LAST SEEN LAUGHING

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Steen Thomson und die Grauzonen-Lüge

Ich kenne Steen Thomsen seit 1981. Damals rief ich ihn an, um die ersten Kassettenalben von seinen damaligen Bands THE ZERO POINT und WAR OF DESTRUCTION zu kaufen und es entwickelte sich eine enge Freundschaft. 1986 trennte sich unsere Wege vorerst. Ich entdeckte Straight Edge für mich, orientierte mich immer mehr in Richtung der autonomen Jugendzentren in Deutschland und brach einige Brücken hinter mir ab, leider auch die, auf der Steen gerade stand. Er war zu dem Zeitpunkt in der aufkeimenden Crossover/Metal-Szene unterwegs, die mir schnell langweilig und etwas suspekt wurde. 16 Jahre lang hörten wir nur über Dritte von einander, dann ergab es der Zufall, dass wir 2002 beide auf das gleiche Konzert in London wollten.

Wir verabredeten uns für den Vorabend, und beim Wiedersehen was es, als hätten wir uns nie aus den Augen verloren. Seit dem haben wir wieder regelmäßigen Kontakt, fahren zusammen auf Konzerte oder Festivals, streiten uns leidenschaftlich über Musik und verfolgen jeweils die musikalischen Aktivitäten des anderen von der Seitenlinie aus. Inzwischen sind THE ZERO POINT wieder aktiv, 2004 hatte ich die Ehre anlässlich ihres 25-jährigen Jubiläums bei zwei Konzerten in Dänemark als Gastsänger auftreten zu dürfen. Seit ein paar Jahren hat Steen auch ein neues Projekt am Start, und zwar die Oi!-Band LAST SEEN LAUGHING. Grundsätzlich finde ich Oi! als Stilrichtung relativ limitiert, und bis auf wenige Bands interessiert mich das Ganze auch nicht. LAST SEEN LAUGHING versuchen aber, den größten Klischees aus dem Weg zu gehen, die beiden anderen Mitglieder, Kres und JP, sind lustige Typen und ihr neues, zweites Album „As True As It Gets“, das gerade erschienen ist, finde ich wirklich gut. Vor allem nervt es mich aber, wenn ein enger Freund und dessen Band unverdient auf einmal auf irgendwelche Listen mit vermeintlichen Grauzone-Bands auftauchen. Auch um Steen die Möglichkeit zu geben, seine Sicht der Dinge darzulegen, führte ich dieses Interview.

Wie würdest du dich selbst jemandem, der dich nicht kennt, beschreiben?


Einer der ursprünglichen, alten Punkrocker aus Dänemark mit einer ganz großen Liebe für Oi! und Hardcore.

Was hat dich damals an Punkrock fasziniert?

Vor 1977 stand ich auf Glam-Rock und die frühen KISS. Als es dann mit Punk losging, war es genau das, wonach ich gesucht hatte. Harter, einfacher Rock’n’Roll, der die Leute dazu aufforderte, sich zu beteiligen – ich liebte einfach diese Einstellung! Ich hatte das Glück, den Sommer von 1977 in England zu verbringen, und brachte einige der ersten Punk-Platten mit nach Hause.

Und wie war es in Dänemark, als ihr 1979 mit THE ZERO POINT anfingt?

Wir gehörten zur zweiten Welle von dänischem Punk. Die erste Welle hier in Århus bestand aus Bands, die es bereits gab und die dann anfingen, Punk zu spielen. Wir dagegen waren „the real deal“ – Punk gespielt von Punks! Wir mussten lediglich ein paar Akkorde lernen.

Wie kam es 2003 zur Reunion, nachdem sich THE ZERO POINT ursprünglich 1987 aufgelöst hatten?

Es gab keinen Tag in den Jahren, als es die Band nicht gab, an dem ich nicht daran dachte, wieder Musik zu machen. Ich bin wohl ein Rock’n’Roll-Junkie!

Die zweite deiner drei „Hauptbands“, WAR OF DESTRUCTION, hatte ein anderes musikalisches Konzept, worin lag der Unterschied?

WAR OF DESTRUCTION waren sehr inspiriert vom frühen englischen Hardcore, allen voran von DISCHARGE. Deren erste Singles hatten wir uns in London besorgt. Wir spielten bereits alle in anderen Bands, also gründeten wir ein Nebenprojekt, das so klingen sollte wie DISCHARGE, um den neuen Sound nach Dänemark zu bringen. Ich hatte noch nie Schlagzeug in einer Band gespielt, also wurde ich genau dazu auserkoren. WAR OF DESTRUCTION sind für viele die erste richtige Hardcore-Band aus Dänemark gewesen. Es fing an, größer zu werden, und auf einmal war es so, als ob ich zwei Hauptbands hätte.

Warum bist du bei WAR OF DESTRUCTION ausgestiegen, noch ehe die Band sich 1989 auflöste, und warum warst du nicht dabei, als sie 2003 wieder anfingen?

Ich hatte einfach zu viele Projekte am Laufen und WAR OF DESTRUCTION waren mir nicht mehr so wichtig. Ich rede hier nicht von den Jungs, sondern von der Musik. Also versuchte ich, das Richtige zu tun, für die Band und für meine Bandkollegen. Und nein, es gab da keine schlechte Stimmung. Ich entschloss mich damals dazu, die Band zu verlassen, sie hatten also das Recht, wieder loszulegen in der Besetzung, die ihnen am liebsten war. Wir sind immer noch Freunde, spielen zusammen Shows und verbringen Zeit miteinander.

Reden wir über dein neues Projekt, LAST SEEN LAUGHING. Wie kam es dazu?

Ich habe Oi! von Anfang geliebt. JP und Kres wussten das, da wir seit langem befreundet sind. Sie suchten nach einem Schlagzeuger, um eine neue Oi!-Band zu gründen. JP rief mich an und fragte, ob ich Lust hätte Schlagzeug zu spielen, und ich habe mich nicht mehr eingekriegt. „Als Bassist dann?“, fragte er, und da ich noch nie Bass gespielt hatte, sagte ich zu. Eine der besten Entscheidungen, die ich jemals getroffen habe. Nicht weil ich ein guter Bassist bin, ich bin beschissen. Aber ich liebe es, in dieser Band zu spielen.

Nach dem, was ich so mitkriege, ist alles sehr schnell gegangen bei LAST SEEN LAUGHING, eure Fanbase scheint schnell zu wachsen, es gab einige ziemlich großen Gigs und Festivalauftritte. Warum ist es einfacher, mit dieser Band auf Tour zu gehen?

Ich denke, dass es mit Ehrlichkeit zu tun hat. What you see and hear is what you get! Wir atmen, konsumieren und produzieren Oi! und Punkrock 24 Stunden am Tag. Wir sind offene, korrekte und pflegeleichte Typen – weswegen wir leicht neue Kontakte knüpfen und Freundschaften schließen.

Dein Vater war Mitglied im dänischen Widerstand während des ZweitenWeltkriegs und nach Kriegsende war er aktiv im Verband ehemaliger Widerstandskämpfer. Als Kind und Teenager kanntest du viele der alten Veteranen, inklusive einige, die das KZ überlebt hatten. Neulich sagtest du, dass du im Prinzip in einem vom Krieg traumatisierten Haushalt aufgewachsen bist. Wie ging dein Vater mit dem um, was er erlebt hatte? Und welchen Einfluss hatte es auf dich?

Mein Vater ist jede Nacht schreiend aufgewacht. Er träumte, dass die Gestapo vor der Tür steht. Abgesehen davon war er ein sehr liebevoller und fürsorglicher Vater, der mich unterstützte, wo es nur ging. Er wurde Frührentner und ich denke, dass er die meisten seiner Kämpfe alleine beziehungsweise in seinem Kopf ausfechten musste, den meisten der alten Widerstandskämpfer ging es so. Aber er war immer für mich da und für meine Mutter, bis sie starb. Ich betrachte es als eine Ehre, diese Menschen gekannt zu haben. Denn sie waren es, die für unsere Freiheit gekämpft hatten und für das, woran sie glaubten. Daher rührt auch mein großes Interesse am Zweiten Weltkrieg.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass du weder die Aktivitäten der heutigen Rechtsextremen noch die der Antifa sonderlich ernst nimmst.

Da irrst du dich! Ich nehme jeden, der meine persönliche Freiheit bedroht, außerordentlich ernst. Ich glaube daran, dass alle das Recht haben, genauso zu sein wie sie möchten. Dabei ist egal, welcher Hautfarbe oder Rasse sie angehören. Ich glaube nicht, dass politisch oder religiös motivierte Gewalt irgend etwas verändert, man bestärkt lediglich die andere Seite in ihrer Überzeugung. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Menschen in der Lage sind, sich zum Besseren zu ändern, wenn man ihnen nur eine Chance gibt und es die richtige Umgebung dafür ist. Und ich glaube, dass jeder eine zweite Chance verdient hat, nenn mich ruhig Softie! Trotzdem kannst du natürlich auch dazu gezwungen sein, für deine Freiheit und das, woran du glaubst, zu kämpfen.

LAST SEEN LAUGHING ziehen ja ein ziemlich buntes Publikum auf ihre Konzerte. Habt ihr jemals einen Gig gespielt, bei dem ihr ein komisches Gefühl hattet, was Teile des Publikums angeht?

Meistens wird vom Veranstalter „Love Music/Hate Racism“ oder ein ähnliches Statement auf die Flyer und Poster gedruckt. Damit ist eigentlich alles gesagt. Als Band fahren wir eher eine unpolitische Linie, aber wir sind ganz bestimmt keine Rassisten oder Nazis!

Verstehst du, warum Bands wie LAST SEEN LAUGHING dennoch auf Listen mit angeblichen Grauzone-Bands auftauchen?

Nein, überhaupt nicht! Manchmal scheint es, als ob man ein Parteibuch der extremen Linken benötigt, damit man nicht ein Nazi oder Rassist genannt wird. Ich habe Bands auf diesen Listen gesehen mit afroamerikanischen oder jüdischen Mitgliedern, es ist lächerlich! Es ist leicht, Lügen und Gerüchte über das Internet zu verbreiten. Glaube nicht alles, was du liest, sondern bilde dir deine eigene Meinung!

Wurde jemals ein Konzert von euch abgesagt aufgrund von Drohungen seitens der Antifa oder ähnlicher Organisationen?

LAST SEEN LAUGHING wurden ein paar Gigs abgesagt, weil „jemand“ die örtliche Veranstalter kontaktierte und sie bedrohte. Alles basierte auf Gerüchten und Lügen. Niemand hat jemals versucht, mit uns zu reden, es ist einfach saudumm! Dieses Verhalten vertreibt viele gute und kreative Leute aus der Szene und hinterlässt andere mit einen schlechten Ruf, nur beruhend auf erfundenen Geschichten und Lügen. Im schlimmsten Fall werden unschuldige Menschen ernsthaft verletzt.

Was sind die Zukunftspläne für THE ZERO POINT und LAST SEEN LAUGHING?

THE ZERO POINT gehen es zur Zeit ein bisschen ruhiger an, aber wir proben jede Woche. Es wäre schön, bald ein paar neue Sachen aufnehmen zu können, aber ich mache mir da momentan keinen Druck. Konzertangebote werden immer gerne genommen, wir sind jederzeit bereit zu spielen – einfach melden! LAST SEEN LAUGHING haben ja gerade ein neues Album namens „As True As It Gets“ veröffentlicht. Es wurde abgemischt und gemastert von Tue Madsen, der auch die drei letzten SICK OF IT ALL-Alben produziert hat sowie unzählige andere Bands. Er hat eine tolle Arbeit abgeliefert und exakt die Vorstellungen verwirklicht, die wir bezüglich unseres Sounds hatten.