MÖRDERBLUES

Foto

Punkrock mit Seefahrerromantik

Ein norddeutsches Trio namens MÖRDERBLUES, das sich seit längerem in Berlin niedergelassen hat, lässt die Underground-Musikszene aufhorchen. Als „Punkrock für Zweifler und Trinker“ titulieren sie selbst ihre Musik, die sich vor allem durch nicht gerade leicht verdauliche Texte auszeichnet. Ich traf mich vor dem Tiki Heart in Kreuzberg zum munteren Plausch mit Sänger Niklas und Basser Hendrik, der zudem mit „Punkrock Night Flight“ Deutschlands einzige Punk-Radiosendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk moderiert.

Eine erste Mini-CD hattet ihr ja schon vor geraumer Zeit veröffentlicht, eine weitere ist in Planung, wie weit ist diese inzwischen gediehen?

Hendrik: Wir haben zehn neue Songs fertig, die wir nun nach und nach im Proberaum „fein“ machen. Wir sind noch unentschieden, ob wir wieder eine Mini-CD herausbringen oder ob wir ein Demo machen und uns dann einen Plattenvertrag suchen, um ein komplettes Album herauszubringen. Jedenfalls haben wir einiges an neuen Songs und es wird immer weniger Punk und immer mehr Musik.

Niklas, du hast ja praktischerweise noch dazu ein eigenes Aufnahmestudio. Wie habt ihr drei euch überhaupt gefunden?

Niklas: Ich habe unseren Drummer Daniel während unserer Ausbildung zum Toningenieur kennen gelernt und hatte ihn damals für meine damalige Band MOON abgeworben, weil er mir als Schlagzeuger so gut gefiel. MOON verwandelte sich in LUCIES BRAINFUCK. Und Hendrik spielte damals bei STIGMATA HARI und nahm in dem Studio auf, in dem ich damals gearbeitet habe. Jedenfalls hat Hendrik mal LUCIES BRAINFUCK live gesehen und wollte unbedingt dabei sein. Nachdem unser Gitarrist Timo ausgestiegen ist, wechselte ich an die Gitarre, Hendrik nahm den Bass und so spielten wir in unserer jetzigen Besetzung bis 2006. Sechs Jahre später haben wir nun unter dem Namen MÖRDERBLUES wieder zusammengefunden

Es ist ja kein Geheimnis, dass du als RBB-Kulturreporter Konzert-Berichte über größere Stars produzierst, von IRON MAIDEN bis Mark Knopfler. Kannst du da irgendetwas für dich oder die Band mitnehmen?

Hendrik: Ja, ich moderiere auf Radio Fritz meine Punk-Sendung und von daher kenne ich natürlich eine Menge Leute. Denen habe ich unsere CD auch mitgegeben und die gefiel denen auch allen. Das war aber auch alles ...

Im musikalischen Underground vermischen sich ja die Stile immer mehr, ich habe aber auch den Eindruck, dass selbst hartgesottene Punks sich ganz gut in mainstreamiger Musik auskennen.

Niklas: Na ja, die meisten Leute werden ja im Alter irgendwie offener.

Hendrik: Ich habe eher das Gefühl, dass die Szenen geschlossener sind. Dass also Leute, die deutschen Punk mögen, nicht unbedingt Deutschpunk hören, weil denen das zu billig und zu prollig ist, und dass sich Leute, die sich in der Metal-Szene verorten, mit dem Politischen des Punk nicht anfreunden können.

Kürzlich musstet ihr ja einen Gig in Berlin absagen, weil euer Drummer erkrankt war, wie sieht es inzwischen konzertmäßig wieder bei euch aus?

Hendrik: Wir mussten sogar mehrere Gigs absagen, weil Daniel eine Verletzung an der Schulter hatte und dementsprechend nicht proben konnte. Ohne Proben wollten wir aber nicht spielen. Das hat uns natürlich etwas zurückgeworfen. Es stehen jetzt ein paar Gigs an, in Berlin im Magnet Club und im Dezember wohl auch im SO36, und in Dresden spielen wir auch, aber es sieht nicht gut aus, obwohl wir uns ziemlich viel Mühe geben.

Eure Texte sind recht anspruchsvoll. Wie läuft das Texten und der Songwriting-Prozess in der Gruppe ab?

Niklas: Wir haben immer viel in Sessions gemacht und nach einer halben Stunde kristallisiert sich da oft etwas heraus. Wir schneiden das zudem auch meistens gleich mit. Und dann setzt sich einer von uns hin und setzt aus den Fragmenten, die vorliegen, eine Struktur zusammen, die man vielleicht als Song benutzen könnte. Meist entsteht erst die Musik und dann der Text.

Hendrik: Wir machen eigentlich fast alles zusammen. Die meisten Texte kommen von Niklas, manche von mir, einen hatten wir auch schon mal zusammen geschrieben, aber die Musik stammt komplett von uns dreien.

Bei eurem Song „Tanker“ fällt mir eine gewisse Seefahrerromantik auf, oder irre ich mich?

Hendrik: Wir kommen alle drei aus Norddeutschland, also Niklas aus Bremen, Daniel aus Oldenburg und ich aus Osnabrück, haben uns aber erst in Berlin kennen gelernt, wir grüßen uns auch grundsätzlich immer mit „Moin“. Wir haben schon ein nordisches Lebensgefühl in uns.

Niklas: Heute haben wir also beispielsweise „Shiiitwedder“.

Kennt ihr Kapitäne oder andere Seefahrer?

Niklas: Mein Großvater und mein Onkel sind beide Seefahrer. Die Idee entstammt aber mehr aus meinem Urlaub in Kalifornien, wo ich am Meer war, die Nebelglocken läuteten und es Züge gibt, die direkt am Meer entlang fahren. Wobei es inhaltlich in dem Song eher darum geht, dass jemand auf eine weite Reise gegangen ist und einen anderen zurückgelassen hat, was nun die Frage aufwirft: Wie allein fühlt sich diese Person? Ein Song sollte aber für jeden eine eigene Interpretation bieten, ich würde niemals sagen, es geht nur darum und das ist es jetzt auch.