Am 13. November 2015 wurde Paris von einer terroristischen Anschlagserie erschüttert. Insbesondere der Angriff auf den bekannten Live-Club Bataclan mit zahlreichen Toten und Verletzten schockierte Musikfreunde weltweit – mittendrin der Schlagzeuger der Pariser Punkrock-Band MALADROIT, Daniel „Cham“ Chamorro. Im folgenden Interview schildert er seine Erlebnisse an jenem Tag und die Konsequenzen für seine Heimatstadt.
Cham, du warst bei den Terroranschlägen am 13. November im Bataclan-Club. Wie hast du den Angriff erlebt und wie geht es dir heute?
Als die Terroristen das Feuer eröffneten, war ich gerade mitten im Pit. Als wir erkannten, dass der Überfall nicht zum Auftritt gehört, stürzten alle um mich herum zu Boden und begannen zu schreien. Am Boden liegend wurde ich von einer Kugel in meinen Oberschenkel getroffen. Glücklicherweise trage ich keine bleibenden Schäden davon, weder körperlich noch psychisch. Nur eine große Narbe und ein Stück vom Geschoss, das sich noch in meinem Bein befindet, erinnern an die Verletzung.
Was empfindest du heute, wenn du mit etwas zeitlichem Abstand an diese Tragödie denkst?
Es geht mir eigentlich ganz gut, auch wenn ich zugeben muss, dass immer noch eine gewisse Anspannung spürbar ist. Ich bin sehr dankbar, dass mir viele Freunde dabei geholfen haben, die Geschehnisse zu verarbeiten. Ich war echt positiv überrascht, wie die gesamte Punkrock-Szene weltweit reagiert hat und mir liebe Wünsche und Unterstützung zukommen ließ. Diese Solidarität war sehr rührend und hat mir geholfen, schnell wieder auf die Beine zu kommen.
Du lebst in Paris und spielst in mehreren Bands. Welche Konsequenzen hatten die Anschläge für dich persönlich und deine Bands?
Es ist schon auffällig, dass seit dem 13. November deutlich mehr Polizei und Armee auf den Straßen präsent sind. Es gibt häufig Sirenen, so dass man fast denken könnte, man sei in New York. Was die Bandaktivitäten angeht, war ich natürlich durch die Verletzung einige Monate außer Gefecht gesetzt. Das Bein musste geschont werden, so dass wir nicht proben konnten und auch ein paar Konzerte absagen mussten. Angst, dass so etwas auch bei einem unserer Auftritte passieren könnte, haben wir konkret nicht. Ganz ehrlich, wir machen Musik, die keine großen Massen an Besuchern anzieht. Wir spielen in kleinen Clubs, die nicht unbedingt ein lohnendes Ziel für Anschläge sind. Und auch diese familiäre Atmosphäre bei unseren Konzerten trägt dazu bei, dass wir uns subjektiv sicherer als bei großen Veranstaltungen fühlen.
Ist feststellbar, dass der Sicherheitsaufwand bei Konzerten in den letzten Monaten deutlich erhöht wurde?
Kleine Punkrock-Shows kamen bisher immer ohne Security aus, daran hat sich auch nichts geändert. Ich arbeite auch als Booker für einen großen Konzertveranstalter, und da ist schon ein Unterschied zu merken. Einige Veranstaltungen mussten aufgrund von Sicherheitsfragen gecancelt werden, insbesondere in den Wochen direkt nach den Anschlägen war es total hektisch. Politiker und die Polizeibehörden haben einfach mehrere Konzerte abgesagt, um weitreichende Sicherheitsmaßnahmen planen und umsetzen zu können. Generell waren schon im ganzen Land große Panik und Verunsicherung zu spüren. Aber die Lage scheint sich aktuell wieder zu normalisieren, auch wenn wir feststellen müssen, dass Sicherheitsvorkehrungen und Eingangskontrollen heute bei vielen Veranstaltungen deutlich schärfer sind als früher.
Ist es für euch heute schwerer, Clubs zu füllen?
Musik ist für viele Menschen so wichtig, dass sie nicht auf so etwas Großartiges wie Konzerte verzichten wollen. Als sich die erste Angst verzogen hatte, wollten viele Menschen einfach möglichst schnell wieder zu ihrem gewohnten Alltag zurückkehren und das Leben genießen. Gerade wir Pariser wollten uns nicht unsere Gewohnheiten von Terroristen vorschreiben lassen, wollten draußen zusammensitzen, uns betrinken, lachen und gemeinsam Spaß haben. Bereits wenige Tage nach den Anschlägen gab es eine große Masse an Leuten, die wieder ausgehen und den Terroristen ein lautes „Fuck you!“ entgegenbrüllen wollten. Paris hat zwar immer noch mit den Folgen der Anschläge zu kämpfen. Es gab einen dramatischen Rückgang an Touristen, worunter viele kulturelle Einrichtungen immer noch leiden. Paris ist aber eine liebenswerte Stadt mit großartigen Menschen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich die Situation weiter deutlich entspannen wird.
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