LEFT THE CROWD

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Intuition, Logik und Leidenschaft

Durch einen Zufall sehe ich auf einer der Nebenbühnen des Essen Original-Festivals ein Feuerwerk abbrennen. Dort stehen, nein, rennen, schwingen und springen LEFT THE CROWD und präsentieren ihre Auffassung von leidenschaftlicher Musik. Sie selbst nennen es "Action-Rock" und eigentlich trifft diese Beschreibung ganz gut. Nur kann das auch zu Missverständnissen führen, da der Begriff "Rock" auf Andys Lakes, Stevos, und Wadims Musik nicht genau passt. "Action-Emocore-Punkrock-Explosion" lässt den Unwissenden dann doch schon eher erahnen, was zu erwarten ist. Ende 2005 hat die Band ihre erstes professionell aufgenommenes Demo fertiggestellt und damit schon fast eine Weltreise hinter sich.





Wenn die vier Essener Jungs von LEFT THE CROWD auf das letzte Jahr zurückblicken, können sie voller Stolz sagen, dass 2006 das erfolgreichste in der noch jungen Bandgeschichte war. Schließlich kann nicht jede Band von sich behaupten, den Leuten am Zuckerhut den Kopf verdreht zu haben. Ja, richtig gelesen: LEFT THE CROWD waren in Brasilien. Zuvor hat man zwar schon um die 80 Konzerte, unter anderem in England, Frankreich, Schweiz, Slowenien und natürlich auch Deutschland gespielt, aber eine richtige Tour gab es bis zum September 2006 nicht wirklich. Aber warum fangen wir nicht am Anfang an?

Gegründet wurden LEFT THE CROWD zwar schon 1998 von Andy (Gesang) und Stevo (Gitarre/Geschrei), die sich damals noch einen Schulhof teilten. Die Besetzung, wie sie Ende 2006 mit Wadim (Bass/Gesang) und Lake (Schlagzeug) komplett ist, fand sich aber erst im Sommer 2004. Anfangs doch recht punkig, wurde die Musik von Jahr zu Jahr vertrackter und versierter. Angekommen ist man, wie oben schon erwähnt, im "Action-Rock". Glücklicherweise verein diese Musikrichtung die Geschmäcker der einzelnen Mitglieder der Band: "Eigentlich haben wir den gleichen Musikgeschmack, jeder streckt aber auch seine Arme in andere Richtungen aus", so Andy. Besagte Arme reichen dann von Punk, so wie die SATANIC SURFERS ihn machen, bis hin zu Metalcore à la HEAVEN SHALL BURN. "Am Anfang haben Andy und ich uns eher von Bands wie GUNS'N'ROSES beeinflussen lassen", sagt Stevo und kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.

Dass die Band für die vier mehr als nur ein Zeitvertreib ist, zeigt sich nicht nur durch die leidenschaftliche und energiegeladene Bühnenshow, sondern auch dadurch, dass, obwohl Sänger Andy in Mannheim studiert, ständig neue Songs geschrieben werden. "Ich schicke meine Songideen regelmäßig übers Internet an Stevo, Wadim und Lake nach Essen, und die vervollständigen die Fragmente und lassen die ganze Sache dann zu einem fertigen LEFT THE CROWD- Song werden", erklärt Andy, der nur am Wochenende Zeit zum Proben hat. Wadim beschreibt diesen Prozess mit anderen Worten: "Andy bringt das Holz und wir schnitzen." So kommt es, dass die Band nie stillsteht und sich anscheinend stetig weiterentwickelt. Über die Jahre gewann die Band auch ein paar Preise, wie zum Beispiel ein Konzert in Paris, das sie sich über gute Platzierung beim Emergenza-Nachwuchswettbewerb erspielt hat.

Dass dies nicht die letzte Show auf internationalem Boden gewesen sein sollte, zeichnete sich ab, als man Ende 2005 die Band JASON aus Brasilien auf ihrer kleinen Tour durch Slowenien und Deutschland begleitete: "Der Kontakt zu der Band, die kürzlich mit MAY THE FORCE BE WITH YOU eine Split-CD auf Horror Business veröffentlicht hat, entstand über Leute, die man kennt, die wieder Leute kennen, die auch wieder Leute kennen", so Stevo, der sich nebenbei auch um die Organisation von Konzerten kümmert. "Wir haben bis jetzt noch keine Booking-Agentur und müssen uns selbst um die ganze Organisation kümmern." So kam es dann auch, dass die vier sich ihre Tickets selber besorgen mussten, als ihnen von JASON versprochen wurde, dass sie, wenn sie nach Brasilien kommen würden, diese eine Tour für sie organisieren würden. "Zum Glück können wir uns im Auto auf eine CD einigen," erklärt Wadim und das war auch nötig, denn schließlich war man bald nicht nur für drei Wochen ständig unterwegs, man wohnte auch zusammen.

Erfreulicherweise erwartete LEFT THE CROWD zwar eine D.I.Y. geplante Tour, aber dennoch kein Chaos. Im Gegenteil: Da JASON in Brasilien schon einigermaßen bekannt sind (sie spielen dort regelmäßig bei MTV) hatte die Band um Lake die Chance fast jeden Abend vor vollem Haus und vor 200 bis sogar 2.000 Leuten zu spielen. Doch erstaunlicherweise kamen nicht alle Besucher nur wegen der Headliner. Nein, dank der modernen Kommunikationsmittel (also MySpace) sangen an manchen Abenden die ersten Reihen sogar die Texte von Songs wie "For sure" oder "Pieces" mit. "Wir haben auch wirklich von der dortigen Kulturszene profitiert, da fast jeden Tag entweder das Radio oder das Fernsehen bei den Konzerten war", äußert sich Lake, für den - wie eigentlich für alle - diese Tour die tollste Erfahrung und bestimmt kein Arbeitsurlaub war. Geschlafen hat die Band meist auf den Fußböden von Leuten, die sie am Abend erst kennen gelernt haben. "Eigentlich haben wir bei Leonardo, dem Kopf von JASON in Rio unsere Homebase gehabt. Von da aus sind wir dann täglich bis zu 600 Kilometer gefahren. Wenn wir irgendwo gepennt haben, war das immer total spontan, ging aber immer gut. Das ist aber auch kein Wunder, da die Leute, die wir in Brasilien kennen gelernt haben, super nett waren." So führte die Tour mit JASON, die vier die ganze brasilianische Ostküste entlang, durch die Bundesstaaten Rio und San Paulo.

Scheinbar in einer anderen Welt muss sich die Band, die in Deutschland noch kein Label hat, gefühlt haben, als sie Autogramme geben musste, Heiratsanträge bekam und den Streit um ein begehrtes heruntergefallenes Plektron schlichten musste. "Du hast in Brasilien als Musiker einen ganz anderen Status als in Deutschland", so Andy. "Die Leute schauen zu dir auf und schätzten das auf eine andere Art, wenn da jemand auf der Bühne steht. Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist dass die Erwartungshaltung ganz anders ist. Dort sind im Pubikum nicht so viele Menschen, die selber Musik machen und die quasi verlangen, dass man ihnen etwas bietet." Es scheint als würde sich die brasilianische Lebensfreude auch auf den Konzerten zeigen, denn die Band hat den Eindruck bekommen, dass die Jugendlichen dort einfach nur ihren Spaß wollen.

Aber gilt Brasilien nicht als ein von Armut gebeuteltes Land? Wie sieht die Kulturszene aus? "Auf jeden Fall kann man den finanziellen Standard, den wir in Deutschland haben nicht mit dem brasilianischen vergleichen. Die Leute müssen mit viel weniger auskommen, sind aber trotzdem lebensfroher. Also zumindest die Leute, die wir kennen gelernt haben. Es gibt in Brasilien eine ganz kleine reiche Schicht, eine kleine gutbürgerliche Schicht und eine große Armenschicht, wobei diese aber nicht am Existenzminimum lebt. Ungefähr zehn Prozent der Menschen in Rio oder São Paulo leben in Slums und man sieht die Armut an alles Ecken und Kanten", erinnert sich Lake.

Wieder in Deutschland und vor heimischem Publikum merkte die Band, wie sehr die drei Wochen sie zusammen geschweißt hat, und Andy, Lake, Stevo und Wadim wurden hungrig auf mehr. Das Jahr 2007 soll das schon fantastische 2006 toppen und so wird energisch an einer großen Tour gefeilt. Traurigerweise hat Bassist Wadim die Band im Dezember plötzlich verlassen. Nach kurzer Suche ist mit Sebastian jedoch ein neues Mitglied gefunden. "Bis jetzt war jedes Jahr besser als das vergangene und so soll es auch dieses Jahr werden", so Lake. Also: Action-Rock!