LUCKY PUNCH

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China-Tour - 02. bis 24. Dezember 2005

Nichts ahnend ließen sich die Münchner Punkrocker THE LUCKY PUNCH zu einer dreiwöchigen China-Tour überreden ... Und ehe sie sich versahen, saßen sie am Münchner Flughafen und genehmigten sich ein paar Abschiedsweißbiere, um sich schon mal mächtig auf den heißen Trip einzugrooven. Hier nun ihr Reisebericht.


Nach einem zehnstündigen Flug kommen wir nicht gerade taufrisch am Flughafen Peking an. Während des Wartens auf unseren Tourmanager werden wir zu unserer Überraschung von einem Starbucks-Angestellten erkannt, beziehungsweise darauf angesprochen, ob wir denn die mit großer Spannung erwartete Band THE LUCKY PUNCH wären. Acht langhaarige, teils strohblonde Europäer fallen hier wohl doch etwas aus der Reihe! Ansonsten ist es hier genauso scheißkalt wie in Deutschland und die Gerüchte über ständig herumspuckende Chinesen bestätigen sich ziemlich schnell. Mit dem Tourmanager Mai Dien fahren wir dann in einem vollkommen überbeladenen Mini-Van direkt vom Airport zum Venue - ein westlich orientierter, mit gutem Equipment bestückter Club, in dem unter anderem auch schon THE (INT.) NOISE CONSPIRACY gespielt haben. Total euphorisiert und voller Rock'n'Roll in den Adern hauen wir dem Publikum, das aus vielen Europäern und insgesamt circa 70 Leuten besteht, unser Set vor den Latz. Obwohl die Stimmung gut ist, hätten wir uns für einen Samstagabend in einer Millionen-Metropole wie Peking doch etwas mehr Leute erwartet. Wie wir gleich mal erfahren müssen, steckt der Rock in vielen Landstrichen Chinas noch ziemlich in den Kinderschuhen; die meisten Leute kennen noch nicht mal die ROLLING STONES oder andere große Bands wie METALLICA zum Beispiel. Komischerweise gibt es in kleineren Städten aber doch eine ziemlich aktive Szene, die dann auch geschlossen bei den Konzerten auftaucht; es soll also doch noch knallen! Nach einigen Schnäpsen und immerhin zwei Stunden Schlaf in den letzten zwei Tagen fallen wir so gegen vier Uhr alle ins Koma.

Zwei Stunden später klingelt der so heiß geliebte Wecker und wir müssen schleunigst zum Hauptbahnhof, um unseren Acht-Uhr-Zug ins etwa 700 Kilometer nordöstlich gelegene Changchung zu erreichen. Da wir gestern zusätzlich zu unserem vorhandenem Gepäck auch noch neun Kisten Merchandise erhalten haben, benötigen wir alles in allem vier Taxis, die bis oben hin voll gepackt sind. Das Chaos nimmt seinen Lauf ... Nach wilden Diskussionen mit Gepäckträgern und Schaffnern (Lob unserer Dolmetscherin und Tourmanagerin YuanChun Lin), dem sinnlosen Durchleuchten all unserer Koffer und Kisten und natürlich ohne Frühstück im Bauch, erreichen wir gerade noch rechtzeitig unseren Zug. Trotz des erheblichen Schlafdefizits und einigem Restalkohol im Blut muss immer jemand auf unser ganzes Zeug aufpassen, welches wir wegen Platzmangel im Bereich zwischen den Waggons gestapelt haben. Zur allgemeinen Freude haben wir den 58 Jahre jungen Tourroadie und -koordinator Peter Zwingmann dabei. Ein erstklassiger Alleinunterhalter, der ohne mit der Wimper zu zucken drei Wochen am Stück ohne Schlaf auskommen kann. Hoch motiviert und arbeitswütig, dabei aber immer einen flotten Spruch auf den Lippen, übernimmt er die von ihm selbst gewählte Aufgabe des Gepäckwächters und Edelroadies.

Mit zweistündiger Verspätung kommen wir um 17.30 Uhr an, der Gig sollte allerdings bereits um 17 Uhr stattfinden. Dementsprechend hektisch geht es am Bahnhof weiter. Der Zug hält nur circa zwei Minuten, Leute wollen wohlgemerkt gleichzeitig ein und aussteigen, was uns die Sache mit unserem 1.000-Kilo-Gepäck nicht gerade erleichtert, da zu allem Überfluss auch nur genau eine Tür pro drei Waggons geöffnet wird. Warum das so ist, konnten wir bis heute nicht in Erfahrung bringen ... Schleunigst begeben wir uns mal wieder mit vier Taxis in die Mix-Bar, in der auch schon ungefähr 200 Gäste angespannt auf unser Erscheinen warten. Von Applaus begleitet begeben wir uns sofort auf die Bühne, um trotz nichtvorhandenem Equipment (schrottreifes Schlagzeug, keine Verstärker) einen Soundcheck hinzulegen. Da wir mit den Gitarren direkt ins Mischpult gehen, ist der Sound dementsprechend, das Publikum scheint dies aber nicht besonders zu interessieren; die Stimmung ist am Kochen und total überwältigt legen wir hier als erste ausländische Band einen sahnemäßigen Gig aufs Parkett. Um halb neun muss auch schon wieder Schluss sein, weil die Disco vom örtlichen Veranstalter nur für ein paar Stunden gemietet ist und nach dem Konzert der normale Betrieb mit China-Pop und Karaoke (in ganz China sehr angesagt) für die reicheren Leute stattfindet. Dies ist in vielen Orten der Fall, da es oft keine wirklichen Live-Clubs gibt.

Nach einem sehr erfolgreichen Gig stehen wir selbstverständlich noch für etliche Autogramme und Fotos bereit. Gewohnt hektisch geht es zurück zum Bahnhof, wir müssen schließlich den Nachtzug ins etwa 550 Kilometer entfernte Dalian erwischen! Gegessen haben wir außer ein paar leckeren Instant-Suppen heute noch nichts, dies wollen wir aber im Speisewagen nachholen. Hätten wir vorher auch nur ansatzweise über die hygienischen Zustände im Zug Bescheid gewusst, hätten wir uns dies sicher zweimal überlegt und wären wohl lieber bei der Suppe geblieben. Immerhin haben wir diesmal Liegewagen, Kategorie Holzklasse, kein Witz. Die Freude darüber hält aber nicht lange an, denn die Schlafabteile sind offen, also nicht durch Türen voneinander getrennt, außerdem teilt sich jeder von uns das Abteil mit ein paar chinesischen Landsleuten, da man die Plätze nicht zusammenhängend buchen kann. Dazu kommt durchgehend ein sehr penetranter Sound aus den Zuglautsprechern, was das Einpennen doch sehr erschwert. Nach und nach macht sich auch noch ein süßlich-modriger Gestank in unseren Nasen breit und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Folgerichtig entschließen wir uns also, die zehnstündige Nachtfahrt durchzusaufen - für P. Zwingmann ändert sich damit der Tagesablauf allerdings nicht sehr gravierend.

Total hacke kommen wir um sieben Uhr morgens im von Schneestürmen heimgesuchten Dalian an. Die freundlichen örtlichen Veranstalter holen uns mit zwei Minibussen ab und chauffieren uns in ein sehr ansprechendes Hotel erster Klasse. Da wir heute einen Day-Off haben, freuen wir uns, endlich mal auszupennen. Daraus wird aber nichts; kaum abgelegt, stehen plötzlich die Bullen in unserem Zimmer und wollen unsere Personalien aufnehmen. Haben wir doch glatt unwissentlich unsere Pässe an der Rezeption nicht abgegeben, was zu diversen Komplikationen führt; da hat uns wohl einer bespitzelt, Kommunismus lässt grüßen! Am Abend beschließen wir, endlich mal ein richtiges chinesisches Festmahl zu uns zu nehmen. Wir sollen nicht enttäuscht werden ... Begrüßt werden wir, indem die Bedienung erst mal auf den Boden spuckt und uns erst dann fragt, welchen Tisch wir den gerne haben würden. Wir bestellen Hühnchen, Schwein und Gemüse. Als Höhepunkt gibt es sauer angemachten Rindsmagen, Entenschnauze, Riesenfrosch und natürlich den obligatorischen Hund. Da kleinere Tiere wie Hühnchen und Frosch immer komplett gehäckselt werden, haben wir mit etlichen kleinen Knochen zu kämpfen. Für die restlichen Anwesenden stellt das aber kein Problem dar; man lutscht einfach solange am Fleisch herum, bis man die Knöchelchen genüsslich auf den Boden spucken kann. Auch Zigarettenstummel, Servietten und sonstiger Müll landen dort. Einige von uns bleiben dann doch lieber bei Reis und Gemüse. Dazu ein paar Bierchen und der Hunger ist gestillt. Gut gesättigt entschließen wir uns, die Nachtruhe in Dalian noch etwas zu stören und begeben uns in eine Karaoke-Bar. Diese stellt sich allerdings als anrüchiges Etablissement heraus, es werden uns sogleich einige Mädchen angeboten. (Dazu ist zu erwähnen, dass Bordelle meistens als Friseursalons getarnt sind. Wir hatten uns schon gewundert warum die "Friseurinnen" uns immer zugewunken haben ...) Wir ziehen also in eine normale Bar weiter und lassen es dort ordentlich krachen.

Am nächsten Tag schicken wir erst mal die Hälfte unseres Merchandise nach good ol' Germany zurück, denn die ewige Schlepperei geht uns allen tierisch auf den Sack, und ein Packesel war auch nicht aufzutreiben. Der Gig in Dalian wird wieder ein Highlight, trotz gerade mal fünf Grad Celsius im nicht beheizten Rock-Action-Club, welcher sich im Keller eines Hochhauses befindet. Die Aftershow-Party wird auch wieder grandios, es ist jede Menge Alk (krasser chinesischer Schnaps, der über fünfzig Prozent hat und wie Parfum schmeckt) und Homegrown vorhanden. Dass wir hier etwas zu kiffen aufstellen können, hätten wir auch nicht für möglich gehalten!

Tags drauf fliegen wir nach Shanghai, denn das Ticket ist billig und wir können uns so rund 1.000 Kilometer Zugfahrt sparen. Nach dem ersten erfolgreichen Auftritt in Shanghai geht es per Zug weiter nach HangZhou und anschließend nach NanJing, bevor wir ein zweites Mal in Shanghai Gas geben. Der Ark-Club hier ist einer der teuersten Läden der Stadt, ein kleines Bier kostet hier rund sieben Euro (zum Vergleich: im Laden kostet eine Flasche vom billigsten Schnaps ungefähr 25 Cent) und Udo Lindenberg ist dort auch schon aufgetreten. Der Gig wird allerdings ein Flop, denn die wenigen Neureichen sitzen demotiviert an ihren Tischchen, speisen und vergnügen sich mit Würfelspielen. Echte Rocker können sich den Laden nicht leisten. Die Zugfahrt von Shanghai nach Changsha wird dann eine echte Odyssee; da der Schnellzug ausfällt, werden aus geplanten 15 Stunden 19, und weil das noch nicht genug ist, hat es der Schaffner nicht besonders eilig und so kommen wir nach 28 Stunden Zugfahrt wohlbehalten an. Der Gig findet in einer Art Punker-Kommune statt, die Stimmung ist aufgeheizt und aggressiv, immerhin warten die Leute schon einige Stunden auf uns. Da es keine Bühne gibt und das Publikum während unseres Auftritts komplett ausrastet, hat es unser Security Peter Zwingmann nicht gerade leicht und muss einige mit Springerstiefeln bewaffnete Stagediver mit seinem Rücken beziehungsweise Kopf abfangen.

Der weitere Tourverlauf gestaltet sich wie folgt: WuHan-Rockcity, AnYang, XiAn, ChengDu, ChongQing, KunMing, GuiLin, GuangZhou und Hongkong ... Der Gig in Hongkong wird aus bis heute ungeklärten Gründen leider abgesagt, was uns aber nicht wirklich stört, da wir hier nach tausenden zurückgelegten Tourkilometern endlich einmal etwas Sightseeing machen können. Hongkong hat mit dem Rest von China eigentlich nicht viel gemeinsam, hier herrscht eine komplett andere Atmosphäre, alles ist sauber (Spucken per Gesetz verboten, wird mit circa 500 Euro Geldstrafe belangt) und es lassen sich sogar mal Sitzklos finden. Der Abschlusstag in Hongkong endet für einige von uns erneut mit dem Verlust der Muttersprache, macht aber nix, wir sind ja eh in China. Morgen, am 24. Dezember, geht's zurück nach Munich-Town, hoffentlich kommen wir pünktlich zur Bescherung an.

Also, Leute: China ist jederzeit eine Reise wert und wer's nicht glaubt, den soll der Blitz beim Scheißen erschlagen! Dank geht hier noch raus an unseren Kameramann Martin Henne und den treuen Tourbegleiter Simon Hess. Stay tuned, don't forget to boogie and for more impressions and pics check out.