Immer wieder kommt man an Orte, an denen man früher viele tolle Konzerte erlebt hat. Clubs, an deren Stelle jetzt Parkplätze, Neubauten oder Wiesen zu finden sind. Viele dieser Locations sind heute kaum noch wiederzuerkennen.
Allen voran natürlich Die Schreinerei am Obertor in Schweinfurt. Anfang Mai 1985 ging das Kulturhaus offiziell in Betrieb. Ein kollektiv betriebener Laden mit Kneipe, Konzertsaal und Biergarten. Direkt gegenüber eine riesige Liegewiese und ein kleiner Park namens Fichtelsgarten. Die Schreinerei war ein Hort der Kreativität. Von hier aus wurden Pläne für Demos geschmiedet, alternative Passionsspiele organisiert und die Umsonst & Draußen-Festivals auf den Mainwiesen geplant.
Die ehemalige Möbelschreinerei war Anlaufstelle für Punks, Alternative und Freaks. Unzählige Schweinfurter Bands wie TAGTRAUM, KALTER KRIEG oder SISTER ON NAME haben im Saal ihre ersten Konzerterfahrungen gesammelt. Im Haus gab es eine eigene Programmgruppe, die Konzerte mit Künstlern wie TOXOPLASMA, STEAKKNIFE oder Sonny Vincent organisierte. US- und Schwedenbands wie IGNITE, SNAPCASE, REFUSED, MADBALL, SLAPSHOT oder sogar RANCID brachte Steffen Rose von Navigator Productions auf die Bühne.
Mitte der Neunziger hieß es dann, die Schreinerei muss abgerissen werden. Das Kollektiv zog in den ehemaligen städtischen Bahnhof um und gründete den Stattbahnhof, den es bis heute gibt. Das Grundstück wurde dann jahrelang als Parkplatz genutzt. Heute steht an der Niederwerrner Straße ein neu errichtetes Seniorenheim.
Schon 1982 wurde das Autonome Kulturzentrum AKW in Würzburg gegründet. Zuerst in einer ehemaligen Autowerkstatt in der Martin-Luther-Straße, ab 1992 landete der Laden im Stadtteil Zellerau auf dem ehemaligen Bürgerbräu-Gelände in der Frankfurter Straße. Ähnlich wie die Schreinerei in Schweinfurt war das AKW Anlaufstelle für die links-alternative Szene mit großem Kneipenraum, Biergarten und Konzertsaal. Das Konzertprogramm war geprägt vom Indie-Sound der Neunziger mit Bands wie BLACKMAIL, BRIGHT EYES, THE NOTWIST oder DIE STERNE. Aber auch im AKW gab es unzählige Punk- und Hardcore-Shows. YUPPICIDE haben dort sogar ein Live-Album aufgenommen. Bands wie 108, WEAKERTHANS oder PARTY DIKTATOR standen auf der Bühne. Nach vielen Jahren musste das AKW Insolvenz anmelden und schloss im April 2009 endgültig seine Pforten.
Seit Ende Mai 2012 wird dort Schickimicki und Business gemacht. Das Hauptgebäude wird von einem Architekturbüro genutzt. Der Kommerz hat die Subkultur gefressen. Ein Ersatz für das AKW wurde nie geschaffen, das Betreiberkollektiv löste sich auf.
Eine ähnlich lange Tradition wie das AKW hat in Würzburg das Immerhin. Ab 1985 gab es das Haus am Friedrich-Ebert-Ring mit der bunten Hippie-Sonne an der Fassade als Jugendclub der evangelischen Kirche. Rund 25 Ehrenamtliche haben dort unzählige Konzerte, Mottopartys, DJ- und Filmabende veranstaltet. Irgendwann war das Gebäude am Würzburger Ringpark nicht mehr zu retten. Nur der Putz hielt das Haus mit der Sonne noch zusammen, es regnete rein, die Statik war akut gefährdet. Das Haus wurde abgerissen, jetzt ist dort ein Parkplatz. Im Frühjahr 2010 zog das Immerhin-Team nach langer Suche in den Keller der Posthalle direkt neben dem Hauptbahnhof und hat sich zum besten Punk- und Hardcore-Club der Stadt entwickelt. Leider steht die Zukunft vom Immerhin aktuell auf der Kippe, weil eine Investorengruppe das gesamte Areal der Posthalle aufgekauft hat, alles abreißen will und dort lukrative Wohnungen, Büros und Boutiquen errichten will. Ein neues Zuhause fürs Immerhin ist noch nicht in Sicht.
Ab 1984 gab es in Würzburg noch eine weitere Location für Punk- und Hardcore-Shows. Im Komplex der Großraum-Disco Airport öffnete der Rockpalast seine Pforten. Geld wurde vor allem mit Schülern und Studenten gemacht, die mit Doppeldecker-Aktionen angelockt wurden. Es gab aber auch einige ziemlich gute Konzerte dort unter anderem von SICK OF IT ALL oder SPERMBIRDS. Inzwischen feiern dort nur noch die Techno-Fans.
Ähnlich beliebt wie das AKW in Würzburg war das KOMM in Nürnberg. Das selbstverwaltete Kulturzentrum entstand 1973 im ehemaligen Künstlerhaus direkt gegenüber vom Hauptbahnhof. Die Räume wurden lange für Ausstellungen, politische Arbeit und natürlich Konzerte genutzt. Zum Teil im Saal im ersten Stock, zum Teil im Café im Erdgeschoss. Legendäre Shows von NOMEANSO, ADOLESCENTS, UK SUBS, D.O.A. oder EA80. 1997 wurde das KOMM von der Stadt Nürnberg geschlossen. In radikal umgestalteten Räumen gab es bis 2008 noch das K4, ein städtisch verwaltetes Kulturzentrum. Die Konzerte liefen weiter. Vor allem im Zentralcafé im Erdgeschoss, wo die beiden freien Veranstaltungsgruppen Musikverein und Cafe Kaya jahrzehntelang Shows, Partys und Lesungen abseits des Mainstreams organisierten. Das Haus wird aktuell komplett umgebaut und die Kantine auf der anderen Straßenseite wird so lange als Ausweichquartier genutzt. Danach soll der Musikverein einen neuen Raum im Keller des Künstlerhauses bekommen. Die Subkultur verschwindet dann im Untergeschoss.
Schlimmer hat es die Programmmacher im Sound’ n’ Arts in Bamberg getroffen. Das war ein Club direkt in der Kneipenmeile in der historischen Altstadt. Ein wunderschöner Gewölbekeller mit kleiner Bühne und Gastraum. THE OFFENDERS haben wohl in keinem anderen Laden außerhalb Berlins so viele Konzerte gespielt wie dort. Bands wie JINGO DE LUNCH, BAMBIX oder BUSTER SHUFFLE haben sich dort die Klinke in die Hand gegeben. Am 31. Juli 2019 dann der Schock. Das Haus in der Oberen Sandstraße 20 wurde von einem Tag auf den anderen dichtgemacht und wird seitdem von Balken gestützt. Akute Einsturzgefahr, heißt es. Unmöglich, dort weiter Gastronomie zu betreiben, sagt die Stadt. Ende 2019 hat sie das alte Haus für 550.000 Euro gekauft und will das schützenswerte Denkmal jetzt renovieren. Dass dort jemals wieder Subkultur existieren wird, ist kaum vorstellbar.
Nur von kurzer Dauer war der Konzertbetrieb im Black Cat in Wertheim. Das ist zwar schon in Baden Württemberg, aber quasi nur auf der anderen Mainseite. Dort hatte Steffen Rose von Navigator Productions für rund drei Jahre eine ehemalige Diskothek angemietet und dort unzählige Punk- und Hardcore-Shows durchgezogen. Unter anderem standen dort NOFX oder RICH KIDS ON LSD auf der Bühne. Aus Kostengründen war dort aber relativ schnell wieder Schluss. Heute ist dort ein Fitness-Center untergebracht.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #153 Dezember/Januar 2020 und Wolfram Hanke