Politisch engagierter Punkrock entsteht nicht nur in hiesigen Jugendzentren oder in Übersee. Ein Blick über den Ärmelkanal und man findet neben einer Menge belanglosem Indie auch mal echte Perlen, wie MAX RAPTOR. Wie man dort (politisch) denkt? Sänger Wil Ray gibt Antwort.
Ihr seid jetzt zehn Jahre als Band aktiv, aber ich vermute, ihr werdet noch nicht von der Musik leben können. Was macht ihr sonst, um euren Lebensunterhalt zu verdienen?
Nun, wir hatten alle recht bizarre Jobs, vom Heißluftballon-Piloten bis hin zum Tennis-Master-Eventmanager im Mittleren Osten. Wir suchen eigentlich alles, was flexibel und interessant genug ist, um uns den nötigen zeitlichen Freiraum zu schaffen. Wir haben alle Teilzeitjobs, zu denen wir nach einer Tour zurückkehren, aber dieses Jahr ist mega ausgelastet und ich glaube, es wird sich in die Richtung entwickeln, dass wir Vollzeit Musik machen.
Vom Sound erinnert mich das neue Album an AGAINST ME! und THE BRONX. Welche Bands haben eurer Meinung nach den größten Einfluss auf eure Musik?
Das sind zwei Bands, die wir alle gern hören. Es gibt eine Menge Musik, die wir individuell mögen. HOT SNAKES, CLOUD NOTHINGS, GHOST, PUP, SINGLE MOTHERS, THE STREETS, DEAFHEAVEN ... Es ist schwer zu sagen, was uns hinsichtlich unseres Sounds beeinflusst. Ich glaube, es ist mehr eine Art Respekt vor der Einstellung und dem Spirit einer Band. Wir haben gerade eine großartige Tour mit SCUZZ TV in Großbritannien hinter uns und waren mit PRESS TO MECO und ALLUSONDRUGS unterwegs – beides krasse, aufstrebende britische Bands.
Und die Texte?
Hinsichtlich der Texte sind wir von Menschen und aktuellen Themen – sozial oder politisch – beeinflusst. Besonders England ist ein großer Einfluss. Es ist ein seltsames Land. Es kann fantastisch sein, hier zu leben, aber immer wieder findest du diese finstere Schattenseite, wegen der du die Leute hasst, die dich umgeben. Oft liebst du die Menschen, aber hasst die Menschheit und es wird noch lange dauern, bis alles wirklich ausbalanciert ist. Darüber schreibe ich.
Was sind die Hauptprobleme, mit denen man sich in England auseinandersetzen muss?
Rassismus ist immer noch ein Riesenthema in Großbritannien. Xenophobie wird regelmäßig von den Massenmedien hochgekocht, um mit der Angst Geld zu verdienen. Dann gibt es noch einen generationsbedingten Rassismus, der an die nächste Generation weitervererbt wurde. Hoffentlich wird das mit einer besseren Moral und einer menschenfreundlichen Erziehung bald ausgerottet sein. Ein anderes große Problem, von denen Frauen in Großbritannien betroffen sind, ist häusliche Gewalt. Auch die gleiche Bezahlung für Frauen ist – obwohl viel darüber gesprochen wurde – immer noch nicht erreicht, es gab da kaum Veränderung. Alles basiert auf einer ignoranten männerdominierten Gesellschaft.
Wie nehmt ihr die Situation hinsichtlich der „Flüchtlingskrise“ wahr?
Charlie Brooker, ein bekannter Satiriker hier, hat es gut zusammengefasst. Zu Beginn der Krise wurden die Flüchtlinge von der Presse als „Wilde“ oder „Tiere“ bezeichnet, womit so eine bizarre Kultur der Angst vor Leuten, die einfach nur Hilfe brauchen, geschaffen wurde. Die Leute konnten ihre Moral einfach so zum Fenster hinauswerfen, um ihr Dorf zu retten. Aber dann das Bild des toten Jungen am Strand, das wir alle gesehen haben – es zeigt vielen, wie vergeblich diese Reisen der Flüchtlinge sind. Das hat die Einstellung vieler Briten verändert, die nun Menschen aus Kriegsgebieten helfen. Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen wankelmütig sind oder dass sie eine generelle Angst vor dem Unbekannten haben ... Es wird sicherlich für Widerstand sorgen, aber es geht darum, das Richtige zu tun, und nicht das Leichteste. Wenn wir jetzt Mauern und Zäune errichten und die Tür vor Leuten, die dem Chaos entkommen sind, zuschlagen, dann werden unsere Probleme in der nächsten Generation größer sein als ihre.
Viele bekanntere europäische Bands haben einen eher unpolitischen Background, wie seht ihr das?
Ich denke, Bands, die unpolitische Indie-Musik spielen, haben einen unpolitischen Hintergrund. Einige Leute haben nicht das Bedürfnis, sich politisch zu engagieren, weil es ihnen so losgelöst vom täglichen Leben erscheint. Das Gefühl habe ich auch, aber ich könnte niemals Songs über Mädchen und Sommertage schreiben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #126 Juni/Juli 2016 und Michael Schramm
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #123 Dezember 2015/Januar 2016 und Michael Schramm
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #125 April/Mai 2016 und Michael Schramm