Es gibt Bands, bei deren Namen man nicht unbedingt zuerst an den Drummer denkt und erst beim zweiten oder dritten Durchlauf einer Platte bemerkt, dass da ein ganz besonderer Vertreter seiner Zunft am Werk ist. So ein Drummer ist Max Hanman, der seit drei Jahren als Motor von WONK UNIT seinen Job eigentlich eher unauffällig verrichtet. Tatsächlich ist sein Schlagzeugstil aber so erfrischend präzise und geradeheraus, dass es eine Freude ist, ihm beim Spielen zuzusehen. Geschwindigkeit und jugendliche Energie zeichnen ihn aus und auch beim Interview im Leipziger Conny Island sprudeln die Antworten nur so aus ihm heraus.
Max, gibt es aus deinen Kindheitstagen Geschichten, dass du schon frühzeitig auf allen Kochtöpfen herumgetrommelt hast?
Mein erstes eigenes Schlagzeug habe ich bekommen, als ich so ungefähr elf Jahre alt war, aber da hatte ich schon vorher für ungefähr ein Jahr Schlagzeugunterricht in der Schule gehabt. Deshalb hatte ich auch bei uns zu Hause Drumsticks herumliegen, und ich erinnere mich gut daran, dass ich auf allen möglichen Dingen herumgetrommelt habe. Da waren sicherlich auch Kochtöpfe dabei und meine meine Eltern waren zunächst nicht sonderlich begeistert. Damals in der Schule konnten wir uns ein Instrument aussuchen, das wir lernen wollten, aber ich kann heute gar nicht mehr sagen, wieso ich mich ausgerechnet für das Schlagzeug entschieden hatte. Ich habe es einfach versucht und habe es dann geliebt.
Kommst du aus einer musikalischen Familie?
Meine Mutter ist nicht musikalisch, aber mein Vater war immer ein großer Musikfan. Er spielte außer ein bisschen Gitarre zwar kein Instrument, aber er hörte alle bekannten Progrock-Bands wie GENESIS, PINK FLOYD, RUSH und später dann härtere Sachen wie BLACK SABBATH, METALLICA und viele andere Metalbands. Mein älterer Bruder fing dann an, Gitarre zu lernen, so dass bei uns zu Hause eigentlich immer irgendwo Musik zu hören war. Die erste Band, von der ich selbst wirklich besessen war, waren dann AC/DC, von denen ich alle CDs und DVDs gekauft habe, die ich in die Finger bekommen konnte. Als Teenager war ich wirklich eher ein Metal-Fan und Punk kam bei mir erst später dazu.
Hast du damals bei Phil Rudd von AC/DC schon genau hingeschaut, was er so spielt?
Ja, so war das wirklich. Das Tolle an AC/DC ist doch, dass sie wirklich nicht die komplizierteste Musik auf der Welt spielen. Aber das ist ähnlich wie beim Punk. Es geht um das Gefühl und darum, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Phil Rudd brauchte also gar keine komplizierten Rhythmen zu spielen, aber er hat einen unverwechselbaren Groove, der die Songs immer perfekt am Laufen hält. Sehr bodenständig, aber immer dem Song untergeordnet.
Haben deine Eltern dir als Kind nahegelegt, ein bestimmtes Instrument zu lernen?
Nein, nie und ich weiß bis heute nicht, was eine Note ist. Wenn die anderen aus der Band sich im Übungsraum darüber unterhalten, dass der nächste Song auf G beginnt, dann bin ich raus. Ich habe keine Ahnung, worüber die sprechen, und bleibe lieber bei meinen Drums.
Wann hast du dein erstes eigenes Schlagzeug bekommen?
Als mein Bruder anfing, Gitarre zu lernen, haben wir beschlossen, dass wir zusammen in einer Band spielen wollten. Er ist nur ein bisschen älter als ich, so dass wir viele Jahre auf die gleiche Schule gingen. Er hatte zu Hause einen Verstärker und hat in seinem Zimmer immer sehr laut geübt. Glücklicherweise hatten wir sehr verständnisvolle Eltern, und als ich mein erstes Schlagzeug bekam, sind sie zu den Nachbarn gegangen und haben ihnen erklärt, dass wir nicht vor zehn Uhr morgens und nach sieben Uhr abends Krach machen dürfen. Das funktionierte auch für zwei Jahre sehr gut und es gab keinen Ärger mit den Nachbarn.
Hast du zu dieser Zeit Unterricht gehabt oder habt ihr nur allein zu Hause geübt?
Ich hatte für ungefähr zwei Jahre in der Schule Unterricht und danach noch ein bisschen bei einem Schlagzeuglehrer außerhalb der Schule, aber um ehrlich zu sein, habe ich nicht lange durchgehalten. Als ich 14 war, haben mein Bruder und ich angefangen, mit Freunden aus unserer Gegend in kleinen Bands zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich mit dem Unterricht aufgehört und seitdem auch keine weiteren Stunden genommen. Ich war damals einfach nicht an Grundlagen wie Paradiddle oder dergleichen interessiert, sondern wollte einfach nur spielen. Aber glücklicherweise hatte ich in den Jahren zuvor schon gelernt, meine Hände und Füße zu koordinieren, so dass ich immerhin den typischen Phil Rudd-Beat draufhatte. Ich habe mir Songs, die ich mochte, einfach genau angehört und dann versucht, sie so gut wie möglich nachzuspielen.
Welche Bands oder Drummer hast du dir zum Üben ausgesucht?
Speziell um Schlagzeugspielen zu lernen, habe ich mir einige Heavy-Metal-Drummer angehört. Von Chris Adler von LAMB OF GOD war ich geradezu begeistert. Das ist zwar eher so technischer Death Metal, aber wie sauber er spielt und welche superschnellen Wirbel er in die Songs einbaut, finde ich großartig. Auch Brann Dailor von MASTODON war für mich ein großes Vorbild.
Wolltest du selbst auch irgendwann einmal ein richtig großes Schlagzeug spielen?
Tatsächlich habe ich mit einem kleinen Schlagzeug in der Grundausstattung angefangen und dann wurde es immer größer und schließlich wieder kleiner. Die Größe des Schlagzeuges hat sich also wellenförmig verändert. Ich hatte bei meinem Set eine normale 22“-Bassdrum und dann wollte ich Doublebass spielen und habe mir eine sehr kleine 16“-Bassdrum dazu gekauft. Die habe ich dann in mein Drumset eingefügt und das sah wirklich total bescheuert aus. Aber wir haben damals halt Metal gespielt und da brauchte ich natürlich ein Schlagzeug mit Doublebass. Das war die Zeit, als ich mit meinem Bruder die erste Band hatte und wir in der Garage eines Freundes Coverversionen von Bands wie AVENGED SEVENFOLD und SLIPKNOT gespielt haben. Als ich später mehr Punk hörte und spielte, ist die zweite Bassdrum schnell wieder verschwunden und insbesondere seit ich bei WONK UNIT bin, macht Doublebass überhaupt keinen Sinn mehr. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich irgendwann wieder ein großes Metal-Set haben werde.
Erinnerst du dich an die ersten Gigs, die du gespielt hast?
Oh ja, sehr gut sogar. Der allererste Auftritt fand in einem Rugby-Club bei uns in der Nähe statt. Mein Bruder war damals 17 und er und seine Kumpels hingen da immer ab, weil sie wussten, dass dort Alkohol auch an Minderjährige ausgeschenkt wird. Da haben sie also einen Gig organisiert, bei dem noch andere Bands aus unserer Schule spielten, und unser ganzer Schuljahrgang war an dem Abend komplett anwesend.
Wie bist du vom Metal zum Punk gekommen?
Ich habe bei uns zu Hause schon Punk gehört, weil mein Vater Platten von den SEX PISTOLS und THE CLASH hatte, aber ich interessierte mich mehr für Metal und habe auch nie aufgehört, Metal zu hören. Als ich älter wurde, hörte ich auch BLACK FLAG, BAD RELIGION, PENNYWISE und THE MISFITS, so typischen amerikanischen Punkrock, der mich wirklich begeisterte, und ließ Heavy Metal erst einmal hinter mir. Ich habe dann für einige Zeit studiert – ohne jedoch meinen Abschluss zu machen – und habe für ungefähr zwei Jahre gar keine Musik gemacht. Ich kam also von der Universität nach Hause und brauchte etwas zu tun. Ich war damals schon ein großer WONK UNIT-Fan und besuchte jede Show, die sie in London gespielt haben. Nach den Shows habe ich mich regelmäßig mit Pwosion, dem Bassisten, und ihrem Sänger Alex unterhalten und so haben wir uns kennen gelernt. 2019 trafen wir uns wieder bei einem ihrer Konzerte und sie waren damals auf der Suche nach einem neuen, dauerhaften Schlagzeuger. Ich war an diesem Abend ziemlich betrunken und habe einfach herausgehauen: „Hey, ich bin auch Drummer, ich kann bei euch Schlagzeug spielen!“ Dann haben sie mich tatsächlich zum Vorspielen eingeladen und jetzt bin ich schon seit drei Jahren der neue WONK UNIT-Drummer.
Hattest du jemals die Idee, Profi zu werden, um von der Musik leben zu können?
Eigentlich wollte ich das immer, aber es ist nichts daraus geworden. Bevor ich auf die Universität gegangen bin, haben wir mit unserer Band immer nur Gigs in der Gegend von London gespielt und waren nie so ausgiebig auf Tour, wie wir das heute mit WONK UNIT sind. Mir wurde damals klar, dass es wohl unrealistisch ist, von der Musik leben zu können. Heute gehen wir sehr viel auf Tour und so trägt die Musik immerhin einen gewissen Teil zu meinem Lebensunterhalt bei.
Arbeitest du gern im Tonstudio?
Oh ja, sehr gern sogar. Insbesondere die Arbeit mit Andy Brook an unserem letzten Album habe ich sehr genossen. Andy ist eine so sanfte Persönlichkeit und verbreitet im Studio eine äußerst angenehme Atmosphäre, so dass die Aufnahmen wirklich Spaß gemacht haben. Für die Zeit im Studio bin ich auch immer sehr gut vorbereitet und mag diese organisierte Herangehensweise an die einzelnen Songs sehr. Alex hat ja die Songs geschrieben und natürlich hatte er auch eine genaue Vorstellung davon, wie ich meine Parts spielen sollte. Ich brauchte den Tracks dann nur noch ein wenig Feinschliff zu verpassen und war eigentlich schnell mit den Drumparts fertig. Wenn man sich im Tonstudio wohl fühlt, macht die Arbeit richtig viel Spaß. Live zu spielen ist natürlich etwas völlig anderes. Die Atmosphäre in einem Club ist fantastisch, wenn die Band und das Publikum interagieren, und du hast auch nicht so viele Versuche für einen Song, wie du brauchst, sondern es zählt nur der Augenblick. Live zu spielen liebe ich also aus ganz anderen Gründen als die Arbeit im Studio.
Hast du neben WONK UNIT noch Zeit für andere musikalische Projekte?
Während des Corona-Lockdowns habe ich mit einem Freund eine neue Band gegründet, in der mein Bruder auch wieder Bass spielt. Da machen wir aber eher Hardcore und die Vocals sind mehr geschrien. Das Ganze ist also viel härter als WONK UNIT und gibt mir Gelegenheit, meine Vorliebe für härtere Musik auszuleben. Ich würde gern noch viel mehr unterschiedliche Musik spielen, denn ich höre zu Hause auch sehr viel verschiedene Musik. Ich mag zum Beispiel 2Tone-Ska sehr und würde auch gerne noch ganz andere Sachen ausprobieren. WONK UNIT haben natürlich oberste Priorität, aber da die anderen beiden Mitglieder meiner Hardcore-Band auch sehr beschäftigt sind, ist das kein Problem und wir treffen uns eben, wenn wir irgendwann Zeit haben.
Übst du ausschließlich mit der Band oder auch für dich allein?
Mit der Band zu proben ist für uns wirklich schwer, weil Alex in Yorkshire, ganz im Norden von England, wohnt und wir uns nicht so häufig sehen können. Wenn wir auf Tour gehen, dann treffen wir uns ein paar Tage vorher und proben sehr intensiv. Ansonsten übe ich ein paar Mal in der Woche für mich allein zu Hause und da ich mittlerweile ein elektrisches Schlagzeug habe, gehe ich auch den Nachbarn nicht mehr auf die Nerven. Dann stecke ich mir die Stöpsel in die Ohren und übe ein paar Nummern aus dem Backkatalog von WONK UNIT. Das sind bestimmt so ungefähr einhundert Songs und Alex hätte natürlich gern, dass wir die alle spielen können. Ich bin schon froh, wenn ich zur Zeit neunzig Titel so spielen kann, dass ich mich dabei wohl fühle. Insbesondere bei den älteren Sachen brauche ich noch etwas länger, bis ich mich da eingearbeitet habe.
Hast du in den vergangenen drei Jahren auf Tour Drummer kennen gelernt, die du besonders magst?
Ja, besonders schätze ich Duncan Redmonds von SNUFF, der ja auch auf dem zweiten WONK UNIT-Album „Trolleys Thank You“ getrommelt hat. Das ist tatsächlich auch gleich das Album der Band, das mir am schwersten fällt. Duncan ist einfach ein unglaublich cooler Typ und ein großartiger Drummer. Letztes Jahr haben wir in England vor den DESCENDENTS gespielt und ich muss sagen, dass ich Bill Stevenson für den absolut besten Drummer im Punk-Bereich halte. Bei der Show habe ich auch sein Equipment genau inspiziert und dann hinter der Bühne gestanden, um ihm beim Spielen zuzusehen.
Wie hat sich dein persönlicher Stil im Laufe der Zeit entwickelt?
Ich hatte ja einige Jahre Doublebass gespielt und bei WONK UNIT spielte ich dann nur noch eine Bassdrum. Da wurde Geschwindigkeit plötzlich sehr wichtig, da ich nur noch ein Fußpedal zur Verfügung hatte. Außerdem musste ich auch das Tempo meiner Handarbeit verbessern, weil viel mehr Wirbel in den Songs erforderlich waren. Wenn du mit zwei Bassdrums spielst, hast du es bei der Armarbeit bequemer, aber bei nur einer Bassdrum muss oben viel mehr passieren. Da musste ich mich doch ziemlich umstellen und der Stil hat sich schon verändert. Ich würde mich eher als Arbeiter hinter dem Schlagzeug beschreiben und bin nicht so sehr der Künstler, der beim Spielen Tricks vorführt. Ich glaube, Alex würde mich auch sofort feuern, wenn ich anfangen würde, irgendwelche Akrobatik mit den Drumsticks zu zeigen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #167 April/Mai 2023 und Christoph Lampert