Für die einen ist es nur schmückendes Beiwerk, für die anderen ein entscheidendes Kriterium beim spontanen Plattenkauf und bei der Erinnerung an die eigenen Lieblingsalben: das Coverartwork. Hat es in der Pophistorie vielleicht einmal Zeiten gegeben, in denen Plattencover schockieren konnten und als Identifikationssymbol taugten, so scheint es mit der Bemühung vieler Bands um eine originelle visuelle Unterstützung ihrer Musik in den vergangenen Jahren stetig bergab zu gehen. Meist bleiben die Bands bei den optischen Gepflogenheiten innerhalb ihres Genres und wirklich interessante Coverartworks sind eher in der Minderheit. Das ist zwar nicht immer unbedingt schlecht, aber auf Dauer auch ganz schön ermüdend. Die Kalifornierin Mackie Osborne setzt dem etwas entgegen. Die Ehefrau von MELVINS-Gitarrist Buzz gestaltete neben den Alben der Band ihres Gatten auf facettenreiche und mehr als ansehnliche Weise unter anderem auch Platten von SOCIAL DISTORTION, THE OFFSPRING, BAD RELIGION, VANDALS, MR. BUNGLE, CIRCLE JERKS, MELT-BANANA oder TOOL. Durchaus nette Referenzen also und zudem ein Grund mehr, Mackie über den Sinn von Kunst, exzentrischen Musikerkollegen und Ehen von Punkrockern auszufragen.
Mackie, wie genau begann eigentlich deine Laufbahn als Künstlerin?
Zunächst würde ich mich eher als Grafikdesignerin denn als Künstlerin bezeichnen. Ich male und zeichne zwar auch einige wenige Bilder, aber ich bin eben nicht wirklich das, was ich als „echte“ Künstlerin betrachten würde. Aber um die Frage zu beantworten: In der Schule war ich wie viele Mädchen in meinem Alter verrückt nach Pferden und habe diese dann dauernd in meine Schulhefte gekritzelt. Dann begann ich auch, Ritter, Drachen, Hexen und Schlösser zu malen und habe mir dazu kleine Geschichten ausgedacht: Der dunkle Ritter freundete sich mit der Hexe und dem Drachen an, Mäuse und Katzen schlossen sich zusammen, Pegasus und die Einhörner haben alle gerettet und Medusa verwandelte schließlich jeden zu Stein. Na ja, so ähnlich zumindest. Jedenfalls waren das meine ersten Schritte.
Wie kamst du zum ersten Mal mit Punkrock in Kontakt? Deine Arbeit als Grafikdesignerin war doch sicherlich eng mit der Szene verbunden.
Ja, das kann man so sagen. In den frühen Achtzigern hing ich oft in einem Club namens Itchabods in L.A. herum, wo all die großartigen Bands wie ADOLESCENTS, SOCIAL DISTORTION oder AGENT ORANGE spielten. Ich war also ein Teil der Szene in Orange County und begann zu der Zeit, erste Coverartworks für die Bands meiner Freunde zu entwerfen. Später habe ich dann auch eine Zeit lang an den Dessous-Katalogen von Frederick’s Of Hollywood und als Hostesse bei Tiny Nailor’s gearbeitet. Danach kam ich für mehrere Jahre in der Werbebranche unter und bin letztendlich wieder bei der Arbeit für Bands gelandet.
Hast du eine Kunstakademie besucht oder jemals eine Ausbildung als professionelle Künstlerin genossen?
Ich ging unter anderem auf die California Polytechnic State University in San Luis Obispo, was einer der wundervollsten Orte auf der ganzen Welt ist, und habe dort meinen Abschluss in Angewandter Kunst und Design gemacht. Das eigentliche Studieren habe ich aber nicht besonders ernst genommen und das meiste von dem, was ich heute kann, habe ich mir selber beigebracht.
Wie sieht dein Arbeitsumfeld aus? Hast du ein Atelier?
„Atelier“ wäre übertrieben. Ich habe in meinem Haus ein paar Büroräume, in denen ich die meisten meiner Arbeiten erledige und in denen viele Computer, Drucker, Staffeleien, eine Sammlung von alten Bildbänden und viel anderer Kram herumliegen.
Kannst du dich noch an das erste Cover erinnern, dass du für eine Band designt hast?
Klar. Die Band hieß D.I. und das Cover zeigte das Bild eines merkwürdig aussehenden Hundes. Das wurde dann ihr Logo, das sie noch viele Jahre lang verwendeten.
Wie würdest du die Herangehensweise an die Gestaltung eines Plattencovers für eine Band beschreiben? Ist die eigentliche Kreativität oder nur das pure Handwerk wichtiger?
Ich würde sagen, beides ist gleich wichtig. Die Vorbereitung auf den Druckprozess verlangt in der Tat eher handwerkliches Geschick, aber das eigentliche Design entsteht ziemlich intuitiv. Mein Ziel ist es immer, die Philosophie und das Image der Band durch das Cover zu repräsentieren, so dass man schon erahnen kann, welche Musik einen auf dem Album erwarten wird.
Haben die Bands schon vorgefertigte Ideen, wenn sie dich anfragen, oder lassen sie dir bei der Gestaltung freie Hand? Bei deiner Arbeit für die TOOL-Alben „Lateralus“ und „10 000 Days“ habe ich den Eindruck, dass speziell Adam Jones stark in den Entstehungsprozess verstrickt war.
Gut erkannt. Adam war tatsächlich die treibende Kraft hinter diesen beiden Covers und hatte mir schon eine Richtung vorgeben, an der ich mich orientiert habe. Innerhalb dieser künstlerischen Vision gab er mir jedoch auch genug Freiräume, in denen ich eigene Ideen einbringen konnte.
Betrachtest du es in gewissem Sinne auch als eine Art Herausforderung, wenn du mit Musikern und Bands zusammenarbeitest, die eher als schwierige Charaktere bekannt sind, wie etwa TOOL oder Mike Patton?
Ich habe ja nur einmal mit Mike zusammengearbeitet. Er hatte wirklich sehr eigenwillige Vorstellungen, von dem, was er für das MR. BUNGLE-Album „California“ wollte, konnte diese aber auch klar formulieren. Damit hatte ich keine Probleme. Und mit Adam von TOOL kam ich extrem gut klar und ich habe es sehr genossen, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Für wen würdest du unbedingt mal ein Cover entwerfen wollen, wenn du die Chance dazu hättest?
Da würden mir spontan viele einfallen. Aus vielen Gründen sicherlich für Madonna, allerdings auch für RADIOHEAD, U2, Willie Nelson, ZZ TOP oder Nick Cave.
Wenn man sich deine Bilder ansieht, erkennt man viele verschiedene Stile, realistische und abstrakte Motive, grelle und blasse Farben, symmetrische und asymmetrische Formen. Liege ich richtig, dass du keine bestimmte Philosophie verfolgst oder spezielle Leitmotive benutzt?
Nun, ich denke, meine Leitmotive sind das Schizophrene und die Intuition. Ich versuche aber in erster Linie, etwas zu schaffen, das die Musik des jeweiligen Albums widerspiegelt. Es ist also weniger die Aufgabe meiner Bilder, mich selbst zu reflektieren.
Bist du der Meinung, dass Kunst heute noch das Potenzial oder gar die Pflicht hat zu provozieren? Oder glaubst du, dass die meisten Menschen heutzutage schon so abgestumpft sind, dass sie nichts mehr wirklich schockieren kann?
Ich denke, dass vor allem Kommunikation der Sinn der Kunst ist. Wenn man also etwas Provokatives schaffen und kommunizieren möchte, so ist das aus meiner Sicht auch heute noch möglich. Auch wenn wir uns alle durch den täglichen Wahnsinn in der Welt immer seltener schockiert fühlen, so glauben wir doch trotzdem, dass alles seinen natürlichen Lauf hat: die Autos werden immer auf der rechten Seite fahren, die Tiere im Zoo werden in ihren Käfigen bleiben und unsere Nahrung wird uns garantiert nicht selber auffressen. Wenn also etwas nicht auf die Art und Weise geschieht, wie wir es erwarten, fühlen wir uns doch auch heute noch schockiert. Wer also mit seiner Kunst provozieren möchte, der wird auch heute dazu Möglichkeiten finden. Außer der Provokation gibt es zum Glück aber noch unzählige andere faszinierende Botschaften, die Kunst vermitteln kann.
Was denkst du über politisch motivierte Künstler wie Eric Drooker? Sind soziale Themen Antrieb für deine Arbeit?
Dieser Eric Drooker kann wirklich fantastisch zeichnen. Ich bin immer wieder beeindruckt, von der Art, wie er seine Ideen künstlerisch umsetzt, und ich weiß, wie viel Können und Arbeit in diesem Zeichenstil stecken. Trotzdem sind politische Themen keine Inspirationsquellen für mich. Ich bin eher von psychologischen und spirituellen Themen beeinflusst. Psychologie empfinde ich auch wesentlich interessanter als Politik, wobei ich mir sicher bin, dass auch in diesen beiden Bereichen Überschneidungen vorhanden sind.
In Anbetracht der Entwicklungen der Musikindustrie in den letzten zehn Jahren mit sinkenden Plattenverkäufen und einer steigenden Bedeutung von digitalen Musikformaten, scheint das klassische Coverartwork für ein Album eine aussterbende Spezies zu sein. Wie reagierst du auf die Veränderungen?
Ich arbeite auch weiterhin außerhalb der Musikindustrie am Design von Internetseiten und Büchern sowie für die Öffentlichkeitsarbeit von kleineren Firmen. Außerdem stelle ich auch weiterhin Kunstdrucke und Postkarten bei mir zu Hause her, so dass ich beschäftigt genug bin. Dieser Niedergang der Musikindustrie trifft mich finanziell deshalb nicht so hart.
Neben deiner Tätigkeit als Künstlerin und Grafikdesignerin hast du auch Bass in den MELVINS-Nebenprojekten GET HUSTLE und GASHLEY SNUB gespielt. Was bedeutet das Musikmachen für dich?
Musik ist genau wie Grafikdesign eine Form der Kommunikation. Das Einzigartige beim Musikmachen ist für mich der intensive Austausch von Gefühlen und Erfahrungen mit Leuten, die im Publikum stehen, die du nicht kennst und die auch dich nicht wirklich kennen. Trotzdem spürt man eine Verbindung zu diesen Menschen, was ein interessantes Phänomen ist. Davon abgesehen, macht es Spaß zu spielen. Und ich interessiere mich eben nur für Dinge, die mir auch Spaß machen.
Du bist mit Buzz nun schon seit 15 Jahren verheiratet – ein Leben, das für die meisten Leute aus der Punk- und Künstlerszene nicht gerade typisch ist. Wie darf man sich den Alltag eurer Ehe vorstellen?
Ich würde uns als ein Durchschnittsehepaar bezeichnen. Bei uns ist es weder laut noch chaotisch, und besonders interessant erst recht nicht. Wir leben in den Hollywood Hills in einer kleinen Hütte, die in den vierziger Jahren gebaut wurde. Ein paar Mitglieder von THE MAMAS AND THE PAPAS haben hier einmal gewohnt. Es ist ruhig, sicher und wir haben die Gegend gern. Ansonsten haben wir beide genug zu tun: Buzz ist ein begeisterter Golfer und Baseball-Fan, ich praktiziere Yoga und kümmere mich um unsere drei Hunde. Ziemlich langweilig also.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #83 April/Mai 2009 und Marcus Latton