MAELFØY

Foto© by Denise Andoerfer

Die eigenen Songs lernen

Mit „Failures, Fears And Forgiveness bringt die Band aus dem niedersächsischen Ganderkesee nun ihr zweites Album raus. Gitarrist Lars plaudert mit uns darüber, wie die neuen Songs entstanden sind und dass die Realität nach den Studioaufnahmen ein wenig anders aussieht, als Fans vielleicht denken.

Schön, dass du da bist. Wie geht es dir heute?

Cool, dass ich hier sein darf. Mir geht es wunderbar. Wir haben gerade frisch unsere neue Single „Facing failures“ gedroppt und direkt am Release-Tag beim Mammut Festival die Live-Premiere gemacht. Das kam super an, jetzt bin ich gehypet für die Veröffentlichung des Albums.

Warst du nervös, die Single direkt am Release-Datum zu spielen?
Ja, vor allem aus einem bestimmten Grund. Jetzt im Nachhinein kann ich das ja sagen, wir konnten den Song bis vor zwei Wochen gar nicht. Wahrscheinlich gibt das keine Band direkt zu, aber ich mache das mal für uns: Man kann die Songs, wenn man aus dem Studio kommt, noch nicht gleich spielen. Wir nehmen alles auf, aber müssen die Songs danach erst mal selber lernen. Wir haben den in zwei, drei Proben durchgebolzt und dann ging es auch.

Im Grunde genommen sind Albumaufnahmen ja auch ein wenig Beschiss, oder? Man überlagert Spuren und Ebenen bis zu einem Punkt, dass man das so niemals live spielen könnte. Dass Bands noch etas live aufnehmen, ist vermutlich eher die Ausnahme.
Total. Wenn ich jetzt in irgendeiner Punkband wäre, würde ich vielleicht einen Song in einem Take aufnehmen und auch die Fails in den Aufnahmen drin lassen, weil es zur Ästhetik passt. Aber bei einer modernen Metalcore-Whatever-Band ist das anders. Ist jetzt ein wenig Nerd-Talk, aber im Prinzip ist das eigentlich Techno. Es wird zusammengeschnitten und gemappt. Ich weiß jetzt nicht, wie BRING ME THE HORIZON oder ARCHITECTS vorgehen, aber es kann mir keiner sagen, dass die alles am Stück einspielen und es nicht auch so machen wie wir. Vielleicht ist es so, ich glaube aber eher nicht.

Ich bin vor einer Weile über ein TikTok-Video von euch gestolpert, in dem ihr ein kleines Rig-Rundown macht. Kurz zusammengefasst: Euer komplettes Equipment ist in nur einem einzigen Rack. Willst du vielleicht selbst mal kurz zusammenfassen, was sich darin so befindet?
Im Prinzip haben wir da eine Mix-Unit drin, das ist ein digitales Mischpult. Damit kann sich jeder per App seinen eigenen Mix zusammenstellen, den er im Ohr hört. Ich zum Beispiel höre natürlich mich als Gitarristen sehr laut, ich höre unseren Sänger sehr laut, ich höre ein Klick sehr laut. Wir haben auch keine Röhrenverstärker mehr. Kein 100-Watt-Verstärker und eine dicke Box da drunter, es ist alles digitalisiert. Unser Drummer hat ein MacBook neben sich stehen, da ist eine Audiosoftware drauf. Und da kommen auch alle Backing-Tracks, also alles, was man so an Effekten im Hintergrund hört, Streicher, Samples, irgendwelche Impact, also alles, was man irgendwie noch an Soundeffekten mit dabei hat. Manchmal tatsächlich auch Gitarrenspuren. Wir sind nur zwei Gitarristen und dann kommt eine dritte Gitarrenspur vom Band. Damit werden auch per Midi die Gitarreneffekte gewechselt und man muss nicht mehr diesen Stepdance mit zwanzig Pedalen machen. Jetzt kommen vielleicht die Puristen von früher, die sagen, das gehört doch dazu. Ja, wahrscheinlich. Aber wenn man es doch heutzutage kann, warum sollte man es nicht so machen?

Da steckt aber auch ein wenig Risiko mit drin. Ihr seid der Technik damit vollständig ausgeliefert, oder?
Ja, das ist schon so. Aber ich denke, wir machen das jetzt seit ungefähr drei Jahren. Im Sommer, als wir sowieso keine Gigs gespielt haben, haben wir die Zeit genutzt, um alles umzubauen. Ich würde sagen, seitdem haben wir weniger Probleme als mit unseren alten Röhrenamps. Klar kann der Laptop abkacken. Ich habe das auch schon bei Bands gesehen, dass die nicht spielen konnten, weil der Laptop nicht funktioniert hat. Aber wenn ich an die Zeit davor zurückdenke, ist da auch mal eine Röhre durchgebrannt oder es ist das Mikro vor der Box umgekippt und liegt die halbe Show auf der Seite, ohne dass man es mitbekommt. Risiko hat man immer, es kann auch eine Batterie von der Gitarre leer sein. Dann ist es egal, ob man digital oder analog spielt. Aber ich muss tatsächlich sagen, seitdem wir dieses digitale Setup haben, haben wir weniger Probleme als mit dem analogen Setup vor vier, fünf Jahren.

Zurück zu eurem Album. Ihr habt jetzt vereinzelt auch Rap-Parts. Woher kam dieser Drang nach Veränderung?
Der ganze HipHop-Vibe kommt von unserem Sänger Marne. Neben dem „Metalkram“ mit uns ist er sehr divers aufgestellt. Er spielt auch Akustik-Shows bei Geburtstagen und Hochzeiten. Und er hat mit seinem Bruder ein Rap-Projekt. Wir sind ja alle mit LINKIN PARK aufgewachsen. Natürlich ist das, was wir machen, hinreichend weit von LINKIN PARK entfernt, aber das sind die Einflüsse, die wir feiern. Und dann dachten wir, wir haben ja jemanden, der richtig gut rappen kann, probieren wir das mal aus.

„Failures, Fears And Forgiveness“ ist euer zweites Album. Jetzt konntet ihr beim Debüt schon viele Erfahrungen sammeln. Wie habt ihr die jetzt genutzt und was habt ihr anders gemacht?
Das erste Album ist jetzt exakt zwei Jahre her. Das war damals so richtig mitten im Lockdown. Dezember 2021 war die Hochphase, als gar nichts mehr ging. Da war der Entstehungsprozess ein ganz anderer. Album eins ist sehr zerstreut entstanden. Da hatten wir auf einmal acht Singles und daraus dann ein 12-Song-Album gemacht. Jetzt war es so, dass unser Sänger für jeden Song schon eine Skizze im Kopf hatte. Da waren das noch Nummern auf der Akustikgitarre, die wir dann „heavy“ gemacht haben. Manche mehr, manche weniger. Es ist vom Entstehungsprozess her etwas ganz anderes, weil alle Tracks mehr zusammen entstehen. Ich würde nicht sagen, dass dies oder jenes besser ist. Aber es ist einfach interessant, wie ein Entstehungsprozess den einen oder anderen Weg gehen kann.