Sich in den alten Bundesländern gegen Nazis stemmen ist aller Ehren wert. Aber in den „neuen“ Bundesländern hat das mitunter eine ganz andere Qualität. Deshalb kann das Engagement von „Make Some Noise“ in Sonneberg nicht hoch genug bewertet werden. Der Kreisstadt des gleichnamigen Landkreises im Süden Thüringens ist Ende Juni 2023 bundesweit in die Schlagzeilen geraten, weil dort Robert Sesselmann als erster Politiker der AfD in Deutschland zum Landrat gewählt wurde. Mit 52,8 Prozent der Stimmen siegte er in der Stichwahl gegen seinen CDU-Konkurrenten. Deshalb hatten FEINE SAHNE FISCHFILET beschlossen, dort spontan ein Konzert zu spielen, um den Kids von Sonneberg, die nicht rechtsgerichtet sind, Mut zu machen. Organisiert und durchgeführt hat das Konzert ein Freundeskreis rund um die Bar Gewölbekeller. Und daraus hat sich inzwischen eine Initiative entwickelt, die mit Konzerten gegen den Rechtsruck im Landkreis ankämpft. Organisator Marcel Rocho sprach mit uns über die Beweggründe, die Pläne und die Motivation der Gruppe.
Wie, wo, wann und warum kam es zur Gründung?
Die Idee ist gemeinsam entstanden. Den Anfang machte die Wahl des AfD-Landrats. Schon da haben wir das erste Mal gemerkt, wie lange wir offensichtlich alle weggeschaut haben und dass etwas passieren muss. Der daraus resultierende Rechtsruck hat uns darin nur bestätigt. Dann kam der Aufruf von FEINE SAHNE FISCHFILET und damit ging dann alles los. Wir haben in vier Tagen ein Konzert auf die Beine gestellt und waren dann so gehypet, wie alles ablief und wie viel Zuspruch da war, dass wir als Freunde beschlossen haben, dass das definitiv nicht das letzte Mal war. Also haben wir unseren nächsten Stammtischabend dafür genutzt darüber zu reden, wie wir das alles gestalten könnten, und dass unsere einzige realistische Chance ein Verein ist.
Wer waren und sind die Ideengeber und „Köpfe“?
Im Grunde sind wir nur 14 Freunde, die von heute auf Morgen in einem Landkreis leben müssen, in dem etwas Realität geworden ist, was dem Rest des Landes bis dahin erspart geblieben ist. Monschis Satz nach dem Konzert von FEINE SAHNE FISCHFILET, „Nutzt diese Energie für mehr“, gab uns den nötigen Tritt, etwas in Bewegung zu setzen. Wir fanden es alle wichtig, die Möglichkeit zu haben, so ein Statement setzen zu können und etwas für unsere Stadt und den Landkreis zu tun. Wir sind bis heute auch noch alle dabei.
Welche Geschichte steckt hinter eurem Namen?
Um ehrlich zu sein haben wir uns im Netz dazu inspirieren lassen. Letztendlich hatten wir dann eine Liste mit verschiedenen Vorschlägen und haben abgestimmt. „Make Some Noise“ passt aber auch am besten zu uns und unserer Idee, was wir sagen wollen. Musik ist laut und verbindet. Vor allem wollten wir darauf aufmerksam machen, dass nicht nur die rechten Spinner in unserem Landkreis laut sind.
Welche Ziele habt ihr euch gesetzt? Was wollt ihr erreichen?
Allgemein wollen wir etwas für unsere Stadt und unseren Landkreis tun, quasi neuen Schwung reinbringen. Es gibt einige heimische Bands, die noch nie die Chance hatten, auch tatsächlich in der Heimat zu spielen, weil sie vielleicht nicht unbedingt den Nerv der Veranstalter treffen. In erster Linie wollten wir genau denen eine Chance geben. Zum anderen wollten wir auch dem Teil der Menschen, die mit der politischen Situation und der gesamten Entwicklung dessen unzufrieden sind, Räume schaffen zum Austausch. Wichtig sind uns zwei Dinge: „Lasst uns zusammen feiern“ und „Niemand wird allein gelassen“.
Welche wichtigen Aktionen und Erfolge gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Unser Verein ist noch zu jung, um große Erfolge zu feiern. Wir sind total glücklich über unsere sehr gut besuchten Konzerte und das positive Feedback. Der Zuspruch, der uns erreicht, wie zum Beispiel von euch als Magazin oder den Bands, die mit uns arbeiten, geben uns den besonderen Kick, an der Sache dranzubleiben und uns nicht unterkriegen zu lassen von dem ein oder anderen komischen Kommentar.
Mit welchen Risiken ist euer Engagement verbunden? Seid ihr Anfeindungen ausgesetzt, werdet ihr kriminalisiert?
Unsere Stammkneipe, in der alles stattfindet, wurde ab dem ersten Konzert zur „links-grün-versifften Hölle“. In einer Stadt wie Sonneberg wird es dann natürlich schwierig. Aber außer den üblichen niveaulosen Kommentaren in den sozialen Medien und dem Fernbleiben mancher Gäste blieben wir verschont.
Wie viele ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende habt ihr?
Alle unserer 14 Mitglieder sind ehrenamtlich dabei und stemmen die Konzerte in ihrer Freizeit.
Wo ist der Sitz beziehungsweise die Zentrale eurer Organisation?
Unsere Stammkneipe ist zu unserem Sitz geworden, die Gewölbe Bar in Sonneberg.
Wie viele Mitglieder beziehungsweise Unterstützer habt ihr? Beschreibt doch mal die „typischen“ Unterstützer.
Unsere „typischen“ Unterstützer sind wohl im Moment unsere Konzertbesucher. Von den ganz Kleinen bis hin zu Ü60, alle waren schon bei uns dabei. Im Prinzip sind alle eine Stütze die bisher bei uns mitgewirkt haben und dies auch in Zukunft noch tun werden. Hierzu zählen zum Beispiel die Stadt Sonneberg, die Bands natürlich und jeder einzelne Spendengeber. Dabei möchten wir uns auch noch mal bei Rene Bierbrauer bedanken, ohne ihn wäre uns wahrscheinlich das erste Konzert nicht so leicht von der Hand gegangen.
Was könnt ihr leisten, was eine staatliche oder konfessionelle Organisation nicht kann?
Es ist wohl eher die Frage nach dem Wollen und nicht nach dem Können. An Punkrock-, Oi!- oder Ska-Konzerte in unserem Landkreis können sich gerade mal die ältesten Mitglieder unseres Vereins erinnern. Nicht weil es kein Interesse gibt, sondern keinen Raum gab.
Welche konkrete Arbeit leistet eure Organisation? Also was genau macht ihr? Und mit wem arbeitet ihr dabei zusammen?
Eigentlich wollen wir einen kulturellen Freiraum schaffen und dabei Gleichgesinnte vernetzen. Vor allem eben mit Konzerten in den unterschiedlichsten Musikbereichen.
Wofür verwendet ihr das Geld, das euch gespendet wird?
Aktuell benutzen wir jeden Cent, um Technik und Gagen finanzieren zu können. Perspektivisch müssen wir auch größere und bekanntere Bands oder Künstler nach Sonneberg holen, um auf die Situation vor Ort aufmerksam zu machen.
Wie kann man euch unterstützen? Nur mit einer Spende oder auch mit aktiver Mitarbeit?
Spenden sind natürlich immer gerne gesehen und eine große Hilfe. Es können auch gerne alle Mitglieder bei uns im Verein werden. Am meisten ist uns aber im Moment mit Kontakten geholfen. Kontakte zu großartigen Bands, die uns gerne unterstützen würden. Vielleicht möchte ja auch die eine oder andere Band auf uns zukommen, vorbeikommen und einfach mit dabei sein. Wir freuen uns über jeden, der Bock hat. Wir haben auch schon einige Mails rausgeschickt. Also checkt eure Mails und vielleicht ist ja schon eine Anfrage von „Make Some Noise“ dabei.
Habt ihr prominente Fürsprecher aus dem Musik- und Kulturbereich? Wer ist das, und warum passen die zu euch?
Die bekanntesten Fürsprecher sind wohl die Bands FEINE SAHNE FISCHFILET und STAGE BOTTLES. Sie haben uns quasi den Startschuss für unseren Verein ermöglicht und unterstützen uns weiterhin mit Instagram-Posts oder Kontakten zu Pressesprechern. Auch mit anderen bekannten Bands stehen wir im Moment in Kontakt, die uns unterstützen wollen. Dazu können wir aber noch nichts Genaueres verraten.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #173 April/Mai 2024 und Wolfram Hanke