Mit Aluhut und Iro

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Verschwörungstheorien und Punk

Was macht Verschwörungstheorien für Menschen mit subkulturellem Hintergrund interessant? Auch im Punkrock? Vielleicht das Besetzen klassischer Themen des subkulturellen Diskurses: Polizeigewalt, Einschränkung der individuellen Entfaltung und des selbstbestimmten Lebens, ungerechte Vermögensverhältnisse. Aber anstatt Probleme konkret zu benennen und für sein eigenes Handeln Konsequenzen daraus zu ziehen, verallgemeinert der Verschwörungstheoretiker die Missstände – und vereinfacht sie letztendlich dadurch.

Nicht mehr der Einzelne ist verantwortlich für sein Handeln, denn er wird von einer diffusen Machtelite gesteuert. Diese Mächtigen sind entindividualisiert und als Einzelpersonen nicht handlungsfrei. Um mal zwei Gegenbeispiele zu nennen: Wenn Jello Biafra sich in „California über alles“ über den Machtwahn von Jerry Brown lustig macht, kritisiert er eine konkrete Person und ihr individuelles Handeln. Wenn GOOD RIDDANCE ein Album nach einer verdeckten und später dokumentierten paramilitärischen Aktion der CIA „Operation Phoenix“ nennen, kritisieren sie das Handeln einer bestimmten staatlichen Behörde auf der Grundlage von Fakten. Diese Kritik ist weder diffus noch kollektiviert. Diffus und kollektiviert argumentieren jedoch Verschwörungstheoretiker – auch im Punkrock.

Punk bedeutet für mich, wach zu sein, sich und andere infrage zu stellen, Widersprüche zu erkennen und aushalten zu können, Missstände zu benennen und zu versuchen, etwas verbessern. Das ist aufwendig und manchmal frustrierend, da man als kleines Individuum einer Masse von Problemen gegenübersteht. Ist das der Fall, kann man sich entweder resigniert zurückziehen oder sich seine Handlungsnischen suchen. Oder aber das große Unüberschaubare zu einem kleinen Übersichtlichen machen, eine Vielzahl an Akteuren und Problemen auf eine homogene Gruppe reduzieren und diese als Feinbild etikettieren und sie als Ursache allen Übels benennen. Fertig ist die Verschwörungstheorie. Wichtig: Der Feind ist perfekt organisiert und konspirativ. Dennoch: Er macht zwischendurch auch Fehler, durch die er sich verrät – und deshalb kennen Verschwörungstheoretiker ihn dann doch genau. Als Anhänger einer Verschwörungstheorie muss man nur die Fähigkeit zur Selbstkritik ausschalten. Man selbst hat immer recht. Das bestätigt man sich innerhalb der Community Gleichgesinnter immer wieder, damit das Welt- und Feindbild intakt bleibt. Das funktioniert sowohl einzelstaatlich, wie in Deutschland mit den sogenannten Reichsbürgern, als auch über die Grenzen hinweg mit „Chemtrails“, „Reptiloiden“ oder aktuell der „gezielten Unterwanderung europäischer Gesellschaften durch Zuwanderung aus arabischen Staaten“ im Zuge der Flüchtlingsbewegungen.

Die Urväter aller Verschwörungstheoretiker aber sind die „Illuminaten“ und deren angestrebte und im Verborgenen umgesetzte sogenannte New World Order (NWO), die Neue Weltordnung, an die man nach dem Baukastenprinzip andere Verdächtige andocken kann: Rockefellers, Rothschilds, Bilderberger, Skull and Bones etc. Sie alle eint das Ziel, die Schwachen zu versklaven und die Starken zu vernichten. Und wichtig: Es gibt keine weltgeschichtlichen Zufälle, alles ist geplant und alle machen mit!

Obschon populärwissenschaftlich und popkulturell ausgeschlachtet, scheinen die Illuminaten ihren Reiz für viele Leute nicht zu verlieren. Die Soul-Legende Curtis Mayfield benennt 1996 sein letztes Album und den Titeltrack nach der NWO und vermischt, ähnlich wie Aimee Allen von den INTERRUPTERS ein Jahrzehnt später, dystopische Fantasien mit fundamentalchristlichen Visionen.

„Operation influx and it’s on the way
We’ve just marched a million plus the other day
Look we all witnessed the sweat rolling down Ms Liberty’s head
She knows the sleeping giant is no longer sleeping dead
Oh, what a fulfillment of prophecy
Let us teach the children freedom’s
never been free
It’s okay to cry, go ahead and cry
’Cause Jesus wept but hope and faith he kept / It’s a new day
A new world order, a brand new day
A change of mind for the human race“
Curtis Mayfield „New World Order“ (1996)


Hierzulande ist der Deutschrapper Kollegah popkulturell mit dem Thema sehr präsent. Sein Track ,,NWO“ hat im Netz zum jetzigen Zeitpunkt über vier Millionen Clicks und damit eine enorme mediale Reichweite. Im Interview erklärt er auch tatsächlich, dass nicht näher benannte Strippenzieher aus der jugendverderbenden (sic!) Musikbranche 2014 zeitgleich mit seinem damaligen Release ein-Best-Of-Album von Michael Jackson veröffentlichten, um zu verhindern, dass das Kollegah-Album auf Platz eins der deutschen Charts kommt. Quasi als Akt des Widerstands ruft er in diesem Zusammenhang dabei via YouTube zum Kauf seines Albums auf.

(youtube.com/watch?v=IodkrPWt7p8 16.08. 2016)

Wie geht man mit Inhalten um, die komplexe Politik derart vereinfachen und einzelfallgerichteter Kritik entbehren, diese aber für sich proklamieren? Ignorieren? Sucht man die inhaltliche Auseinandersetzung? Wenn ja, mit wem? Und auf welcher Grundlage? Wie tragen die betreffenden Akteure diese Thematik in die Szene hinein? Im Falle von Bands über Songtexte und Interviews. Es geht mir nicht um das Anprangern oder Verunglimpfen von Bands. Die folgenden Beispiele sind eine exemplarische Auswahl mir gewissermaßen vor die Füße gefallener Texte von Bands, die mich mehr als mein halbes Leben begleiten, nämlich DISCHARGE und RANCID, oder die ich seit ihrer Gründung begeistert verfolge wie die INTERRUPTERS. Aber gerade deshalb ist es mir ein Anliegen zu verstehen, was hinter einigen Äußerungen steckt.

„Teach the children and disciples
to wage a brand of war
Religious and prestigious keep the quest for the holy grail
The eye atop the pyramid is open and awake
The pagans own the rituals and the quiet world begins to say
The vision is a new world order
Come along and tell your sister and your brother
The force of war, dynamite blast, writhes on the weak and the poor
Don’t wanna see my brother in pain When the little man fighting all big mens’ wars / Don’t know nothing ’bout no red, white and blue Little men bring the big man too
Too many win, nobody lose, it all comes down to what will they choose
The conscience of the public can not be put to sleep
The conglomerate of the nations has no bounds in which they seek
Was it the mob tellin’ the CIA to put us all in this state of fear
How many of us wish we were at Jeff Kennedy’s hearing say“
RANCID „Life won’t wait“ (1998)


„Life won’t wait“ ist das Titelstück des ,,... And Out Come The Wolves“-Nachfolgers. Zeitlich und inhaltlich ist es deshalb interessant, da ein Großteil der Verfechter der NWO die heiße Phase zu deren Umsetzung von der Legislaturperiode George Bushs (ab 1989) über Bill Clinton und George W. Bush, Obama bis Hillary Clinton verorten, wobei diese deren Weltbild entsprechend unter Hillary abgeschlossen werden soll. Der Begriff New World Order stammt auch ursprünglich aus einer Rede von George Bush (siehe: de.wikipedia.org/wiki/Neue_Weltordnung).

Eine anderer Erklärungsansatz verortet den Beginn der NWO bereits Mitte des 18. Jahrhunderts im Zuge der Nationalstaatenbildung. Einig ist man sich über den Zweck, Nationalstaaten aufzulösen („The conglomerate of the nations has no bounds in which they seek“), eine Weltregierung unter amerikanischer Führung einzusetzen, das einfache Volk dazu zu entwaffnen, zu dezimieren, gefügig zu machen oder wahlweise zu vernichten. Geplant von einer diffusen Elite („They“) und den hier mittels ihres klassischen Erkennungszeichens, dem Pyramidenauge, angeführten Illuminaten („The eye atop the pyramid is open and awake“), umgesetzt in einem gleichgeschalteten Bildungssystem („Teach the children and disciples to wage a brand of war“) und mit einem gefügigen Militär („The force of war, dynamite blast, writhes on the weak and the poor“) und dem Geheimdienst („Was it the mob tellin’ the CIA to put us all in this state of fear“), welche den ,,kleinen Mann” unterdrücken und ausnutzen („When the little man fighting all big men’s wars“). Damit ist die Theorie der NWO grob umrissen, kann aber noch konkreter werden, denn perfide Pläne aus Sicht der Verschwörungstheoretiker gibt es noch mehr.

„FEMA concentration camps waiting for you
It’s happening now
New World Order gonna profit from death
Don’t want a life under the New World Order
Drones in the sky watching everything you do
It’s happening now
Killing off the poor, the disabled and old
It’s happening now“
DISCHARGE ,,New World Order“ (2015)


In Ox #127 spricht DISCHARGE-Sänger JJ davon, dass das neue Album schwer von der NWO-Thematik beeinflusst ist. Er benennt „Verschwörungstheorien“ dabei allerdings in „Wahrheitstheorien“ um. Die Federal Emergency Management Agency (FEMA) koordiniert in den USA Hilfsmaßnahmen bei Umweltkatastrophen und Ausnahmezuständen. NWO-Anhänger befürchten, dass im Falle eines fingierten Terroranschlags – wie aus deren Sicht der 11. September 2001 einer war – die korrupte Regierung das Kriegsrecht ausruft, die Verfassung außer Kraft setzt und Widerständler in FEMA-Camps kaserniert, in denen mehrere Millionen Menschen Platz finden. Stichwort „Truther“: Diese halten 9/11 für von der Regierung respektive dem Geheimdienst inszeniert und sprechen von einem sogenannten Inside Job zur Legitimierung kriegerischer Einsätze im Ausland und Beschneidung der Bürgerrechte im Inland. Hier wird auch öfters eine Parallele zu den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten gezogen. Generell sitzt der Nazivergleich bei NWO-Anhängern locker. Neben den „concentration camps“ gibt es bei DISCHARGE einen weiteren konstruierten Bezug zum Faschismus mit der Vernichtung unproduktiven Lebens der „poor disabled and old“. Aktuell ist hier der Hinweis auf die Totalüberwachung mittels Dronen („Drones in the sky watching everything you do“). Offenbar ein neuer Lieblingstopos der Truther.

Beide Beispiele haben einen deutlichen Bezug zur NWO, jedoch sind die Mitglieder beider Bands meiner Kenntnis nach nicht direkt mit politischen Aktionen in Erscheinung getreten. Beides ist bei der Frontfrau der INTERRUPTERS, Aimee Allen, anders. Sie tritt als Solokünstlerin seit 2008 im Rahmen verschwörungstheoretischer und Tea Party-affiner Kreise mehr oder minder deutlich politisch in Erscheinung, seit einigen Jahren mit der Ska/2Tone/Punk-Formation INTERRUPTERS, die 2016 ihr zweites Album auf Hellcat Records veröffentlicht hat, also auf dem Label von Tim Armstrong von RANCID.

Allen ist Unterstützerin des US Politikers Ron Paul und erklärte Gegnerin der sogenannten NWO. Ein Vorläufer der Tea-Party-Bewegung ist Pauls „Campaign for Liberty“. Ron Paul war zweifacher Präsidentschaftskandidatenanwärter der Republikaner 2008 und 2012, brach seine Kampagnen wegen mangelnder Aussichten aber vorzeitig ab. Er ist kompromissloser Verfechter des Rechts, Waffen zu tragen, und nimmt nach eigenen Aussagen Weisungen allein von Gott entgegen. Ähnlich wie Trump bezeichnet er alle wichtigen Funktionsträger der Republikaner als gescheiterte marionettenhafte Elite, von den Demokraten ganz zu schweigen. Das öffentliche Schulsystem will er durch Homeschooling ersetzen, um die Jugend sicher vor Gehirnwäsche und von der Bürde der political correctness befreit aufwachsen zu lassen. Er ist gegen die Homoehe, Abtreibungsgegner, kritisiert die Krankenversicherungsprogramme Medicare und Medicaid und vertritt außenpolitisch den Isolationismus. Hierzulande ist das vergleichbar mit Kernthesen der AfD. Aimee Allen schrieb 2008 eigens einen Wahlkampfsong für Ron Paul mit mehreren Hinweisen auf eine drohende NWO und bekam damit Airplay auf MTV.

„We don’t want no war no more
Bring our boys home to our shores
We don’t want big government
Or the Bilderberg Group that pays for it
The Federal ID means a police state
And Mr. Jefferson’s rollin’ in his grave
When our names turn to numbers like 666
Accordin’ to the gospel on implantable chips“
Aimee Allen, ,,Ron Paul“ (2008)


Altbewährte NWO-Klassiker treffen auf Neues: Das von der Bilderberg Group initiierte „big government“ schwächt die Souveränität des Nationalstaates, Sozialversicherungsnummern führen zum Polizeistaat, der wiederum perfektioniert seine Überwachungsgier durch Chip-Implantate. Abgesehen von diesem Best-of-Dystopia ist der religiöse Kontext mit der explizit genannten Number of the Beast und dem Gospelbezug interessant. Denn wie Ron Paul sieht sich Aimee Allen nach eigener Aussage neben einer politischen auch auf einer spirituellen Mission. Eine Art Jeanne d’Arc der Verschwörungstheorie. Gott redet mit ihr!

„I feel it, feel it, coming on like a song, want to sing it
I feel it, I feel it
When God talks to me
When God walks with me, and God talks to me,
and I don’t think they understand“
Aimee Allen ,,God talks“ (2009)


Im Interview mit Infowars/Prison Planet, einem der deutschsprachigen Verschwörungsplattform Infokrieg ähnlichen Internet- und Radioformat, sagte sie 2009 Folgendes: „This is not a political battle. It is to an extend, but my whole point of the blog was that it’s a spiritual battle and the only way to win a spiritual battle is with love. And we’re really fighting in my opinion the devil himself. Barack Obama is a puppet [...] if you just look at the big picture and zoom out a little bit, the big picture is, I believe, is the devil himself. [...] And to beat this is my mission with my music.“

(Quelle: youtube.com/watch?v=NKohFly-QYE ab Minute 5:30, 15.08.2016)

Bei näherem Betrachten ist laut Allen hier die NWO eine von Satan persönlich durchgeführte Veranstaltung. Aber da dieser christliche Schnulzen mehr fürchtet als das Weihwasser, kann der Kampf noch gewonnen werden – von Aimee. Im gleichen vierteiligen Interview mit Jason Bermas spricht sie ebenfalls davon, dass Menschen wahrscheinlich gegen ihren Willen gechippt und unter Drogen gesetzt werden, wovon sie nach einem Anruf bei einem Seelsorgetelefon für Suizidgefährdete (sic!) selbst betroffen war, nachdem man sie aufgrund von urlaubsbedingtem Ärztemangel fünf Tage in einer Klinik untergebracht und mit Medikamenten ruhiggestellt hat. Diese Vorgehensweise verallgemeinert sie als typisch, um Menschen in das System zu integrieren, beschreibt aber nicht näher, welchem Zweck das dienen soll und um welches System es sich eigentlich handelt.

Die treibende Kraft hinter Infowars/Prison Planet ist Alex Jones, der in bester Ken FM-Manier krude gesampleten Verschwörungsmischmasch verquirlt und sich als investigatives Mastermind feiert. Auch hier gibt es ein sechsteiliges Interview von 2009, in dem Aimee Allen indirekt die CIA für einen Gang-Überfall auf sich verantwortlich macht, bei dem sie schwer verletzt wurde (youtube.com/watch?v=QYHffftNIc0 15.08.2016). Dabei widerspricht sie der Aussage von Jones nicht, dass die CIA Gangs kontrolliere und zum Zwecke der Abschreckung auf der Straße gegen andere einsetze. Hier drängt sich auch wieder die Parallele zu deutschen Verschwörungstheoretikern und den „bezahlten Antifa-Schlägern“ der „rot-grün-versifften“ Bundesregierung auf. Im Folgenden stellt sie sich als patriotisches, christliches Mädchen aus Montana dar, sieht einem von der Regierung inszenierten Ausnahmezustand entgegen, stellt Nazivergleiche an, indem sie die CIA als „Nazi Germany with different clothes“ bezeichnet, die Medien in „mainstream“ und „true“ unterteilt (Lügenpresse!), beklagt, dass man als Regierungskritikerin gleich als Terroristin abgestempelt wird (Nazikeule, „Das wird man wohl noch sagen dürfen!“), und wie Ziehvater Ron Paul die Waffenkultur der USA verteidigt, das öffentliche Schulsystem verteufelt (Interviewer Alex Jones bezeichnet Lehrer hier als „brainwashing parasites“) und davon ausgeht, dass die Regierung sie töten möchte. Opferrolle in Perfektion! Selbst eigene Widersprüche werden argumentativ eingebaut. Einerseits spricht sie von einer totalen Gleichschaltung von Polizei, Geheimdienst etc. Andererseits will sie viele Gespräche mit Polizisten und einige mit CIA-Mitarbeitern geführt haben, die sich als Gegner der NWO zu erkennen geben und auf ihrer Seite stehen.

Was hat das nun mit den von mir musikalisch sehr geschätzten INTERRUPTERS zu tun? Wie oben gesagt, nehmen die INTERRUPTERS-Texte keinen direkten Bezug auf die NWO, indirekt aber wohl, wenn man ins Detail geht.

„Whatcha gonna do
When they show up in black suits
On your street in army boots
And they’re there to silence you
Whatcha gonna say
When they strip your rights away
And the taxman makes you pay
For every bead of sweat you bled today
Who you gonna trust
When the judge is so unjust
And the jury must discuss
Said you don’t look like one of us“
INTERRUPTERS ,,Take back the power“ (2014)


Hier werden Geheimdienstklischees bedient („black suits“), der militärische Ausnahmezustand wird heraufbeschworen („On our streets with army boots“) und die Judikative als voreingenommen und ungerecht angeprangert („the judge is so unjust“). Typisch auch hier wieder das verallgemeinerte und dichotome Weltbild von „us“ und „them“, die Trennlinie verläuft scharf, die Fronten sind geklärt. Aber es geht noch deutlicher.

„Drones in the sky
Government lies
Keeping an eye out
Tell me why they violate rights
Blue and red lights
Billyclub fights on my street at night
Where did my liberty go?
Now they’re taking over
and they got complete control /
Poverty’s high, Barely get by
They want you to suffer before you die
There’s no movin’ up
Too many mouths to feed
Take all they want from the ones who need
Better quiet down
Don’t speak your mind
Nod your head like everything’s fine
Don’t verbalize it
Cause if they hear you
They’ll hunt you down and
disappear you
They took it away, they got complete control“ –
INTERRUPTERS, ,,Liberty“ (2014)


Dronen, physische Gewalt, Einschüchterung, Menschen verelenden oder verschwinden, sadistische Staatsgewalt („They want you to suffer before you die“), eine diffuse verallgemeinerte und omnipotente Macht („They“) steht dem hilflosen aber rechtschaffenen Individuum („you“) gegenüber. Alles wie gehabt. Auch auf dem neuen Album „Say It Out Loud“ werden diese Klischees und Stereotypen wieder in etlichen Varianten bedient, etwa in den Stücken „Babylon“ (Machtelite), „Prosecutor“ (gleichgeschaltete Justiz), „Control“ (Überwachung und Gehirnwäsche) und „Media sensation“ (Lügenpresse), von daher ergibt sich augenscheinlich eine inhaltliche Kontinuität. Im Interview zum aktuellen Album der INTERRUPTERS nimmt Gitarrist Kevin Bivona Stellung zu dieser Thematik. Sängerin Aimee war zu einem Interview trotz Zusage des Labels nicht bereit.

Natürlich ist dieses Schwarzweißmalen generell typisch für selbstreflexive Texte, auch im Punk. Hier geht es aber um das Gesamtbild einer Mixtur aus christlich-fundamentalistischer und politischer Endzeitsehnsucht, die sämtliche Klischees und Archetypen moderner Verschwörungstheorien abbildet und in eine Subkultur trägt, die sich eigentlich von einfachen Weltbildern, Stereotypen und Dogmen lossagt. Verschwörungstheorien im Punk sind somit ein reiner Etikettenschwindel. Erzkonservatives wird umetikettiert zu Revolutionärem. Soziale Gerechtigkeit für den „kleinen Mann“ wird zur kleinen Durchblicker- und Wissenselite, die anderen die Augen öffnet. Offenheit für neue Ideen wird zur Bedrohung des eigenen starren und abgeschlossenen Weltbildes.

Natürlich muss man politisch wachsam sein und kontroverse Debatten einfordern. Um mal ein paar positive Beispiele zu nennen: Wenn BND-Chef Maaßen die Onlineplattform netzpolitik.org wegen Landesverrats anzeigt, muss darüber eine Diskussion entstehen, wie man die Pressefreiheit im digitalen Zeitalter im Allgemeinen und das Whistleblowing im Speziellen verteidigen kann/soll/muss. Wenn Dronen zu Kriegszwecken eingesetzt werden, muss darüber diskutiert werden, wie das den moralischen Kompass verändert und welche neuen Gefahren das auch in der (asymmetrischen) Kriegsführung bringt. Wenn der Deutsche Bundestag undokumentierte Hausausweise für Lobbyisten ausgibt, muss mehr Transparenz gefordert werden. Politik wird von Menschen gemacht, die entscheidungs- und entwicklungsfähig sind. Nicht von geheimen Mächten oder dem großen Wumbatumba.