Sicher gehört das Trio MANATEES aus dem nordwestenglischen Carlisle nicht zu den Initiatoren des immer noch rapide wachsenden und an Beliebtheit gewinnenden Genres des Ambient Metals – um noch einen weiteren Begriff dafür zu strapazieren –, sie erweitern es auch nicht um bisher so nicht gehörte Facetten. Dennoch kann man behaupten, dass jemand etwas verpasste, wenn er ihre beiden Alben „The Forever Ending Jitter Quest Of Slowhand Chuckle Walker: An Introduction To The Manatee“ (2006, Motivesounds) und „Icarus, The Sunclimber“ (2009, Eyesofsound) oder die selbst veröffentlichte EP „We Are Going To Track Down And Kill Vintage Claytahh. The Beard Burning Bastard“ ignorierte. Denn was die aus der einst bei Lockjaw Records (nicht sonderlich) aktiven Band SECONDTOLAST hervorgegangen MANATEES bemerkenswert macht, ist, dass ihre Songs einfach verdammt gut sind, sie die üblichen Laut/Leise-, Brachial/Fragil-, Metallisch/Psychedelisch-Elemente ihrem Bandnamen gerecht umsetzen. Ein Manati ist nämlich eine Sehkuh, wuchtig und langsam, dabei aber in ihrer Bewegung irgendwie schön anzusehen. MANATEES sind Schlagzeuger Paul Heron, Gitarrist und Sänger Greg Wynne sowie Bassist und Sänger Alex Macarte, der auch meine Fragen beantwortete.
Ist es vermessen, zu behaupten, dass da eine Verbindung besteht zwischen der üblichen Geschwindigkeit eines Manatis, die im Normalfall bei maximal acht Stundenkilometern liegt, und der eurer Musik?
Unser Gitarrist Greg hatte eine Dokumentation über Manatis gesehen, in der sie als sanftmütig und gemütlich im Wesen, aber massiv in Größe und Gewicht beschrieben wurden, und er fand, dass das gut zu der Musik passte, die wir gerade schrieben. Insofern ist diese offensichtliche Verbindung kein Zufall, nein.
Ist es denn Zufall, dass „Icarus, The Sunclimber“ ein Stück heavier und doomiger klingt als euer Debütalbum?
Ich weiß nicht, ob das bewusst geschah, wir haben selten konkrete Pläne oder Ziele beim Schreiben, unsere Musik entsteht einfach aus sich selbst heraus. Aber „Icarus, The Sunclimber“ ist sicherlich härter, oder auch aggressiver als unsere bisherigen Platten, das stimmt. Da das textliche Konzept des Albums aber sehr gehässig ist, passt die direktere Ausrichtung der Musik auch dazu.
Und wie sieht dann der nächste musikalische Schritt aus?
Ich will nicht zu viel verraten, aber wir haben schon genug Ideen und potenzielles Material für ein paar weitere Platten; eine könnte sehr monumental werden, eine andere soll eine Kollaboration mit Rose Kemp sein, die wie wir aus der Grafschaft Cumbria stammt. Wir wollen einfach immer weiter Musik machen. Platten aufnehmen und live spielen, hoffentlich auch bald auf dem europäischen Festland.
Was hat euch so am Mythos des Ikarus’ fasziniert, dass er als Konzept des Albums dient?
Eigentlich geht es in den Texten um Menschen, die aus den falschen Gründen in Bands spielen, die aus niederen Beweggründen Musik machen. Die denken, das Wichtigste wäre, ihre Musik in eine momentan irgendwie „gültige“ Form zu bringen, um einen tollen Plattenvertrag bei den großen Labels und einen Manager zu bekommen, um ganz groß rauszukommen. Im Grunde geht es also um den ganzen Mist, der sich Musikindustrie schimpft. Statt nur Musik wegen der Musik zu machen, gehen diese Bands an ihrem unerreichbaren Ziel zugrunde. Die Ikarus-Erzählung scheint mir dafür eine gute Metapher zu sein: er baute sich seine Flügel aus Wachs und anstatt zufrieden zu sein, fliegen zu können, stieg er immer höher der Sonne entgegen – ein Ziel, das er nie erreichen konnte –, seine Flügel schmolzen und er stürzte in den Tod.
Auch IRON MAIDEN schrieben einst über Ikarus, wenn auch nur einen Song. Maiden scheinen aber wohl keinen großen Einfluss auf eure Musik gehabt zu haben; wo liegen eure musikalischen und textlichen Einflüsse?
Nein, IRON MAIDEN waren sicherlich kein Einfluss für MANATEES. Ich habe Maiden gehört, als ich acht Jahre alt war, und ich glaube, seitdem auch nie wieder. Unsere musikalischen Einflüsse sind recht breit, wir hören alles mögliche: Punk, Doom, Drone, Ambient, Folk, Prog, Psychedelisches und Elektronisches. Was die Texte angeht, verarbeite ich alles, was mir in den Kopf kommt, wobei das dann meist mehrdeutig und metaphorisch ausfällt, mir die Bedeutung genauso wichtig ist wie der Klang und die Phrasierung. Wie Greg seine Texte schreibt, kann ich nicht sagen, da die meisten für „Icarus, The Sunclimber“ aber von ihm stammen, nehme ich an, dass er seinen Frust über Scheißmusik verarbeiten musste.
Warum der Wechsel von Motivesounds zu Eyesofsound?
Das war schlicht eine natürliche Entwicklung. Die Leute von Motivesounds sind alte und gute Freunde von uns, die mit dem Debüt fantastische Arbeit geleistet haben, aber mehr konnten sie für uns nicht tun. Zudem waren wir eine Art Außenseiter auf dem Label, was zwar cool war, aber auch Nachteile hatte. Da wir mögen, was Eyesofsound bisher gemacht haben, und der Labelchef Ryan Berry ein Typ ist, der Musik wirklich liebt, haben wir zugesagt, als sie uns kontaktierten.
Ob man es nun Post Metal, Shoegazer Metal oder wie auch immer nennt, das Genre, in dem auch ihr euch bewegt, erfreut sich immer noch zunehmender Beliebtheit. Hast du dafür eine Erklärung?
Um ehrlich zu sein: nein. Es gibt so viel Musik da draußen, es war wohl einfach eine Frage der Zeit, bis auch dieser Stil mal populärer wurde. Außerdem scheinen sich die Menschen immer mehr „anderer“ Musik gegenüber zu öffnen, so dass sich verschiedene Stile verzweigen. Es gibt bei dieser Art Musik Elemente, die einem bereits bekannt sind, was das Ganze anziehend macht. Wie sagt man so schön? „Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues“. Natürlich besteht die Gefahr, dass das Genre langsam gesättigt ist und schal wird, so wie die meiste Musik, auf die sich die Leute stürzen. Zu viele Köche verderben nunmal doch den Brei.
„Recommended to be listened to on drugs. Loudly“ stand im Booklet eures Debütalbums. Welche Drogen empfiehlst du für eure Musik?
Das sollte ein Witz sein. Im Nachhinein wohl kein besonders guter. Wir sind keine Drogenband, ein paar Bier, ein bisschen was zu Rauchen, das war’s. Die beste Drogenempfehlung wäre vielleicht Paracetamol, um die Kopfschmerzen nach dem Hören unserer Alben zu bekämpfen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #84 Juni/Juli 2009 und André Bohnensack
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