Wie schnell Szenegrenzen verschwimmen können und ganz egal werden, zeigt sich besonders dann, wenn Musik sich gut und richtig anfühlt. Bei LOVELINE aus Essen und ihrem Emocore-angehauchten Punkrock kann das sehr schnell passieren. Die zwei auf ihrem Demotape enthaltenen Songs haben enorm viel Power und strotzen nur so vor Spielfreude. Sie sind schnell, melodisch und immer wieder auch ein bisschen vertrackt. PROPAGANDHI, STRIKE ANYWHERE und A WILHEM SCREAM lassen grüßen. Wie wichtig DIY für Sänger Lukas, die beiden Gitarristen Micha und Gerrit sowie Bassist Chris und Schlagzeuger Bonny ist, dass sie eigentlich keine junge Band mehr sind und warum die linke Szene kein Nachwuchsproblem hat, erklären sie im Interview.
Ich könnte es euch ja jetzt einfach machen und LOVELINE in eine ganz bestimmte Schublade stecken. Vielleicht wollt ihr das ja selbst übernehmen und versuchen, euch so objektiv es geht zu beschreiben?
Micha: Da ich mich schon länger in der Punkrock-Hardcore-Szene bewege, würde ich uns auch dort verorten.
Lukas:[/b] Ich würde uns grob in die DIY-Punk-Szene einordnen, in der es ja auch gar nicht so einfach ist, Bands bestimmte Stempel aufzudrücken. Wo vor ein paar Jahren vielleicht nur zwei Punkrock-Spielarten den Ton angegeben haben, ist die Szene mittlerweile enorm vielseitig. Für mich haben wir einen starken Emocore-der-Nuller-Jahre-Einschlag.
Gerrit: Wir haben sicherlich auch noch einen thrashigen Punkrock-Einfluss, der stark von PROPAGANDHI geprägt ist.
Könnt ihr etwas darüber erzählen, wie ihr euch als Band gefunden habt? Hat jemand im DIY-Punkrock-Forum einen Post abgesetzt und ihr habt alle darauf reagiert?
Bonny: Micha und ich haben in unserer alten Band STARRY zusammengespielt und die Initialzündung für LOVELINE eingeleitet. Gerrit haben wir tatsächlich ganz klassisch übers Internet gefunden.
Micha: Zu Beginn waren wir, Bonny, unser damaliger Bassist und ich zu dritt, als wir uns auf Sänger- und Gitarristensuche gemacht haben. Nach vielen frustrierenden Kandidaten, die sich über das Internet an uns gewandt haben, sind wir auf Gerrit und Lukas gestoßen.
Gerrit: Ich erinnere mich noch gut an den Post, in dem ihr euch als Band zwischen PROPAGANDHI und VENGABOYS vorgestellt habt.
Da ihr vor LOVELINE schon in anderen Bands aktiv wart, würde mich interessieren, was euch dieses Mal besonders als Band antreibt.
Chris: Geld!
Micha: Wenn wir nur des Spaßes wegen Musik machen würden, könnten wir uns auch im Proberaum verschanzen. Ich finde den Gedanken, dass LOVELINE jemand anderen begeistern können, wie viele kleine Bands es bei mir gemacht haben, sehr spannend.
Lukas: Da wir alle Jobs haben, war es eine sehr viel aktivere Entscheidung, Musik zu machen, als es vielleicht noch vor ein paar Jahren war. Ich nehme lange Anfahrtswege zum Proberaum in Kauf, weil ich die Herausforderung mag, mich musikalisch zu entwickeln. Darüber hinaus gibt mir das Musikmachen unheimlich viel zurück.
Bonny: Uns macht es enorm Spaß, uns in der linken Subkultur aufzuhalten, da wir uns dort auch irgendwie einbringen möchten. Wir spielen lieber in AZs als in größeren Hallen. Auch wenn wir dafür vielleicht mehr Geld bekämen, geht es uns auch irgendwie darum, die Szene zu supporten und ein Stück weit auch mit am Leben zu halten.
Würdet ihr sagen, die linke Punkrock-Szene hat ein Nachwuchsproblem?
Bonny: Wir haben gestern ein Konzert in Aachen gespielt, bei dem der Gedanke, dass die Szene etwas stagniert, erfreulicherweise widerlegt wurde. Unter anderem standen da hinter der Theke eine Menge junger Leute, die um die zwanzig waren und den Laden geschmissen haben.
Gerrit: Je älter wir werden, desto mehr verlieren wir jüngere Leute aus den Augen. Die linke Punkrock-Szene lebt. Wir nehmen sie nur unterschiedlich wahr.
Chris: Es scheint so, als sei die Motivation, etwas aktiver zu werden, im Moment wieder größer.
Lukas: Unterstützt durch die sozialen Medien engagieren sich viele Menschen ja für Themen wie Feminismus oder Ähnliches. Das hat in meiner Jugend damals nicht so eine große Rolle gespielt. Heutzutage kommen klassische linke Themen immer mehr in der Allgemeinheit an. AZs werden immer wichtiger als Orte, an denen sich Gleichdenkende treffen. Dabei öffnet sich die Szene immer mehr und ist enorm aktiv.
Wie steht ihr als neue und noch relativ unbekannte Band zu den unbegrenzten Möglichkeiten des Internets?
Gerrit: Ich sehe nur positive Aspekte. Da jeder durch Streamingportale quasi jederzeit neue Musik für sich entdecken kann, birgt das Internet vor allem für junge Bands sehr viele Möglichkeiten.
Bonny: Wir profitieren in dem Fall vor allem beim Booking davon.
Micha: In unserer Szene passiert noch immer viel über Live-Präsenz. Wenn du es aber schaffst, in die entsprechenden Playlists zu kommen, kommt am Ende auch das eine zum anderen.
Lasst uns einen Blick in die Zukunft werfen: Was kommt für euch nach der Produktion des Demotapes samt Videodreh und Konzerten nun als Nächstes?
Micha: In den nächsten Wochen werden wir ins Studio gehen und unsere erste Platte aufnehmen. Parallel dazu werden wir uns mit dem Demotape natürlich auf Labelsuche begeben, um hoffentlich dieses oder Anfang nächsten Jahres das Album veröffentlichen zu können.
Bonny: Und natürlich so viele Konzerte spielen wie möglich.
Micha: Schließlich müssen wir uns ja auch erst noch einen Namen machen.
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