder daß z.B. auf ihrer ´97er Maxi "Cache Coeur Naif" Laetitia Sadier von STEREOLAB auftaucht. Und beim Thema "Vergangenheitsbewältigung" stößt man unweigerlich auf unverarbeitete frühkindliche Traumata wie Flötenunterricht, Tomas erste Band JEAN PARK oder die erste Zusammenarbeit der beiden: Musik für einen damals noch jungen Privatsender namens Vox.

Von den Medien wurden MOM nach dem Erscheinen von "Autoditacker" im letzten Jahr mehr als verwöhnt, eine Tendenz, die auch im neuen Jahr noch nicht abgerissen ist, obwohl Toma/Werner in Interviews zu ausgeprägtem verbalem Dadaismus neigen, den nicht unbedingt jeder lustig findet. Anläßlich ihres Konzertes im Bochumer Bahnhof Langendreer reihte auch ich mich in die immer länger werdende Schlange (aufrichtig) interessierter Medienvertreter ein. Zumindest hatten sie auf einem Festival in Begien einen Preis für die sympathischste Band des Festivals bekommen, "Die goldenen Orange", also konnte es gar nicht so schlimm werden.


Euer Umgang mit den Medien scheint grundsätzlich etwas sperrig zu sein. Ist das eine beabsichtigte Form von Verweigerungshaltung, oder wirkt das nur so?

Andi: Abblitzen lassen wir eigentlich nie jemanden, das wäre zu einfach. Aber wir versuchen, unsere Medienauftritte möglichst offen zu halten, da wir grundsätzlich nicht dazu neigen, klare Statements abzuliefern. Wir haben keinen Plan oder Ideologie, außer der Ideologie, wie wir mit Sound umgehen. Es ist deshalb völlig uninteressant, das in den Medien zu präsentieren. Wir gucken halt, daß wir dabei unseren Spaß haben. Je nach Situation arbeiten wir mit Wortspielen, damit das noch irgendwie phantasievoll wird, ohne daß man immer dieselben abgedroschenen Phrasen abläßt.

Jan: Wir haben mit vielen Fragen echte Schwierigkeiten, da die meistens auf bestimmte Antworten abzielen, insofern ist schon vorher klar, was du antworten mußt. Und wenn es zu viele Fragen von dieser Sorte gibt, verliert man ein bißchen die Energie und denkt sich was ganz anderes aus. Bestimmte Fragen kann man eben nur auf bestimmte Art beantworten, und dagegen wehren wir uns. Außerdem will man doch etwas neues über uns erfahren, also muß man sich ein bißchen darauf einlassen, wie das passiert und was dann an Informationen kommt.

Die Medien gehen mittlerweile auch auf so eine Haltung ein, da es z.B. bei WahWah immer seltener Moderatoren gibt, die Bands interviewen. Dann fragt man sich allerdings, wieso man überhaupt da im Studio ist. Da kann man uns direkt beim Einkaufen filmen, oder wie wir herumsitzen und uns in der Nase bohren.

Und wie reagieren eure Gesprächspartner - soweit vorhanden - darauf? Ich könnte mir vorstellen, daß eure Art zu einiger Irritation führt.

Jan: Es gab auch Auftritte im Fernsehen, die ganz klar in die Hose gegangen sind, wie bei MTV "Party Zone". Die Frau war völlig entnervt und ist schreiend rausgerannt. Ungelogen! Das fing schon komisch an: Sie kam rein - ihr Schuh hing halb am Fuß - und meinte, sie wäre heiser. Worauf ich sagte, ihre Stimme würde sehr gut klingen. Da war sie ein bißchen geschmeichelt, meinte aber erst recht, über ihre Stimme reden zu müssen. Mittlerweile hatte sie entdeckt, daß unser Schlagzeuger ein Beutelchen um den Hals hängen hatte, das ihr ziemlich interessant erschien. Sie wollte dann unbedingt wissen, was drin ist und fummelte daran herum. Das sind aber Dodos Kristalle und da darf man nicht dran fassen, was er ihr auch unmißverständlich mitteilte.

Dann fragte sie: Who is who? Und wir sagten: Roger Daltrey. Wir sind dann sehr wörtlich mit ihren Fragen umgegangen und haben ständig die Bedeutung umgedreht. Sie dachte deshalb, wir wollten sie verarschen und ist nicht darauf eingegangen. Aber wenn man als Moderator darauf eingeht, können neue Sachen passieren. Aber die hat den Stress gehabt, sie könnte in der Sendung nicht gut wegkommen.

Andi: Dafür, daß wir jetzt so eine Medienpräsenz haben, kommt vieles immer noch sehr unperfekt rüber. Es macht aber auch Spaß mit den Medien, wenn man merkt, daß man die Frage, die in eine bestimmte Richtung geht, umlenken kann. Dadurch kommt man letztendlich doch wieder auf die Frage zurück und auf eine Antwort, die oft viel besser abdeckt, was die Leute an MOM interessieren könnte. Außerdem lernst du was über deine Arbeit und über dich selbst.

Macht es für euch denn überhaupt Sinn, über Musik zu sprechen, da Musik, egal welche, in der Regel ganz gut für sich selbst spricht?

Jan: Man muß ja nicht genau das erklären, was die Musik eh schon tut, sondern in dem Moment, wo man die Möglichkeit hat, mit denen zu reden, die die Musik gemacht haben, eine neue Ebene zu eröffnen, auf der man ganz andere Ideen entwickeln kann, die vielleicht in der Musik stecken, aber nicht so deutlich sind. Oder sogar darüber hinaus gehen.

Ich würde sogar sagen, daß sich vor allem Musik, die sich nicht erklären will, ein bißchen mehr erklären sollte. Gerade in der Elektronischen Musik gibt es so viele, die mal ganz schnell und einfach eine Platte machen. Dann kommt da noch ein bißchen Theorie dazu, an die man nicht so leicht herankommt, und, schwupp, wird es überall durchgewunken, als ob solche Musiker mehr begriffen hätten als andere. Gerade Elektronische Musik gibt sich sehr elitär, ohne daß ich dafür einen Grund sehen würde.

Andi: Das liegt vor allem an der Arbeitsweise. Man kann für sich alleine arbeiten und denkt direkt, man wäre super, weil man alles alleine beherrscht. Viele sind Tüftler, die alleine zu Hause sitzen und abgekoppelt von einer Gemeinschaft sind.

Im Studio arbeiten wir ähnlich, aber live sind wir beinahe eine Rockband, mit einer ähnlichen Kommunikation, da wir hier schließlich nicht unser ganzes Studio-Equipment aufstellen können. Durch klassische Instrumente wie Gitarre oder Baß ist das bei uns auch beweglicher als bei einer reinen Elektronikband. Viele Elektroniker, die uns live erlebt haben, finden das auch peinlich. Das sind vor allem Leute, die konkret sagen, sie machen Elektronische Musik.

Was für eine Bedeutung hat Elektronische Musik denn eigentlich für euch?

Andi: Das hängt eben davon ab, wie man die elektronische Musik macht. Es gibt ja immer diese klischeehafte Unterscheidung zwischen handgemachter und nicht handgemachter Musik. Eine Gitarrenband macht heute auch Elektronische Musik, also benutzt Sampler und elektronische Effekte. Was ich aber recht langweilig finde, da das oft sehr konstruiert ist.

Wir benutzen eigentlich gar nicht so viel Elektronik und sehen unsere Musik deshalb nicht als rein elektronische Musik. Das ist für uns kein Stilmittel, sondern wir verwenden die Elemente, die uns beim Entstehungsprozeß eines Stückes über den Weg laufen. Wir versuchen, uns dabei möglichst wenig darüber bewußt zu sein, ob wir uns gerade auf einer extrem elektronischen Ebene befinden. Wir haben das Glück, daß wir oft aus uns selbst heraus einen bestimmten Sound entwickelt haben. Aber nicht deshalb, weil wir gesagt haben, wir müssen jetzt unbedingt was neues machen, sondern durch die Art, wie wir Sounds bearbeiten.

Jan: Wir versuchen, Musik zu machen, die nicht ein bestimmtes Genre bedient, sondern dabei unsere Vorstellung von Musik umzusetzen. Und dazu benutzen wir elektronische Hilfsmittel. Wenn es die nicht wären, wären es eben andere. So wie wir mit Musik arbeiten wollen, helfen uns die elektronischen Möglichkeiten, und das hört man auch in der Musik. Wir erzeugen uns selber Instrumente, und die spielen dann. Ich sehe dann oft eine kleine Band, die auf Instrumenten spielt, die es nicht gibt.

Dabei gab es den einen oder anderen Irrweg, aber im Endeffekt hat man versucht, sich so auszustatten, daß man relativ autark arbeiten kann. Ich habe zuerst Kassetten gemacht, die Leute bekommen haben, die mich unglücklicherweise kannten. Und wer das nicht haben wollte, bekam eben keine Kassette. Andi hat das direkt viel ordentlicher gearbeitet.

Andi: Ich hatte einen richtigen Plattenvertrag und so die Chance, in das Business reinzuriechen. Ich hatte direkt Leute um mich herum, die gesagt haben, das mußt du mit einer richtigen Plattenfirma machen. Ich bin gar nicht selbst zur Plattenfirma gegangen, das haben andere für mich gemacht. Und plötzlich hing ich da drin und war irgendwann wirklich froh, daß ich wieder raus war. Das witzige ist, die Band kennt kein Arsch. Du glaubst einfach nicht, wie viele Bands es bei Major-Labels gibt, die noch nicht einmal rauskommen und schließlich irgendwo versanden.