MOSES W.

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Über Rockmusik zur Comedy – wie geht das?

Mit 16 stand er links in der Gitarrenecke, starrte mit zusammengekniffenen Beinen konzentriert auf das Griffbrett und musste sich immer wieder die Brille hochschieben. Auf die Frage beim Arbeitsamt, was er machen wolle, sagte er: „Irgendwas mit Musik ...“ So kam es, dass er als Azubi im Musikalienhandel Helge Schneider einen Akkordeonkoffer verkaufte. Eine weitere prägende Station im Leben des Rock-Comedian war die New-Wave-Kapelle THE FAIR SEX, bei deren letzter Studioplatte „Labyrinth“ er die Stromgitarre einspielte. Auf Tour merkte er, dass es nicht zum Image der Band passte, wenn er rumkasperte und zwischen den Songs Witze erzählte. Was folgte, war eine Ochsentour über die offenen Bühnen des Ruhrgebiets, wo er sich ausprobierte und allmählich in die Kleinkunstszene reinrutschte. Endstation war ein kleiner, stickiger Waschsalon in Köln ...

Kannst du etwas über das Konzept von „NightWash“ erzählen?


„‚NightWash‘ gibt es seit ca. fünf Jahren. Ich persönlich habe vor zwei Jahren das erste Mal dort gespielt. ‚NightWash‘ fing an als Live-Veranstaltung in Köln, bei freiem Eintritt regelmäßig im Waschsalon ‚Schnell & sauber‘. Inzwischen gibt es die ‚NightWash‘-TV-Aufzeichnungen, die in Kooperation mit dem WDR produziert werden. Seit ca. einem Jahr gibt es ‚NightWash on Tour‘, dabei tingeln immer wechselnde Künstler aus dem NW-Dunstkreis durch Deutschland.“

... und was für ein Anliegen steckt dahinter?

„Neue, unbekannte Künstler auf eine möglichst professionelle Weise zu fördern. Jeder, der Stand-up-Comedy macht, kann dort anfragen, wird eingeladen und kann bei den schon erwähnten Live-Shows auftreten. Dort kann man neue Nummern ausprobieren, bekommt konstruktive Kritik, neue Anregungen und evtl. die Chance auf eine TV-Aufzeichnung.“

Das hat den gleichen Ausgangspunkt wie deine „Comedy-Carl“- Veranstaltungen, die du in Essen moderierst?

„Im Prinzip ja, nur dass es hier keine Fernsehaufzeichnungen gibt. Ich verstehe mich auch nicht als Förderer anderer Künstler. Ich habe mit der Förderung von Moses W. genug zu tun! Ich stelle das Programm zusammen und teile mir die Moderation mit Ludger K. aus Duisburg.“

Du warst auch bei „Star Search“, der Casting-Show von SAT1. Das ist ein ganz anderes Format als ein Auftritt auf einer Kleinkunstbühne. Da wart ihr direkte Konkurrenten und habt gegeneinander gespielt.

„Ja, das war eine dieser Casting-Shows, bei denen das Publikum mitbestimmen darf, wer toll ist und wer nicht. Es war sehr spannend. Allein, dass du mich nach über zwei Jahren darauf ansprichst, zeigt, dass es doch viele Leute mitbekommen haben. Es gab verschiedene Rubriken: Models, Sänger ab 18, die Kindersänger und eben die Comedians. Bei den Comedians finde ich es schwierig, zu sagen, wer besser oder schlechter war. Bei den Sängern kann ich hören, ob einer den Ton trifft oder nicht! Aber Komik ist vielfältig. Jeder Comedian hat seine eigene Art von Humor.“

Was bezwecken Sender mit einem solchen selektiven Auswahlverfahren?

„Solche Sendungen spielen mit Emotionen. Der Effekt, dass du als Zuschauer Emotionen zu einem Teilnehmer einer solchen Show aufbaust, bringt dich dazu, einzuschalten und dranzubleiben. Je schneller du etwas für diese ‚No Names‘ empfindest, und sei es nur: ‚Boah, ist der Kacke!‘, desto eher willst du wissen, ob der rausfliegt oder nicht – und schaltest ein. So funktionieren ‚Big Brother‘ und ähnliche Formate. Es geht um Einschaltquoten. Um Werbepartner. Um Geld!“

Stichwort: 49 Cent pro Anruf ... Ich frage mich, wer soviel Geld hat, da jedes Mal anzurufen?

„Menschen, die ansonsten wenig mitreden dürfen oder können, und hier endlich mal ihre Meinung äußern dürfen. Schau dir an, wohin sich das Fernsehprogramm über die letzten Jahre entwickelt hat. Gerade das Privatfernsehen. Keine Bildung, nix fürs Hirn. Es gibt 24-Stunden-Berichte über die Arbeit der Polizei. Es gibt Wettkämpfe im Wohnungsrenovieren. Es gibt Frauentausch, es gibt ‚The Swan‘. Nur hohler Mist, aber alles Sendungen, für die du kein Abitur brauchst. Da kann jeder mitreden ...“

Deshalb heißt das ja auch „Reality TV“! Weil wir schon bei der Entwicklung der Medienlandschaft angekommen sind: Wie wichtig ist für einen Comedian die Internetpräsenz?

„Die ist schon sehr wichtig, in erster Linie für Zuschauer und Fans. Im Netz können sie nachschauen und sich informieren, was ich gerade mache, wann und wo ich spiele. Ich bekomme nach Gastspielen regelmäßig Gästebucheinträge. Das Internet ist eine gute Werbefläche. Allerdings gibt es da auch tausende von Arschlöchern, denen man auf die Fresse hauen möchte, wenn sie wieder alles mit Spam-Mails zumüllen.“

Du spielst mit Hennes Bender bei BURGER QUEEN. Wie habt ihr euch kennen gelernt und wie kam es zu diesem doch recht erfolgreichen Projekt?

„Wir haben uns bei den diversen Kleinkunst-Mix-Shows kennen gelernt. Zum 10. Todestag von Freddie Mercury hatte Hennes, selber beinharter QUEEN-Fan, die Idee, ein einmaliges Musik-Special zu machen. Erst wollten wir das mit zwei Akustikgitarren machen, aber beim Proben wurde uns klar, dass eine Band her muss. Volker Naves von der TANZKAPELLE APOLLO und Ralf Weber, zwei alte Freunde von uns, hatten sofort Lust. Wir haben geschaut, wie wir die Stücke umschreiben und persiflieren können. Zu der ‚einmaligen‘ Show im Hundertmeister in Duisburg haben sich dann neben gut hundert Fans auch die Aids-Hilfe Duisburg und der Deutsche QUEEN-Fanclub eingefunden. Nach diesem Auftritt war klar, dass wir da dranbleiben müssen.“

Es gibt von euch auch sehr schräge QUEEN-Interpretationen und unbekanntere Coverversionen. Wird da bewusst drauf hingearbeitet?

„Nein, absolut nicht. Wir stellen uns in den Proberaum und probieren es einfach aus. Manche Songs funktionieren auf Anhieb. Zu einigen anderen, auch bekannteren, ist uns aber auch noch nichts eingefallen. Da suchen wir noch. Einige Songs spielen wir relativ nah am Original, andere werden übel verwurstet. Aber das hält sich die Waage.“

Es gibt die verschiedensten Typen von Comedians. Hennes Bender z. B. erzählt viel aus seiner Kindheit, andere definieren sich über ihre Sprache und du greifst gerne alltägliche Situationen auf. Wie entwickelt man so eine Figur? Wie hat sich die Figur Moses W. entwickelt?

„Bei mir ist es hochgradig autobiographisch. Ich habe mir einen Teil meiner Persönlichkeit herausgepickt und verarbeite darin Themen, die mich persönlich interessieren. Es ist nicht eine entwickelte und verkleidete Bühnenfigur.“

Also hast du den Heavy-Metal-Fan auf die Bühne gebracht und andere finden das lustig?

„Nicht immer! Manche Fans tun sich schwer damit, über die Musik, die sie lieben und verehren, auch zu lachen. Das ist vielleicht eine Frage des Alters. Ich hätte als Teenager auch jeden Scheiße gefunden, der es gewagt hätte, sich über KISS lustig zu machen. Man wird mit seinen Helden älter, und die bringen dann auch manche ungewollt lustige Aktionen. Musik ist aber nicht mein einziges Thema, inzwischen bin ich bei Alltagsthemen gelandet. Ich würde mich aber nicht hinsetzten und anfangen, etwas über Politik zu machen. Das ist nicht mein Ding, ich bin ein relativ unpolitischer Mensch, was ich manchmal bedauere. Da gibt es Themen, die mir persönlich näher stehen, wo ich entweder eine Meinung zu habe oder mich einfach nur drüber auslasse, weil es eine skurrile Geschichte ist, z. B. das ‚Wettrüsten‘ auf dem Nassrasierer-Markt.“

Humor und Metal gehen ja gar nicht zusammen! Die Heavies sind doch alle richtig böse ...

„Es gibt vieles, worüber man sich im Metal lustig machen kann. Es gibt ja schon eine Menge Metal-Comedy-Filme. Ich denke an ‚Spinal Tap‘ oder ‚Wayne’s World‘, beides Comedy aus Amerika. Ich sehe zwei Gründe, warum es in Deutschland schwieriger ist, sich darüber lustig zu machen. In Amerika hört jeder Musik kreuz und quer, Thrash-Death-Pop-Mainstream-Metal, alles bunt gemischt. In Deutschland entscheidet man sich für eine Sparte, nimmt diese dann entsprechend ernst und jeder, der sich darüber lustig macht, bekommt Ärger. Aber der entscheidende Grund ist die Sprache der Songtexte: Englisch. Jeder Ami bekommt, ob er will oder nicht, über’s Radio oder im Kaufhaus den Inhalt der Metal-Texte mit, egal, ob BON JOVI, SCORPIONS oder MANOWAR. Das ist quasi Allgemeinwissen, so wie bei uns der Inhalt von Schlagertexten. Macht ein Comedian darüber Witze, weißt du, wovon der redet.“

Deine persöhnlichen Vorbilder sind ja Louis de Funès und Hans Werner Olm ...

„Louis ganz unbedingt! Bis heute ungeschlagen in seiner Originalität. Olm?! Ja, früher schon, seine aktuellen Fernsehsachen hauen mich nicht mehr so doll vom Hocker. Ansonsten: Mike Meyers, Jochen Malmsheimer, Helge Schneider, Henry Rollins.“

Erzähl mal etwas über deine Programme.

„Na endlich! Ich dachte schon, der fragt nie! Also mein Solodebüt ‚Halt’s Maul und sing!‘ war ein lustiger Liederabend mit Persiflagen quer Beet von Prince über Dean Martin zu Elvis. Da hielt sich der Stand-up-Comedy-Anteil noch in Grenzen. Mit dem zweiten Programm ‚Rocker!‘ wurden die Ansagen eigene Geschichten. Mit ‚Rocker!‘ war ich zweieinhalb Jahre auf Tour, u. a. bei ‚Rock am Ring‘ im ‚House of Comedy‘. Im Januar 2005 hat mein drittes Programm ‚Zimmerlautstärke‘ Premiere.“

Ist es nicht langweilig, zweieinhalb Jahre dasselbe Programm zu spielen, jeden Abend das Gleiche zu erzählen?

„Nein, es wandelt sich ja ständig, Nummern fliegen raus, neue werden eingebaut. Es ist nicht so, dass die Texte ausformuliert sind. Die Geschichten stehen und die Gags sind platziert, aber ich improvisiere viel und je nach Stimmung und Publikum kitzele ich aus einer Geschichte immer wieder neue Facetten heraus. Es ist kein reines Aufsagen des auswendig Gelernten. Mir ist wichtig, dass ich in meinem Thema ganz drin bin und es transportiere. Das Publikum merkt, wenn einer mit Leib und Seele dabei ist. Das ist lebendiger, ehrlicher und persönlicher. Und lustiger!“