HIGLEY, deren Album dieses Jahr erschien, haben nicht nur DESCENDENTS-Schlagzeuger Bill Stevenson sowie Kevin Carl und Duane Kiener, die beide einst bei G-WHIZ spielten, in ihren Reihen, sonder auch Sänger James Menefee, den man von RIVER CITY HIGH kennt. Und der wiederum hat mit LONG ARMS eine weitere Band am Start, deren Album „Young Life“ eben auf Dead Serious veröffentlicht wurde. Wie das alles so war und ist mit all seine Bands, das wollte ich von James wissen.
James, bevor wir über deine letzte Veröffentlichung und Band sprechen, gib uns doch bitte einen Überblick über deine musikalische Karriere. Laut Discogs begann sie vor circa zwanzig Jahren mit RIVER CITY HIGH ...
Eigentlich ging es sogar schon früher los, mit meiner ersten Band, FUN SIZE. Wir begannen zu spielen, als ich gerade zwölf Jahre alt war! Verrückt, oder? Wir haben zwei Platten veröffentlicht und zwei 7“s. Wir blieben zusammen, bis ich 19 war, RIVER CITY HIGH kamen dann ein Jahr später. FUN SIZE waren eine der ersten Bands, die von Fueled By Ramen unter Vertrag genommen wurden, das damalige Label von Vinnie von LESS THAN JAKE. Wir spielten ein paar US-Tourneen und machten das für einen Haufen Teenager in einem Van richtig gut. Die Highschool abschließen und dann, als alle anderen zum Strand gingen, bin ich auf Tour gegangen. FUN SIZE veröffentlichten 2012 dann noch mal eine Platte, „Since Last We Spoke“, die viel besser wurde, als ich ich dachte, und 2016 eine Art Diskografie namens „Mallcore: An Anthology“. Ihr findet beides online. RIVER CITY HIGH begannen kurz danach, um 1999/2000. Wir haben uns für ein paar Jahre lang richtig angestrengt und insgesamt drei EPs und zwei komplette Alben veröffentlicht. RIVER CITY HIGH tourten mit Bands, die später sehr groß geworden sind, und wir hatten das Privileg, eine großartige Europatour mit den BEATSTEAKS zu machen, darunter ein paar meiner persönlichen Lieblingsshows. Stell dir vor, du tourst zum ersten Mal durch Europa und dann gleich mit den BEATSTEAKS! Ich hatte so ein Glück. RIVER CITY HIGH haben zugleich aber auch die allerdümmsten Fehler gemacht und es gibt viel, was ich heute anders machen würde. Es war die klassische Geschichte einer Band, die bei einem Majorlabel unter Vertrag genommen wird, deren Album aber nie erscheint. Die Plattenfirma, bei der wir unterschrieben hatten, wurde damals von einer anderen Firma geschluckt, wie das eben mit Firmen passiert, und die neuen Besitzer wussten nichts über ihre weniger berühmten „Neuerwerbungen“, und wir hatten auch nicht die Zeit, uns bemerkbar zu machen. Da waren wir also, zwei Jahre später, ohne Label und ohne Platte, und dabei hatten wir jahrelang Songs geschrieben und aufgenommen. Was für ein Chaos. RIVER CITY HIGH wurden dann dauerhaft auf Eis gelegt, und ich begann im Jahr 2010, Musik unter dem Namen LONG ARMS aufzunehmen. Wir haben ein paar Platten herausgebracht, aber mit der neuen Platte „Young Life“ habe ich endlich das Gefühl, dass unsere Band tatsächlich etwas erreicht hat, das ich als einen ehrlichen Sound bezeichnen würde.
RIVER CITY HIGH wurde damals mit JETS TO BRAZIL, SAMIAM und JAWBREAKER verglichen. Ihr wart Mitte/Ende der Neunziger Jahre Teil dieses Emo-Punk-Phänomens. Wann hast du dein Interesse an anderen musikalischen Richtungen entdeckt?
Ich fühle mich geehrt, dass ich mit diesen Bands in einem Atemzug genannt werde. Ich liebe diese Bands immer noch sehr. Ich habe neulich eine Dokumentation über JAWBREAKER gesehen, und es hat mich sehr berührt. Ich mochte ursprünglich den amerikanischen Rock’n’Roll der Fünfziger Jahre, vor allem Buddy Holly oder auch die BEATLES und die BEACH BOYS, aber als Punk mein Leben übernahm, war das alles vergessen und ich stürzte mich da kopfüber hinein. Nichts war wichtiger. Ich denke, es mussten schon THIN LIZZY und THE REPLACEMENTS kommen, damit ich, als ich etwa 19, 20 war, wieder etwas wahrnahm außerhalb der Punk-Blase, in der ich mich befand. Nicht dass REPLACEMENTS jetzt nicht auch Punk waren, aber ich hatte mir bis dahin nur die Bands angehört, von denen du ja auch schon gesprochen hast, wie DESCENDENTS, 7 SECONDS, SCREECHING WEASEL oder GREEN DAY. Ich bin im amerikanischen Süden aufgewachsen, und da haben Country & Western und Bluegrass für die musikalische Identität immer eine große Rolle gespielt. Es gibt letztlich so viel Musik da draußen, da erweist man sich selbst einen Bärendienst, wenn man sich auf ein Genre beschränkt.
Wo wir gerade von diesen „anderen Bereichen“ sprechen, LONG ARMS stehen der „klassischen“ US-Rocktradition wie Bruce Springsteen, Tom Petty und so weiter viel näher – oder liege ich da völlig falsch?
Nein, auf keinen Fall, du irrst dich nicht. Ich habe Bruce letztes Jahr dreimal live gesehen! Leider habe ich Petty nie live erlebt. Aber Greg, unser Schlagzeuger, hat ihn im Juli gesehen. Ich habe auf die nächste Tour gewartet, wie idiotisch. Aber einzuordnen, wie wir klingen, darin bin ich wirklich schlecht. Ich schreibe das, wovon ich glaube, dass ich es hören möchte, und das ist der Ausgangspunkt.
Wie viel ist bei dir von Punk noch übrig? Oder anders gesagt: Wie kommt es, dass so viele ältere Punks heutzutage ihre Liebe zu Springsteen und Co. entdecken? Was hat diese Musik, was andere Musik nicht hat?
Das ist eine ausgezeichnete Frage. Punkrock ist der perfekte Sound für jeden Teenager. Da kommt es zu allererst auf die Energie an. Und dann die Texte. Texte, die in eine Lebensphase passen, in der man nach einem tieferen Sinn sucht. Punk beantwortet alle Fragen und hat auch einen sozialen Kontext, mit dem sich ein junger Mensch identifizieren kann. Ironischerweise sind wir jetzt immer noch auf der Suche. Ich habe definitiv noch keine Antworten, aber ich weiß, dass ich woanders suchen musste, um sie zu finden. Ich habe eine Ehrlichkeit bei Tom Petty und Bruce gefunden, die viel mit der Ehrlichkeit von Punk zu tun hat, dieser rohen Energie, die mich damals in den Bann zog. Sicher, es ist eine fokussiertere Art von Energie, doch sie ist genauso echt. Aber es ist auch noch jede Menge Punk in mir.
Das Album-Artwork ist nicht gerade ein klassisches Punk-Albumcover ...
Es ist kein Paul Simonon, der seinen Bass zerschlägt, aber so wie „London Calling“ das Layout von Elvis Presleys erster LP klaute, habe ich ebenfalls ein Kunstwerk für unser Cover übernommen. Als ich anfing, die Songs zu schreiben, sah ich ein Bild des surrealistischen Fotografen Man Ray von zwei Mädchen, eines mit ihren Haaren über dem Gesicht des anderen. Es wirkte so unschuldig und wunderbar, dabei aber auch zweideutig, und ich konnte nicht aufhören, es zu betrachten. Ich hatte gerade den Song „Young life“ geschrieben, und dieses Bild verkörperte alles, was junges Leben für mich ausmacht, und ich wusste, dass ich dieses Bild als Cover verwenden will. Ein Jahr später haben wir das Foto dann mit zwei Freundinnen noch mal nachgestellt.
Du spielst ja auch bei HIGLEY, gibt es noch andere musikalische Projekte?
Nein, aktuell nicht. Obwohl manchmal spiele ich in einer spanischsprachigen RAMONES-Tributeband namens LOS RAMONES Bass, kein Scherz! Ihr findet unser Album auf Bandcamp.
Nachdem jetzt „Young Life“ – und auch das selbstbetitelte Album von HIGLEY – raus sind, können wir da auf eine Tour von beiden Bands in Europa hoffen?
Ich kann es kaum erwarten, mit diesen Bands durch Europa zu touren!
Lebst noch immer noch in oder in der Nähe Richmond, Virginia? Richmond schien damals die Heimat einer neuen, pulsierenden Szene zu sein, mit euch und AVAIL und einigen anderen. Ist davon noch etwas übrig?
Ja, ich wohne immer noch in Richmond. Es ist mein Zuhause. Ich wurde schon oft gefragt, warum ich nie weggezogen bin, aber es ist mir einfach nie in den Sinn gekommen. Daheim ist Daheim. Mark von RIVER CITY HIGH hat Richmond allerdings vor etwa neun Jahren in Richtung Hollywood verlassen, und jetzt ist er der Stylist von Ryan Gosling, also hätte ich mir das vielleicht besser überlegen sollen. Es war wunderbar, in dieser Zeit in Richmond aufzuwachsen, und die Shows waren der Wahnsinn. Es gibt viele Bands, von denen du noch nie gehört hast, die waren auch einfach unglaublich. Es ist immer noch genauso lebendig. Es gibt derzeit an den Wochenenden jeden Abend ungefähr drei Konzerte.
Und wenn du nicht gerade Gitarre spielst und singst, was machst du dann?
Ich arbeite schon seit Jahren hinter dem Tresen in einem kleinen Pub. Und ich lese zu viele Bücher und schaue zu viele Filme. Ich versuche, optimistisch zu bleiben, selbst wenn es so aussieht, als wäre die ganze Welt verrückt geworden, was mir mal mehr, mal weniger gut gelingt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Joachim Hiller
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