MIDDLE CLASS RUT

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Vom gemeinsamen Produkt einer langjährigen Freundschaft

Es gibt nur wenige Bands, die mich direkt beim ersten Kontakt schon dermaßen begeistern, dass ich eine angekündigte Plattenveröffentlichung kaum erwarten kann. Was MIDDLE CLASS RUT als Duo produzieren, bezeichne ich als moderne Rockmusik. Zwar gibt es die Gitarre/Schlagzeug-Konstellation mittlerweile immer häufiger, allerdings habe ich noch keine Formation erlebt, die dermaßen energisch zur Sache geht und mich vor allem live so restlos überzeugen konnte. Fast zwei Jahre später als angekündigt, ist nun Anfang 2011 endlich das erste Album des Alternative-Rock-Duos aus Sacramento, Kalifornien erschienen: „No Name No Color“ (Bright Antenna). Nach zwei EPs und zwei Singles erfüllte sich nun für Gitarrist Zack Lopez und Schlagzeuger Sean Stockham der Traum vom ersten gemeinsamen Longplayer. Doch die beiden waren in der Zwischenzeit nicht untätig, supporteten sie doch SOCIAL DISTORTION, ALICE IN CHAINS oder THEM CROOKED VULTURES auf ihren US-Tourneen. Aber das Warten hat sich gelohnt. Über ihre deutsche Agentur nahm ich Kontakt mit Sean Stockham auf, um euch über die Hintergründe von „No Name No Color“ zu informieren.

Nun hat sich das Plattenrelease von „No Name No Color“ doch noch um einige Zeit verzögert und ihr habt es seit Februar 2009 auch nicht mehr, wie eigentlich geplant, nach Deutschland geschafft. Was ist in der Zwischenzeit bei euch passiert?

Da sagst du was. Rechne ich die Jahre 2000 bis 2003 mit, in denen ich bereits mit Zack bei LEISURE gespielt habe, haben wir jetzt zehn Jahre lang auf diesen Tag warten müssen, an dem nun endlich ein komplettes Album erscheint. Aus irgendeinen Grund verzögert sich eine Veröffentlichung umso mehr, je mehr Leute an der Platte arbeiten, und je näher man dem angestrebten Termin kommt. Während des Feinschliffs der Aufnahmen waren wir auch sehr viel auf Tour, das jedoch meistens in den Staaten.

Erstaunt war ich, dass ihr auch bereits veröffentlichte Stücke, unter anderem der Singletrack „Busy bein’ born“ ein weiteres Mal verwendet habt. Das wäre doch angesichts der großartigen neuen Stücke gar nicht notwendig gewesen.

Wir glauben einfach nicht, dass die EPs und Singles diese Menge an Menschen erreicht haben, die die Stücke eigentlich verdient hätten. Sie hatten ihre Berechtigung, aber dieses Album fühlt sich für uns an wie unser allererstes Plattenrelease, und ein Song wie „Busy bein’ born“ ist zu wichtig für uns, um es aus unserem ersten Langspieler wegzulassen.

Im Booklet fehlen die Lyrics ...

Ich kann dir zu den Texten nur sagen, wie ich darüber denke und was sie mir bedeuten. Viel wichtiger aber ist doch, was sie dir oder jedem anderen Zuhörer bedeuten. Zugegeben, im Nachhinein mag das Weglassen der Texte vielleicht unklug gewesen sein, aber es wird zeitnah zur Veröffentlichung der Platte ein Buch mit allen Texten darin geben. Im Allgemeinen reflektieren unsere Texte unmittelbar unsere ganz alltäglichen Gefühle.

Inwieweit bist du als Schlagzeuger am Songwriting beteiligt und wie groß ist dein gesanglicher Anteil auf „No Name No Color“?

Als Leadsänger trete ich hier nur bei ein paar Songs in Erscheinung. Wo ich singe, habe ich wahrscheinlich auch die Texte geschrieben. Genauso ist das bei Zack. Der größte Unterschied zwischen MC RUT und anderen Bands, bei denen wir vorher aktiv waren, ist die Bedeutung von Wörtern und deren Melodieläufen. Oft wird erst die Musik eines Stücks fertig geschrieben, zu der man dann einen Text verfasst. Hier ist es eher andersrum, die Musik ist nur als Unterstützung für das Gesagte da. Auf der Bühne bin ich in erster Linie Schlagzeuger, der gelegentlich singt. Abseits der Bühne bin ich einfach ein Musiker, und habe ich eine Idee, dann nehme ich mir eine Gitarre und schreibe ein Stück. Ich spiele Schlagzeug, Gitarre und auch mal Bass, wenn es sein muss.

Der Sound von „No Name No Color“ erinnert mich an eine Mischung aus Alternative Rock der Neunziger und einer Prise 80er-Jahre-Hardrock/Heavy Metal. Gibt es da eurerseits Berührungspunkte?

Sicher weniger Achtziger-Metal als Neunziger-Alternative. Da wir in den Neunzigern aufgewachsen sind, stammen auch dementsprechend unsere musikalischen Einflüsse von Leuten und Musikern aus dieser Zeit. Bands wie NIRVANA, RAGE, TOOL, JANE’S ADDICTION oder weniger bekannte wie QUICKSAND, FAILURE und BARKMARKET kommen mir da in den Sinn.

Wie könnt ihr diese fette Produktion zu zweit live umsetzen?

Gute Frage. Uns ist noch nicht ganz klar, wie wir das machen wollen. Wir möchten so lange wie möglich ein Duo bleiben, aber man stößt schon an seine Grenzen. Zum Glück werden derzeit von uns nur 30-minütige Slots von sechs oder sieben Liedern erwartet. Also spielen wir eher diejenigen Stücke, die nicht so viele einzelne Spuren haben, also eher geradlinige Rocktunes. Gelegentlich läuft an der einen oder anderen Stelle ein Sampler für spezielle Sounds, bei „New low“ gibt es auch einmal einen ganzen „musikalischen Teppich“. Vielleicht kommen auf der Bühne irgendwann ein oder zwei Musiker hinzu oder wir helfen uns mit noch mehr Elektronik.

Wann kommt ihr wieder nach Deutschland?

Da ist noch nichts geplant. Im Laufe des Jahres werden wir sehen, wohin sich das alles noch entwickelt.

Letzte Frage: Was hat dich geritten, dir „For sale“ auf die Brust tätowieren zu lassen?

Ehrlich gesagt, kann ich dir keinen plausiblen Grund dafür liefern, was mich dazu getrieben hat, aus welchem Gefühl heraus das vor acht Jahren kam. Als Musiker oder Band ist es heutzutage fast unmöglich, sich nicht als eine Art Ware zu sehen. Früher hast du eine tolle Platte gemacht und dieses Album war das wichtigste Produkt. Heute ist die Platte nur eines von zwanzig anderen Dingen, die man von einer Band ganz automatisch erwartet, angefangen bei T-Shirts, Geldbörsen, Armbändern, Klingeltönen, Werbung schalten, Lizenzierung, Verwertung von Nebenrechten, Lagerhaltung ... Evolution ist ein fahrender Zug – entweder du springst auf oder bleibst zurück.