MASONS ARMS

Foto

Boss-Reggae aus Köln

Die Kölner MASONS ARMS haben sich verändert. Nach ihrem Debüt „Ex-Girlfriends And Broken Hearts“ von 2004 (mit den ersten Songs auf Deutsch) sowie dem Nachfolger von 2012, „Gepackt“, kommt nun mit „Von vorn“ endlich eine neue Scheibe – mit etwas anderen musikalischen Tönen. Wieder besteht sie komplett aus deutschsprachigen Liedern, aber etwas hat sich verändert: Anstatt acht Leuten sind nur noch fünf an Bord, aus dem einfachen Grund, weil die Bläsersektion nicht mehr dabei ist. Stattdessen gibt es Reggae-Boss-Sound mit prominenter Orgel. Wir fragten nach bei Hanno (Gesang und Gitarre), Mike (Bass) und Markus (Orgel).

Die Orgel sticht bei euch diesmal enorm hervor. Mich erinnert das neue Album sehr an einige deutschsprachige Songs von der BUTLERS-Scheibe „Fight Like A Lion“ beziehungsweise an Laurel Aitkens’ frühe Sachen. Purer Zufall?

Markus:
Im Vorfeld der neuen Platte haben wir uns viel mit alter jamaikanischer Musik aus den Sechzigern auseinandergesetzt, um die Songs und den Sound schon vor Beginn der Aufnahmen in die gewünschte Richtung zu bringen. Wir haben viel Jackie Mittoo, THE UPSETTERS oder HARRY J ALLSTARS gehört, aber auch aktuellere Bands wie THE AGGROLITES gehören zu unseren absoluten Vorbildern. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Orgel auch bei unserem Songwriting viel mehr in den Vordergrund gerückt ist. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und wir freuen uns darauf, dass die Platte im Januar 2019 endlich erschienen ist.

Hanno: Nachdem der Sound bei „Gepackt“ eher in Richtung „Modern-Roots“ und einer Prise Pop und Soul ging, spielten wir live schon ab 2013/14 zunehmend neue Songs, die alle früher traditioneller Ska, Reggae und vor allem eben Boss-Reggae waren. Musikalisch gefallen mir natürlich die Sachen der AGGROLITES, aber auch aktueller L.A.-Reggae-Stuff. Ich bin absoluter Fan von Jackie Mittoo und daher auch meine Liebe zu orgeldominierter Musik.

Habt ihr die schnellen Offbeat-Sachen mit den kurzen Bläsereinsätzen einfach auch etwas satt, weil viele so gleich klingen?

Hanno:
Wir haben unseren Sound immer wieder verändert. Unsere alten Songs sind im Laufe der Stilwechsel immer wieder aus den Sets verschwunden, weil wir viele Besetzungswechsel hatten und oft keine wirkliche gemeinsame Linie in der Musik gefunden haben. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Wir haben jetzt eine einheitliche Linie, die gleiche Liebe zur alten Reggaemusik und zum Boss-Reggae und haben dadurch endlich unseren Sound mit dem passenden Line-up kreieren können. Auf diesem Weg hat uns sehr stark Boss van Trigt geholfen, der den ganzen Prozess von Beginn an begleitet hat und uns immer wieder Mut gemacht hat, genau das weiterzuverfolgen, was wir jetzt sind – die erste deutschsprachige Boss-Reggae-Band.

Markus: Es gibt schon lange keinen schnellen Offbeat mehr in unseren Live-Sets. Trotzdem haben unsere Live-Shows, gerade jetzt mit den neuen Songs, nichts an Energie verloren. Wir bekommen da aktuell immer wieder sehr viel positives Feedback. Das ist nach unserer Pause und der Neuausrichtung natürlich toll, dass das so gut angenommen wird.

Im Song „Reisefieber“ von der neuen Scheibe geht es um die Sehnsucht nach schönem Sommerwetter im hiesigen tristen Winter. Nun ist ja die „Heißzeit“ das Wort des Jahres 2018 geworden. Habt ihr dennoch bereits wieder Sehnsucht oder wirkt dieser Jahrhundertsommer noch nach, dass ihr das aktuelle Wetter eher in Kauf nehmen könnt?

Hanno:
Es geht in dem Song weniger um den Klimawandel oder den zu heißen Sommer hier in Deutschland, sondern eher darum, dass ich ein Sommerkind bin, der Winter für mich eine eher ätzende Jahreszeit ist und ich aber im Herzen und im Kopf auch im Winter mit positiver Grundhaltung und Liebe zum Leben hier in Köln durch die Jahreszeit gehe.

Sehr schön finde ich, dass ihr konsequent auf Deutsch singt. „Ihr seid rechts“, heißt es da in „Zeit zu gehen“. Findet dies auch die richtigen Empfänger? Oder ist das nur ein Schulterschluss mit euren Fans beim Gig?

Hanno:
Es ist natürlich richtig, dass die gemeinten Empfänger von solchen Botschaften unsere Musik und diese Zeilen wahrscheinlich nicht hören werden und auch nicht hören wollen. Trotzdem war es mir wichtig, auf die gerade in den letzten Jahren veränderte politische Situation und vor allem die ekelhafte rechte Stimmung bei uns hier einzugehen. Auch wenn die entsprechenden Leute uns nicht hören, soll ich deshalb solche Texte, die mir so sehr am Herzen liegen, nicht schreiben? Ich denke nicht!

Auf Anfrage der Links-Partei kam heraus, dass in Deutschland 470 straffällige Neo-Nazis untergetaucht sind. Ketzerisch gefragt: Helfen dagegen noch Lieder und T-Shirts?

Mike:
Wohl eher nicht. Hier müssen wir wohl hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden ihren Job richtig erledigen. Bei straffälligen Neo-Nazis scheint das Kind aber wohl auch schon in den Brunnen gefallen zu sein. Es gibt aber ja heute immer mehr Menschen, die sich zwar dagegen wehren, in die rechte Ecke gestellt zu werden, obschon sie aber klar rassistische und menschenverachtende Positionen vertreten. Diesen „besorgten Bürgern“, die man ja leider immer häufiger auch im eigenen Umfeld findet, muss man sich entgegenstellen.

Im CD-Booklet bleibt ihr auf den Fotos recht anonym. Wollt ihr damit etwas Geheimnisvolles darstellen?

Markus:
Dazu gab es keine großen Hintergedanken. Nach unserem letzten Fotoshooting haben wir einfach die für uns besten und zum Artwork passendsten Fotos ausgewählt. Es stand nicht im Fokus, anonym zu bleiben, sondern einfach mal fototechnisch und künstlerisch etwas anderes anzubieten, als wir es in der Vergangenheit gemacht haben.

Sehr erfreulich finde ich auch, dass ihr viele Menschen und Bands darin grüßt. Das scheint mir heute offenbar alles andere als selbstverständlich ...

Markus:
Ja, das stimmt. Darauf wurde früher wohl mehr Wert gelegt. Ich fand es beim Zusammenstellen sehr schön, auf die letzten Jahre zurückzublicken und dabei festzustellen, dass man mit sehr, sehr vielen tollen Menschen Kontakt hatte und zusammengearbeitet hat.

Hanno: Wir haben die Band so viele Jahre und konnten mit so vielen Leuten über die Musik und über das Musikmachen Freundschaften knüpfen. Also ist es für uns selbstverständlich, diesen Bands, Menschen, Promotern, Bookern und Freunden für den jahrelangen Support und die Inspiration, die wir auch durch sie bekommen haben, zu danken.

Alte Ska-Bands wie THE SELECTER, THE BEAT oder auch THE SPECIALS touren wieder oder immer noch – eine Art von überbewertetem, teurem Museumsbesuch oder pure Freude?

Mike:
Jeder soll so lange Musik machen, wie er will. 2017 haben wir noch THE SELECTER beim This is Ska-Festival in Roßlau gesehen. Die waren großartig und zeigten keine Spur von Ermüdungserscheinungen. Solange eine Band das Publikum live überzeugt, ist ja ohnehin alles okay. Aber gerade bei manchen älteren Jamaikanern fragt man sich manchmal, warum sie sich das nach all den Jahren noch antun. So ein Tourleben ist ja nicht immer komfortabel. Häufig ist es daher auch keine reine Spielfreude, sondern schiere Geldnot. Anders als in manch anderen Genres haben diese Musiker, die mit ihrer Reggaemusik in den Sechzigern und Siebzigern in Jamaika den Grundstein für unsere Musik gelegt haben, nicht finanziell ausgesorgt. Kürzlich haben wir dafür auch noch eine Charity-Veranstaltung unterstützt, Action Speaks Louder Than Words. Alle Mitwirkenden, Veranstalter, Musiker, Tontechniker etc. verzichteten dabei auf Gage zugunsten der jamaikanischen Musiklegenden.

Im Titelsong „Von vorn“ geht es um den Mut für einen persönlichen Neuanfang. Habt ihr ein Beispiel, wo einer von euch plötzlich einen Break hingelegt hat?

Hanno:
Ich habe in den letzten drei Jahren verschiedene schwierige Situationen in meinem Leben gehabt, die ich unter anderem in den Texten des Albums beschreibe. Durch solche Erfahrungen wird man wirklich geprägt und entwickelt sich immer weiter vorwärts. Der Song „Von vorn“ spricht genau davon, den Mut aufzubringen, sich von alten Dingen zu trennen oder auch trennen zu müssen und die Kraft und Zuversicht, im Leben neue Wege zu gehen. „Wunderbar“ geht textlich in eine ähnliche Richtung – und was braucht man für all das? Kraft, Mut, Selbstsicherheit, Ehrlichkeit zu sich selbst und Freunde.