Nun war es also soweit: LIGHTS OUT, eine der hochgelobten, neueren Bands aus der Bay Area in Kalifornien, spielten ihre erste Tour in Europa. Die Lichter gingen zwar nicht aus, jedoch bestachen LIGHTS OUT durch sympathischen und direkten Hardcore der alten Schule. Fragen nach LIGHTS OUT im Speziellen und der Bay Area im Allgemeinen beantwortete Aaron, seines Zeichens Trommler, dann auch in erleuchtender Art und Weise.
Kannst du bitte kurz erzählen, wie lange es LIGHTS OUT schon gibt und wie ihr euch gegründet habt.
„Wir spielen etwa zwei Jahre als Band zusammen. Ich spiele Schlagzeug, Connor ist unser Sänger, Andrew und James spielen Gitarre und Kevin den Bass. Wir waren alle in verschiedenen Bands aus der Bay Area und dadurch haben wir uns kennen gelernt. Wir kennen uns nicht von der Schule oder so, wir trafen uns auf Shows, wo wir gespielt haben. Connor und Kevin haben mich dann gefragt, ob ich in einer neuen Band trommeln wolle, und ich sagte ‚Na klar!‘, da ich auch gerade was machen wollte. Als letzte kamen James und Andrew und alles wurde gut.“
Ihr habt gerade euer neues Album beendet und für mich klingt es ziemlich anders als eure 7“ „Get Out“. Warum?
„Warum?! Ich denke, es ist hauptsächlich das natürliche Fortschreiten, das mit der Zeit kommt. Wir lernten von der letzten Platte, was wir mochten und was nicht. Dazu kommt, dass wir die LP mehr als ein Jahr nach der 7“ aufgenommen haben, und wir haben viel mehr zusammen gespielt und gelernt. Wir haben neue Bands gehört, es ist einfach eine musikalische Weiterentwicklung, und wegen verschiedener Anstöße und Inspirationen ist das ganz normal. Außerdem sollte es ja eine LP werden und wir hatten mehr Zeit, um verschiedene Dinge auszuprobieren. Auf jeden Fall sind wir alle sehr glücklich damit, und alles, was ich bisher gehört habe, waren recht positive Reaktionen. Ich persönlich bin sehr glücklich darüber. Ich hoffe, dass sich die Leute die Platte anhören und etwas daraus mitnehmen. Im Endeffekt ist es egal, ob sie sie mögen oder nicht.“
Meinem Eindruck nach sind die Songs nicht mehr so Oldschool. Sie sind eher „catchy“ und haben mehr Melodie.
„Ja, ‚Overload‘ hat definitiv mehr Rock’n’Roll-Einflüsse. Ich glaube, das kommt daher, dass verschiedene Leute in der Band mehr in den Songwriting-Prozess einbezogen waren.“
Es gibt eine Menge Bands in der Bay Area, die Oldschool Hardcore machen. Wolltet ihr euch mit der neuen LP vielleicht davon auch ein wenig absetzen?
„Ich würde nicht sagen, dass wir uns als Reaktion auf irgendeine andere Band in der Gegend absondern wollen. Als du die Frage gestellt hast, dachte ich an Bands wie OUR TURN und ALLEGIANCE, die zwei größten Bands in der Bay Area, die einen ähnlichen Stil spielen. Wir sind mit OUR TURN auf demselben Plattenlabel, so was kann dazu führen, dass man in einen Topf geworfen wird. Außerdem sind wir alle befreundet und spielen sehr oft Shows zusammen. Nichtsdestotrotz machen die ihren Kram und wir unseren, deshalb ist unser neues Album auch auf gar keinen Fall eine bewusste und gewollte Abgrenzung.“
Hast du persönlich eine Erklärung dafür, warum es momentan so viele Oldschool-Bands in der Bay Area gibt? Viele haben hier in Europa den Eindruck, dass die meisten neueren und interessanteren Oldschool-Bands aus dieser Gegend kommen.
„Ich finde, momentan hat die Westküste generell eine Menge guter Oldschool-Bands wie UP AND DOWN, oder oben im Nordwesten haben wir BLUE MONDAY und GO IT ALONE. Ich weiß es nicht, vielleicht liegt es daran, dass es so viele Leute in der Bay Area-Szene gibt und davon wieder sehr viele in Bands sind, was echt wunderbar ist. Neben Oldschool Hardcore sind auch viele andere Genres gut vertreten durch die Bands der Bay Area. Es ist einfach eine große, gesunde und sehr differenzierte Szene.“
Mein Eindruck ist, dass noch dazu kommt, dass viele Leute oft mehrere Bands haben. Wie ist das mit euch?
„Eigentlich hat niemand von uns eine andere Band. Nur unser Gitarrist James hat noch ein anderes Projekt. Es wurde gerade erst gegründet und heißt NEVER HEALED. Sie sind beeinflusst durch Punkrock und Oldschool Hardcore, und ziemlich cool. Definitiv haben viele Leute verschiedene Bands mit verschiedenen Stilen. Ich mag LIGHTS OUT und ich mag es diesen Stil zu spielen, aber ich würde auch gerne andere Sachen machen, wenn ich die Zeit und die Möglichkeit hätte.“
Eben hast du angemerkt, ein Grund für den veränderten Sound von „Overload“ seien Einflüsse von neuen Bands, die ihr hört. Welche Bands sind das?
„Man kann sagen, dass Bands, die uns bei unserer neuen Platte beeinflusst haben, generell mehr aus dem Punkrock- und Crust-Bereich kommen, so wie etwa LOOK BACK AND LAUGH, die auch aus der Bay Area sind und mit denen wir ein paar Shows gespielt haben. Sie haben uns nicht nur musikalisch beeinflusst, auch ihre harte Arbeit als Band hat uns sehr beeindruckt. Ich persönlich höre auch viele Sachen außerhalb von Hardcore, viel Rock’n’Roll, Jazz, Blues und solche Sachen. Ich denke, es ist eine sehr unterschiedliche Mischung. Wie gesagt, LOOK BACK AND LAUGH oder Punk- und Crust-Bands wie TRAGEDY, die wir alle sehr mögen. Es lässt sich nicht wirklich festmachen, woher die Einflüsse im Speziellen kommen.“
Lass uns mal über eure Texte sprechen. Ich kenne die neuen Texte noch nicht so gut, aber die alten von der 7“ waren sehr angepisst und aggressiv. Ich erinnere mich an Sachen wie „Fucking poser, I don’t owe you shit ...“, die Worte „Lügner“ und „Fake“ zum Beispiel kommen auch oft vor. Ist es so, dass ihr als Band irgendwie unglücklich darüber seid, dass Hardcore eine Art Trend geworden ist?
„Eigentlich handeln die Texte mehr von gewissen Individuen, als von der Hardcore-Szene im Allgemeinen. Wir sind eigentlich ganz zufrieden mit der Szene, wir mögen sie und sie war auch gut zu uns. Hardcore ist auch eine Quelle unserer Zufriedenheit und vieler Sachen, die wir in unserem Leben unternehmen. Es gibt halt gute wie schlechte Sachen, über die wir Songs geschrieben haben. Auf der neuen Platte wollten wir etwas tiefgründigere Texte haben. So was passiert halt irgendwie mit dem Alter und den Umständen, in denen sich die Band befindet. Connor hat da wirklich gute Arbeit geleistet. Vielleicht fällt das auf den ersten Blick nicht wirklich auf, aber wenn man sich länger mit den neuen Texten beschäftigt, merkt man, dass Connor seine Standpunkte zu einigen Themen recht gut dargestellt hat.“
Viele Oldschool-Bands schreiben sehr platte Texte zum Thema Straight Edge und Szene. Ihr habt euch nie als Straight Edge-Band dargestellt, auf der anderen Seite erfährt man auch nicht viel über die Standpunkte oder Einstellung der Band im Allgemeinen. Wie steht ihr denn zu typischen Punk/Hardcore-Themen, wie Politik, Homosexualität, Political Correctness? Beschäftigt ihr euch damit oder ist das eher eine persönliche Sache?
„Als Band beschäftigen wir uns textlich nicht so sehr mit diesen Themen. Es ist eher eine persönliche Sache. Du wirst mehr von uns selbst zu unserem politischen Denken erfahren als durch die Band. Ich würde sagen, bei LIGHTS OUT ging es von Beginn an nie um Straight Edge, deshalb sind wir auch keine Straight Edge-Band. Wir haben alle eine ausgeprägte politische Meinung zu gewissen Themen, aber bei der Band geht es nicht darum. Bei der Band geht es eigentlich nur um die Musik und darum Spaß zu haben. Politische Sachen behalten wir uns persönlich vor. Ich finde es ist schwer, eine politische Basis für die Band zu finden, hinter der alle stehen können, was meiner Meinung nach sehr wichtig ist. Aber es ist wunderbar, wenn andere Bands das geschafft haben.“
Was denkst du denn über Frauen im Hardcore? Die Vorstellung, dass Frauen entweder die „Freundinnen von“ oder Groupies sind, ist ja noch recht verbreitet ...
„Ich muss da irgendwie widersprechen, denn ich habe viele Frauen in der Hardcore-Szene kennen gelernt, die in keine dieser Kategorien passen. Ich bin mir sicher, dass man einige Leute so kategorisieren kann, jedoch gibt es dann ähnlich doofe Kategorien für Typen, die in der Szene sind, um Mädels aufzureißen, oder weil ihre Freunde in der Szene sind. Hauptsache, man geht zu Shows, anstatt daheim zu sitzen und nichts gebacken zu bekommen. Ob Frau oder Mann spielt wirklich keine Rolle. Wir haben zu Hause oft im Gilman gespielt, wo es auch antisexistische Ideale gibt, was super ist und es ist scheiße zu hören, dass es solche Rollenklischees gibt. Wir als Band sind damit nicht einverstanden.“
Ihr seid jetzt schon eine Weile hier in Europa. Wie ist das Touren hier? Habt ihr jemals damit gerechnet, hier auf Tour zu kommen?
„Wir haben uns im letzten Jahr mit dem Gedanken beschäftigt. Wir haben es nicht wirklich zu hoffen gewagt, aber damit ist schon ein Traum wahr geworden. Es ist unglaublich, die ganzen Leute, die wir getroffen haben, und hier zu spielen. Dass Leute kommen, um uns spielen zu sehen, ist verrückt. Bemerkenswert ist, dass wir hier was zu essen bekommen, das ist super. Ansonsten ist es dieselbe Stimmung auf Shows wie in den Staaten. Wir spielen sehr gerne in den Staaten und hier auch. Eine Menge netter Leute kommen auf einen zu, um sich zu unterhalten. Ich finde das echt toll! Und diese überwältigende Hilfsbereitschaft aller, die auf Shows Essen machen oder uns bei sich aufnehmen. Wir würden das gerne nächsten Sommer wiederholen.“
Gibt es eine lustige Geschichte von der Tour, die du erzählen kannst?
„Unser Gitarrist Andrew ist bei einer Wette für 100 Pfund in die Themse gesprungen Jeder hatte etwas in den Pott getan hat, und dann ist er gesprungen. Wir haben eigentlich überall, wo wir hinkommen, eine Menge Spaß. Wir hatten Spaß in Amsterdam und in Österreich. Keine Ahnung, ich glaube, ich kann euch erst Geschichten erzählen, wenn ich wieder zu Hause bin und mir wieder alles eingefallen ist.“
Okay, hast du irgendwelche letzten Worte?
„Ich möchte mich bei Burial Records, die das hier ermöglicht haben, für ihre Hilfe bedanken, all den Bands, die mit uns gespielt haben, wie ABUSIVE ACTION oder RISE AND FALL. Danke an euch für das Interview, Youngblood Records ... Ich könnte noch 20 Minuten so weitermachen und immer noch Leute vergessen.“
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #62 Oktober/November 2005 und Sarah Shokouhbeen