Machen wir uns nichts vor! Wir alle gehen lieber zu einer Party hin, als dass wir selber eine veranstalten. Der Grund liegt auf der Hand: Letzteres macht nämlich einen Haufen Arbeit, und der Dank, den man erhält, manifestiert sich oft genug in nicht mehr als Erbrochenem auf der Auslegeware. Trotzdem gibt es Leute, die zu den Machern zählen, und das ist gut so.
Die Rede ist hier übrigens nicht von duften Wohnungsfeten - die natürlich auch ihren Reiz haben - sondern von Parties, wie sie Punkrocker (zu solchen spreche ich ja schließlich hier!) feiern, und das sind meistens doch nichts anderes als Punkrock-Konzerte (aber da wird ja zuweilen auch ganz schön gekotzt).
Einen Macher solcher Veranstaltungen wollen wir an dieser Stelle einmal vorstellen. Das tun wir aber nicht nur um dessen Arbeit mal zu würdigen, sondern vielmehr auch deswegen, weil so einer auch ´ne Menge zu erzählen hat. Der Markus Schmauck (oder auch "Joey Staccato", so sein DJ-Name), um den es hier geht, veranstaltet nämlich im "Gleis 22" in Münster nicht nur einen Haufen Konzerte mit wilden Rock´n´Roll-Bands, sondern er gewährt den meisten dieser Bands auch noch Obdach. Daher hat er schon die halbe Punkrock- und Garagewelt bei sich zu Hause gehabt, und daß er dazu auch das ein oder andere lustige Anekdötchen zu erzählen hat, liegt ganz schön nahe, ja sogar auf der Hand! Um ihn deshalb am besten selbst mal zu Wort kommen zu lassen, werde ich diese plappernde Einleitung hier nun abbrechen, und stattdessen die Transkription eines Interviews präsentieren, das der Kollege Norbert Johannknecht und ich (Hallo, ich bin der Stefan!) bei einem Besuch bei Marcus in Münster geführt und auf Tonband aufgenommen haben.
Stefan: Stell dich doch zuerst mal vor und erzähl mal was du eigentlich so machst!
Markus: Ich komme aus einem Dorf 20 km von Münster entfernt, Otmarsbochholt heißt das. Vor 13 Jahren, da war ich zwanzig, bin ich nach Münster gezogen und hab seitdem diverse Sachen gemacht: Ausbildung, Abitur nachgeholt, studiert - und vor einigen Jahren haben wir angefangen im "Gleis 22" Parties zu veranstalten, Punkrock/R´n´R/Garagepunk-Parties. Das war 1993. Wir hatten zuerst nicht die Absicht Konzerte zu veranstalten, da wir aber zu der Zeit Leute aus Oberhausen kennengelernt haben, die sich als die STEVE McQUEENS entpuppten, und mir deren erste 7", die zu der Zeit rauskam, sehr gut gefiel, haben wir versucht die Band der Konzert-Gruppe im "Gleis" ans Herz zu legen. Die STEVE McQUEENS waren aber schwieriger an den Mann zu bringen als Atommüll und deshalb mußten wir das Konzert selbst veranstalten. (Hier gibt´s jetzt ein bißchen Gelache, da einer der Interviewer - ich laß mal im Dunkel wer - selbst bei erwähnter Band spielt.) Es wurde dann sogar ein unerwarteter Erfolg, weil über 100 Leute kamen, von denen allerdings die Hälfte die STEVE McQUEENS zum Kotzen fand, die andere Hälfte aber gut. Es gibt noch heute Leute, die mich auf das Konzert ansprechen und davon schwärmen, wie klasse das war. Uns hat´s auch sehr gut gefallen, und deshalb haben wir nach einer gewissen Pause angefangen, regelmäßig Konzerte zu veranstalten.
Stefan: Kleine Zwischenfrage: Wie würdest du denn deinen Musikgeschmack beschreiben?
Markus: Ich würde mich als R´n´R-Fan bezeichnen. R´n´R heißt für mich die verschiedensten Spielarten, angefangen mit 50er-R´n´R/Rockabilly und R´n´B, dann geht´s weiter mit 60´s-Punk, 70´s-Punkrock und aktuelle Garage- und Punk´n´Roll-Bands.
Norbert: Was kommt denn davon eigentlich am besten bei den Leuten an, wenn du Platten auflegst? Sprechen die auf sowas wie 50´s und 60´s überhaupt an?
Markus: Ich habe beim NASHVILLE PUSSY-Auftritt - das war keine Veranstaltung von uns - als DJ fungiert, und da war ja nun wirklich eine große Bandbreite von Leuten. Und da sind immer wieder Leute gekommen und haben nach Stücken gefragt, z.B. bei 50´s-R´n´R-Sachen oder auch als ich die MULLENS gespielt habe. Es gibt aber natürlich auch negative Erlebnisse, z.B. sind beim "Record Riot", so heißt unsere Veranstaltung, tatsächlich schon Leute gekommen und haben nach FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE, CURE, DOORS oder auch WHITNEY HOUSTON gefragt.
Stefan und Norbert (bestürzt): ECHT??
Markus: Ja, sowas kommt sogar ziemlich häufig vor. - Letztens kamen auch mal ein paar Schmier-Punker an und wollten "PISTOLS" hören. Ich hatte das aber nicht verstanden, weil die so genuschelt haben, und sagte "´PISSEN´? Kenn´ ich nicht!" Ich dachte das wäre eine neue Deutschpunk-Band! Da haben die sich natürlich an den Kopf gefasst, daß ich die PISTOLS nicht kenne. Später hat Rena die dann aber noch gespielt. Ich hab´ nämlich noch Kollegen, das darf man nicht vergessen!
Norbert: Zurück zu deiner "Booker"-Tätigkeit. Ihr habt ja beim "Record Riot" auch immer wieder Bands, die sonst eigentlich kaum irgendwo anders zu sehen sind, so daß die Leute von überall her anreisen.
Markus: Das könnten aber noch mehr sein, manchmal fahren wir nämlich auch ziemliche Verluste ein. Das Risiko nehmen wir aber in Kauf, wenn wir meinen, daß eine Band gut ist. Ab und zu haben wir dann ja auch den Laden voll, z.B. wenn japanische Bands kommen, wie die REGISTRATORS.
Stefan: Ich habe auch den Eindruck, daß vor allem Frauen-Bands hier besonders gut ankommen, auch wenn sie gar nicht so gut sind, wie z.B. die ULTRA BIMBOOS!
Markus: Von denen habe ich übrigens noch ein Haar aufbewahrt, das ich am nächsten Tag in der Badewanne gefunden habe!
Stefan: Da schlagen wir jetzt genau die richtige Richtung ein! Da ein Großteil der Bands, die im Gleis spielen, ja auch bei dir übernachten, hast du intime Kenntnisse über die halbe Welt des Rock´n´Roll!
Markus: Das ist natürlich maßlos übertrieben!
Norbert: Aber da muß es doch ein paar interessante Geschichten geben!?
Markus: Meistens ist es gar nicht so spektakulär, weil die Bands gar nicht so zügellos und wild sind, wie man sich das gerne vorstellt. Wenn man Glück hat, sind sie das auf der Bühne, aber wenn sie da runterkommen, erweisen sich die meisten doch als ziemlich umgängliche und nette Menschen. Trotzdem gibt es natürlich lustige Erlebnisse. Die PLEASURE FUCKERS fallen mir z.B. ein, wahrscheinlich auch deswegen, weil die gleich 2 Tage bei mir übernachtet haben. Das war ´ne ziemlich große Bande, weil neben den 5 Bandmitgliedern auch noch ein Fahrer und der Sänger von den DIMPLE MINDS dabei waren.
Norbert: WAS?!?
Markus: Ja, der DIMPLE MINDS-Sänger war damals der, äh, Freund oder zumindest zwischenzeitlich der Geliebte der PLEASURE FUCKERS-Gitarristin Nora. Es klingt jetzt wirklich wie aus einem EIS AM STIEL-Film, aber das muß ich jetzt erzählen: Als die FUCKERS von der Bühne gingen, stürmten Nora und der DIMPLE MINDS-Sänger sofort in den Bandbus, der vor dem "Gleis" stand. Wir standen auch draußen und sahen das. Auf einmal fing der Bandbus an zu wackeln, und zwar rauf und runter. Das ging etwa 10 Minuten so, danach war eine Pause und dann ging´s wieder los. Also ich weiß nicht, ob die sich da Cocktails gemixt haben oder was...
Stefan: Ja, vielleicht diesen kalten Kaffee aus der Werbung...
Markus: Nora und ihr Freund haben dann auch nicht bei mir in der Wohnung geschlafen, sondern im Bus. So mußte ich dann nur 5 Leute unterbringen, aber das war stressig genug. Die machten nämlich auch ganz gerne mal "farting contests", und als ich am ersten Morgen in mein Zimmer kam, war ich doch erst mal ziemlich abgestoßen und hab´ einen Schritt zurück gemacht. Es war aber auch nicht nur eine Attacke auf die Nase, sondern auf alle Sinne, auch auf die Augen. Mein erster Blick fiel nämlich auf den splitternackten Kike, ein ca. 150 kg schwerer Koloß, der nur mit einem kleinen Bettzipfel bedeckt war! Er marschierte dann auch splitternackt durch die Wohnung und hat meinen Mitbewohner fast zu Tode erschreckt. Eine andere lustige Episode hatte sich noch davor ereignet, als wir am ersten Abend, nach ihrem Auftritt vom "Gleis" zu mir nach Hause gefahren sind. Ich fuhr, wie immer mit meinem kleinen Corsa, den ich damals noch hatte, voran und Nora folgte mir mit dem Bandbus. Dazu muß man sagen, daß sie sturzbetrunken war, was sie aber gar nicht störte. Es störte sie allerdings ziemlich, als wir an einer roten Ampel anhalten mußten. Das war ihr wohl irgendwie zu spießig, weshalb sie mich kurzerhand mit ihrer Stoßstange auf die Kreuzung schob!
Norbert: Tja, so fährt man wohl in Spanien!
Markus: Als ich sie nachher darauf ansprach, meinte sie, daß sie ja einen amerikanischen Führerschein hätte und ihr deshalb keiner was anhaben könne! Nora war sowieso die wildeste von allen PLEASURE FUCKERS. Während alle anderen in den 2 Tagen auch mal ihre ruhigen Momente hatten, in denen sie dann vielleicht mal ein Buch gelesen, oder sich zumindest die Bilder angeguckt haben, stand Nora ständig unter Dampf und hat auch pausenlos Jägermeister gesoffen! Kike war aber auch lustig. Als wir nämlich am nächsten Tag in der Stadt unterwegs waren, stellte es sich als Problem für ihn heraus, ein paar Meter zu laufen. Die anderen erzählten mir sogar, er könne nicht weiter als 10 m laufen! Da wir vom Plattenladen "Green Hell" noch ein Restaurant ansteuern wollten, das aber etwas weiter weg war - allerdings nicht weit genug, als dass es sich zu fahren gelohnt hätte - mußte Kike wohl oder übel 1 km zu Fuß gehen, was für ihn ein sehr großes Problem war! Dazu kam, daß er dachte, man dürfe nur auf diesen schmalen roten Wegen - den Fahradwegen! - gehen. Das war dann wiederum für die Münsteraner Fahrradfahrer ein ziemliches Problem! Die klingelten wie wild, aber Kike hat sich kein bißchen gerührt, was ich sehr cool fand. Das war die längst fällige Abreibung für die arroganten Münsteraner Radfahrer!
Stefan: Die SPIDER BABIES haben meines Wissens nach ja auch hier gepennt. Wie waren die denn so?
Markus: Die SPIDER BABIES sind genauso wie man sich das vorstellt, wenn man sich die Texte zu Gemüte führt. Die haben sich wirklich die ganze Zeit wie pubertierende Jünglinge benommen. Und das obwohl Kevin, der Sänger, immerhin schon verheiratet ist, ein Kind hat und Weihnachtsbäume verkauft! Wenn er auf Tour ist, will er aber wohl die Sau rauslassen. Jessie ist dagegen einfach nur ein dicker, pubertierender Lausbub, so ein richtiger "Highschool-Jerk". Die sammeln halt auch Pornos und beschäftigen sich mit Pornographie...
Stefan: Das hast du aber jetzt sehr schön ausgedrückt!
Markus: Ich hab´ auch den Eindruck, daß die nicht allzuviele Frauen abkriegen. Gut, Kevin ist verheiratet, daher fragt man sich, warum der das ganze Gehabe noch nötig hat. Aber die anderen scheinen mir doch eher leer ausgegangen zu sein in den letzten, äh, Jahrzehnten und kompensieren das halt mit den üblichen Fantasien. Ich hab´ das damals nicht so eng gesehen; die Texte sind halt beknackt, aber die Musik ist geil! Nach ihrem zweiten Konzert sind aber dann tatsächlich noch zwei Frauen angekommen und waren empört, daß wir so einen "schweine-sexistischen Mist" im Gleis spielen lassen. Die wollten dann auch ihr Geld zurück. Haben sie aber nicht gekriegt; wer zu den SPIDER BABIES geht, muß wissen, was er zu hören kriegt.
Stefan: Jetzt muß ich aber leider auch mal auf ein dunkles Kapitel eures "Record Riots" zu sprechen kommen. Ihr habt ja auch mal die LES ROBESPIERRES gemacht. Wie bist du denn auf die Idee gekommen, so eine Hamburger-Schule-Wichtigtuer-Kack-Band zu machen?
Markus: Also da bin ich nicht so ganz deiner Meinung. Allerdings verstehe ich schon was du meinst, die Hamburger haben schon so eine "Art" an sich...
Stefan: Ja, so eine "Wichser-Art"!
Markus: An diesem Punkt des Interviews kriegen wir jetzt ein Problem. Ich meine, ich hab´ dir zu denen ja schon mal was gesagt, aber ich möchte natürlich jetzt auch nicht, daß die jetzt in diesem Interview lesen, daß sie Wichser sind.
Norbert: Die haben doch auch noch 1000 DM gekriegt!
Markus: 900! Das Konzert war aber auch brechend voll; Münster ist halt eine Studentenstadt. Aber bei den ROBESPIERRES ist halt das Problem, daß zwei von denen nicht so sympathisch sind. Der Orgelspieler hat sich auch am nächsten Morgen über das Frühstücksei beschwert, das war ihm zu weich.
Stefan: Ich krieg ´nen dicken Hals! Schnell wieder zu etwas Positiverem. Nenn´ uns zum Schluß doch mal deine Lieblingskonzerte!?
Markus: 1998 gehörten da sicherlich der LIGHTNING BEATMAN, die DRAGS und natürlich unser ausverkauftes Konzert mit den NEW BOMB TURKS dazu.
Norbert: Ja, das war aber auch ein Hammer, da hab´ ich mich ja jetzt noch nicht von erholt. Das war richtig klasse. Da hat man noch mal wie so ein 14jähriger rumgespackt!
Mit dem in Erinnerungen schwelgenden Kollegen Johannknecht blende ich das Interview nun aus und verbleibe mit einem Dank an Marcus und der dringenden Empfehlung an die Leser, die Konzertankündigungen für das "Gleis 22" im Auge zu behalten: 18.3. ELVIS PUMMEL, 12.4. MR. QUINTRON (Luna Bar, Hammer Str. 35!), 15.4. RADIATION KINGS, 14.5. SPACESHITS
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #34 I 1999 und Stefan Moutty