THE MEFFS aus Colchester in Essex sind ein Punkrock-Duo, das durch seine energiegeladenen Live-Shows auf sich aufmerksam gemacht hat. Nur mit Gitarre und Schlagzeug bewaffnet, lassen Lily Hopkins und Lewis Copsey so manche Band, die aus vier oder mehr Musiker:innen besteht, alt aussehen. Ihre Songs sind politisch motiviert und ihre unglaubliche Bühnenpräsenz sorgt dafür, dass das Publikum sich nur zu gern von dieser Band mitreißen lässt. Kein Wunder also, dass kein Geringerer als Frank Turner das Debüt seiner Nachbarn in Essex produziert hat. Auf der Deutschlandtour im Februar standen THE MEFFS dem Ox vor ihrem Gig in Leipzig gern Rede und Antwort.
Kanntet ihr euch schon, bevor ihr die Band gegründet habt?
Lewis: Ja schon, aber eigentlich nur flüchtig vom Sehen her. Lily war manchmal zu Gast in dem Pub, in dem ich gearbeitet habe, und da haben wir uns regelmäßig „Hallo“ gesagt. Lily spielte damals auch noch in einer anderen Band.
Lily: Genau, ich war damals noch in einem anderen Duo. Ich bin in zwischenmenschlichen Dingen nicht so gut, also sind zwei Menschen in einer Band für mich das absolute Maximum. Aber das befand sich damals schon am Rande der Auflösung, weil mein Schlagzeuger nicht auf Tour gehen wollte und die Sache nicht richtig ernst nahm. Ich kannte Lewis eben aus dem Pub, wo er jobbte, und hatte irgendwo mal ein Foto von ihm gesehen, auf dem er ein elektrisches Schlagzeug spielt.
Lewis: Lily hat mir dann eine Nachricht geschickt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihr ein Projekt zu starten, und schrieb, ihre Einflüsse wären SHAM 69, SLAVES, späte SOFT PLAY, X-RAY SPEX und einige andere, die auch zu meinen absoluten Lieblingsbands gehören. Also habe ich ihr geantwortet, wir sollten es unbedingt zusammen versuchen. Wir hatten auch gleich einen guten Start, weil Lily noch einige Songs auf Lager hatte.
Lily: Ja, ich hatte tatsächlich einen Vorrat an Stücken, die ich eigentlich für meine erste Band geschrieben hatte. Aber ich hatte schon so ein Gefühl, dass die sich bald auflösen würde, und habe diese Song bewusst aufgehoben. „What do you expect?“ zum Beispiel habe ich auch schon früher gespielt, aber bei THE MEFFS hat er einen neuen Text und einen neuen Refrain bekommen. Wir hatten dieses Lied vorher einmal gespielt, auf unserem allerletzten Konzert, und mein Vater sagte damals: „Das ist der Song!“ Da war ich total glücklich, dass ich den schon für die neue Band parat hatte.
Lewis: Die ersten drei Songs, die wir jemals aufgenommen haben, waren „Your English is great“, „What do you expect?“ und „Budget luxury“ und wir hatten im Studio eine Stunde Zeit, um die Tracks für unser Demo fertig zu schreiben und aufzunehmen.
Hattet ihr den Plan, als Vollzeitband durchzustarten schon, als ihr angefangen habt zusammen zu spielen?
Lily: Ja, das war und ist ist unser Traum. Irgendwann kommst du an den Punkt, an dem es um alles oder nichts geht. Das ist so ein „Jetzt oder nie“-Ding. Du willst es unbedingt versuchen oder eben nicht. Ich bin so ein extremer Charakter, wenn diese Band nicht permanent touren kann, würde ich wahrscheinlich überhaupt keine Musik mehr machen. Auf Tour zu sein bedeutet nicht, immer in großen Läden zu spielen, sondern sich auf jeden kleinen Gig am Wochenende zu freuen, weil es das ist, was du unbedingt machen möchtest. Einfach in der Lage zu sein, so viele Shows wie möglich zu spielen und alles so zu nehmen, wie es gerade kommt.
Mit einer Band in Corona-Zeiten durchstarten zu wollen, war bestimmt nicht einfach, oder?
Lily: Oh ja, das war verdammt schwierig. Es konnte ja keiner ahnen, was da auf uns zukam. Wir hatten gerade unser Demo aufgenommen und dann kam der erste Lockdown.
Lewis: Wir hatten unsere Songs und wir wollten unbedingt irgendetwas veröffentlichen, damit die Leute uns hören konnten. Egal, ob die Qualität nun perfekt war oder nicht. Also haben wir 2019 an nur einem Tag unsere Demo-CD aufgenommen, und als wir gerade richtig loslegen wollten, kam die Pandemie. Glücklicherweise haben wir zwischen den Lockdowns vier Singles aufnehmen können, zwei davon mit Billy Lunn von THE SUBWAYS, und das hat uns als Band geholfen, den Kopf über Wasser zu halten. Sonst wäre unsere Motivation während der Pandemie wohl den Bach runter gegangen.
Wie seid ihr an Frank Turner als Produzent für euer erstes Album geraten?
Lewis: Frank Turner wohnt tatsächlich bei uns in der Nachbarschaft, aber persönlich kannten wir ihn bis dahin nicht. Wir wussten eben nur, wer er war.
Lily: Er hatte Aufnahmen mit einer befreundeten Band aus unserer Gegend gemacht und die Produktion klang großartig. Also dachten wir uns, wir schreiben ihm einfach eine Mail, und er hat tatsächlich geantwortet. Er fand die Songs gut und wollte die Aufnahmen gerne mit uns machen. Das wirklich Lustige war allerdings, dass er uns ungefähr eine Woche, nachdem wir mit ihm Mail-Kontakt hatten, gleich einen Gig angeboten hat, und so durften wir im September 2021 bei einer seiner „Lost Evenings“-Shows in London mitspielen. Das war der Abend, an dem wir ihn dann tatsächlich das erste Mal getroffen haben.
Wie läuft bei euch als Duo die Arbeit im Tonstudio ab?
Lewis: Unser Demo und die Lockdown-Singles haben wir noch komplett live aufgenommen. Bei „Broken Britain Pt. 1“ haben wir unsere Parts das erste Mal, Stück für Stück, getrennt eingespielt.
Lily: Lewis hat seine Parts zu unseren Guidetracks eingespielt und dann hat er erst einmal Covid bekommen. Ich saß dann für ungefähr eine Woche allein mit Frank Turner im Studio. In der Zeit habe ich die Gitarrenparts eingespielt und wir haben viel Blödsinn gemacht. Als Lewis dann nach Weihnachten wieder zurück war, haben wir noch die Backing Vocals aufgenommen und fertig war das Album. Lustig, wie sich alles so zusammengefügt hat. Insgesamt haben wir wohl sieben oder acht Tage für die Aufnahmen gebraucht. Wir haben auch definitiv keinen Bass aufgenommen, auch wenn viele Leute glauben, dass wir für unseren Sound einen Bass brauchen würden. Aber es ist kein Bass auf dem Album zu hören, das ist alles dieser spezielle Gitarrensound.
Und wie seid ihr an Fat Mike und sein Fat Wreck-Sublabel Bottles To The Ground geraten?
Lewis: Als wir mit den Aufnahmen fertig waren, hatten wir zunächst keinen Plan. Man könnte sagen, wir fühlten uns irgendwie verloren.
Lily: Wir wussten natürlich, dass wir die Songs veröffentlichen wollten, und wir waren große Fans von Fat Wreck, Hellcat und den Bands, die sie veröffentlichen, aber diese Labels waren für uns einfach eine Nummer zu groß. Wie verrückt wäre das denn, wenn wir da mit unseren Songs anklopfen würden: Hallo, wir sind THE MEFFS, wollt ihr nicht unsere Platte herausbringen? Das hätten wir uns nicht getraut. Also hat Frank Turner die Sache für uns in die Hand genommen und die Songs an Fat Mike geschickt. Wie lautete noch gleich seine Antwort?
Lewis: Er hat zurückgeschrieben: „I fucking love your band!“ Seine Antwort kam auch wirklich fast sofort. So nach etwa fünf Minuten. Wir konnten es kaum glauben.
Wer hatte die Idee, zwei 10“s anstatt einer LP zu veröffentlichen?
Lewis: Das kam von Fat Mike. Als wir das erste Mal ein längeres Gespräch mit ihm via Facetime hatten, ging alles sehr schnell. In diesem typischen Fat Mike-Stil überschlugen sich seine Gedanken von Minute zu Minute und er kam mit immer neuen Ideen um die Ecke. Zuerst wollte er zwei oder drei Singles veröffentlichen. Aber innerhalb einer Minute eskalierte das Ganze, und als er hörte, dass wir elf Songs hätten, beschloss er kurzerhand zwei 10“s zu veröffentlichen.
Lily: Das war wirklich eine total verrückte Idee, aber erstaunlicherweise waren die Leute total begeistert von diesem ungewöhnlichen Format. Das Album kam ja für die Tour auch als 12“ heraus, aber die Leute haben auf den Konzerten immer wieder nach den 10“s gefragt.
Seid ihr jetzt das ganze Jahr über auf Tour?
Lily: Ja, wir sind mehr oder weniger permanent auf Tour. Wir spielen eigentlich jeden Monat und haben für dieses Jahr schon so um die einhundert Shows gebucht. Um über die Runden zu kommen und unsere Rechnungen bezahlen zu können, müssen wir viel live spielen. Glücklicherweise gibt es in England und Europa noch viele Städte, in denen wir noch nie gewesen sind.
Lewis: Auf der letzten Tour im November 2023 haben wir in zwanzig Clubs gespielt, die alle eine Kapazität von achtzig bis hundert Leuten hatten. Wir sind auch in England noch nicht so bekannt und deshalb spielen wir natürlich überall, wo man uns sehen will. Wir planen für November eine Tour in Clubs mit Kapazitäten zwischen 350 und 500 Leuten. Wir bemerken schon, dass die Anfragen stetig mehr werden.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Tourleben in England und in Deutschland?
Lewis: Ja, das sind zwei total unterschiedliche Welten. Man kann das nicht miteinander vergleichen.
Lily: Du brauchst dir nur zum Beispiel hier in Leipzig das Umfeld des Clubs anzuschauen. Hier gibt es noch eine wirkliche Untergrundszene. Die Veranstalter dürfen die Show heute Abend nicht öffentlich bewerben und alles läuft über Mundpropaganda. Uns ist das egal, ob wir in einem luxuriösen Hotels oder im Wohnwagen übernachten, aber die Leute hier in Deutschland sind so freundlich und engagiert, dass wir uns einfach wohl fühlen. Die Menschen hier veranstalten Shows und kümmern sich um uns, wie man es sonst kaum irgendwo anders erlebt. Nicht dass wir uns da falsch verstehen, auf Tour zu sein ist überall großartig, aber die Unterschiede schon sehr beträchtlich.
Findet ihr auf Tour noch die Zeit, neue Songs zu schreiben?
Lily: Oh ja, ich schreibe eigentlich ständig, wenn wir im Bus unterwegs sind. Jetzt habe ich das Schreiben aber absichtlich eingestellt. Ich habe, bildlich gesprochen, mein Buch beiseite gelegt, denn sonst würde ich mir manchmal bis spät in die Nacht, wenn wir schon lange im Bett liegen, immer noch irgendwelche Ideen notieren. Entweder schreibe ich Texte auf oder mir fällt eine Melodie ein, und die summe ich dann in mein Handy. Am nächsten Morgen merke ich dann manchmal, wie schrecklich einige Dinge klingen.
Lewis: So sind viele der Songs für das zweite Album entstanden. Aber manchmal treffen wir uns auch einfach im Übungsraum und jammen zusammen, bis irgendetwas Brauchbares dabei herauskommt. Ich spiele eine Beat, der Lily gefällt, dann kommt die Gitarre dazu und so entwickeln sich dann neue Songs ganz von allein. Oder wir proben unsere alten Songs und plötzlich steht da ein neues Riff im Raum, aus dem dann die Idee zu einem neuen Song entsteht.
Lily: Als Duo zu spielen, macht viele Dinge so viel einfacher. Wir haben dieselbe Vision von dem Sound, den wir spielen wollen, und wir machen uns keinen Druck. Wir müssen ja nicht klingen wie die UK SUBS oder andere Helden, egal ob Old- oder Newschool, sondern wir können einfach ausprobieren, wonach uns gerade ist.
Und wann kommt ein neues Album ...?
Lewis: Wahrscheinlich im September oder Oktober, und im Vorfeld werden vier oder fünf Songs veröffentlicht.
Lily: Wir sind schon sehr aufgeregt, weil die Arbeit mit Frank Turner im Studio wieder so viel Spaß gemacht hat. Die Songs sind sehr abwechslungsreich ausgefallen. Manche sind sehr schnell geworden und andere sind wirkliche Riff-Monster. Natürlich sind wir keine Popband, aber es gibt einige schöne Singalongs, die sich direkt im Kopf festsetzen. Einer der Songs heißt „Far right said Fred“ und richtet sich gegen diese neuen rechten Organisationen in England, die über alles und jeden wettern. Egal, ob du schwul oder schwarz bist, diese Idioten sind gegen alle Minderheiten, und davon handelt dieser Song. Ironischerweise ist „Far right said Fred“ wohl unser bisher kommerziellster Track, aber lass dich überraschen. Eine echte Gegen-Nazis-Mitsing-Nummer, könnte man sagen.
Und was geht sonst noch so?
Lewis: Im Mai spielen wir erst einmal bei einigen der NOFX-Abschiedskonzerte in Europa mit, worauf wir uns sehr freuen, und danach dürfen wir noch beim Wilwarin Festival in Norddeutschland auftreten.
Lily: Und wir haben gerade gestern erst erfahren, dass wir 2024 als Toursupport für Alice Cooper spielen können. Auch wenn du uns jetzt für verrückt hältst, aber es ist wirklich wahr.
Lewis: PRIMAL SCREAM werden auf der kommenden Alice Cooper-Tour in England der Hauptsupport sein und wir können als zweite Vorband mit dabei sein. Zuerst ging es nur um zwei Shows in London und dann haben sie uns angeboten, bei der ganzen Tour mitzufahren. Die Mischung ist total irre, aber das konnten wir natürlich nicht ablehnen. Wir wissen auch noch gar nicht, wie es dazu kam. Irgendjemand aus dem Umfeld von Alice Cooper muss uns irgendwo live gesehen und dann bei unserer Booking-Agentur angefragt haben.
Lily: 2025 könnte es auch sein, dass wir in den USA auf Tour gehen. Das ist zwar noch nicht spruchreif, aber es wäre ein Traum und es besteht eine gute Chance, dass es klappen könnte.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #173 April/Mai 2024 und Christoph Lampert
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #170 Oktober/November 2023 und Christoph Lampert