Manchmal muss es eben Metal sein, und wenn man die Gelegenheit bekommt, eine Ausnahmeschlagzeugerin wie Lala Frischknecht zu interviewen, darf man sich das nicht entgehen lassen. Lala kommt aus der philippinischen Hardcore- und Thrash-Metal-Szene und wurde nach ihrem Umzug in die Schweiz, mehr oder weniger zufällig, Gründungsmitglied der All-Female-Band BURNING WITCHES. Seit Lala das erste Mal an einem Schlagzeug saß, ist sie besessen von donnernden Doublebass-Sounds und ihr Spiel zeichnet sich durch eine unglaubliche Power aus, die einem schlicht den Atem verschlägt. Das Interview mit der fröhlich aufgelegten Lala fand auf dem Rockharz Festival im Harz statt.
Lala, stammst du aus einer musikalischen Familie?
Oh ja, bei uns zu Hause war eigentlich jeder musikalisch. Mein Vater war ein begeisterter Sänger, insbesondere Jazz. Meine Oma und mein Onkel haben auch viel gesungen, so dass Musik bei uns zu Hause immer eine große Rolle gespielt hat. Bei meinen Eltern liefen THE BEATLES, Eric Clapton, SIMON & GARFUNKEL und solche Sachen. Als ich acht Jahre alt war, hörte mein Cousin Bands wie die SCORPIONS, DIO oder IRON MAIDEN, und ich habe damals immer gedacht, er würde heimlich Drogen nehmen, weil er auch ein Poster von CINDERELLA an der Wand hatte. Die hatten diese Dauerwellen und trugen Make-up und ich konnte nicht begreifen, wieso Jungs so etwas tun sollten. Ich selbst habe im Alter von fünf Jahren von meinen Eltern zu Weihnachten eine pinkfarbene Spielzeugsnare geschenkt bekommen. Ich hatte natürlich keine Ahnung, wie man spielt, aber der Sound war schon cool.
Hast du schon als Kind Musikunterricht gehabt?
Nein. Ich habe irgendwann angefangen, Gitarre zu spielen, aber ich habe mir alles selbst beigebracht. Später habe ich auch noch Bass gespielt, aber bis ich angefangen habe, Schlagzeug zu spielen, dauerte es noch eine ganze Weile. Als ich ein Teenager war, wohnte ich auf den Philippinen in einer Stadt, in der es nichts gab. Wir hatten kein MTV, kein Kabelfernsehen oder Internet. Alles lief ganz klassisch über Fanzines und ich stand damals total auf Hardcore-Punk und Thrash Metal. Wir haben Fanzines und Tapes getauscht und auf diesem Weg hat sich Musik verbreitet. Ich erinnere mich daran, dass ich einmal ein halbes Jahr auf die „Crossover“-CD von D.R.I. gewartet habe, bis ich sie endlich in Händen halten konnte. Diese CD habe ich damals wirklich geliebt. Ich habe zunächst Gitarre in einer Hardcore-Band namens CHERRY BOMB gespielt und war dann auch bei den philippinischen NAKED AGGRESSION mit dabei.
Wie bist du von der Gitarre zum Schlagzeug gekommen?
Wie gesagt, zunächst wollte ich unbedingt Gitarre spielen, weil jeder Gitarre spielen wollte. Die Gitarre kannst du überall hin mitnehmen und in einem Dritte-Welt-Land wie den Philippinen ist ein Schlagzeug auch wahnsinnig teuer. Ich hing damals immer mit meinen Freunden aus der Thrash-Metal-Clique ab und irgendwann lief bei uns dieser eine Song, bei dem mir der Drumsound so wahnsinnig gut gefiel. Das war „Sick boy“ von GBH und den wollte ich unbedingt spielen können. Also habe ich mich an das Schlagzeug gesetzt und so lange versucht, diesen Track zu spielen, bis es so halbwegs funktionierte. Zu Hause hatte ich so ein digitales Yamaha-Drumpad, auf dem ich immerhin so ein bisschen üben konnte. Bei uns auf den Philippinen ist es üblich, dass es eine große Party gibt, wenn man 18 wird, zu der alle Freunde und Verwandten eingeladen werden. Ich habe aber zu meinen Eltern gesagt, dass ich keine Party sondern ein Schlagzeug haben möchte. Meine Eltern haben dann auch nachgegeben und mir zum Geburtstag ein Schlagzeug geschenkt. Dann habe ich ein Jahr lang wie verrückt Doublebass geübt, weil ich unbedingt SEPULTURA-Songs spielen wollte. Außerdem liefen zu dieser Zeit bei mir noch Bands wie CARCASS und SLAYER. Als ich das erste Mal „South Of Heaven“ gehört habe, konnte ich nicht glauben, dass jemand so schnell spielen konnte. Dave Lombardo war und ist mein absolutes Idol. Nach einem Jahr allein mit meinem Schlagzeug bin ich dann in eine Thrash-Metal-Band eingestiegen.
Wo hast du damals dein Schlagzeug aufgebaut und geübt?
Bei uns zu Hause, im Zimmer meines Großvaters durfte ich das Schlagzeug aufbauen. Wenn meine Mutter bei der Arbeit war, habe ich manchmal sogar schon um zehn Uhr vormittags angefangen zu üben. Zu Hause liefen wir immer barfuß herum und so war es für mich ganz normal, dass ich mich auch barfuß ans Schlagzeug gesetzt habe, um zu üben. Barfuß zu spielen fühlte sich für mich ganz natürlich an, weil ich die Bassdrum und High-Hat-Pedale einfach viel besser spüren konnte. Ich habe sehr lange barfuß gespielt, bis ich dann Jahre später mit BURNING WITCHES die Songs für das erste Album geprobt habe. Da bin ich im Übungsraum mit dem kleinen Zeh vom Pedal abgerutscht und habe mir den so sehr eingeklemmt, dass er komplett blau angelaufen war. Ich habe mir dann Kajak-Schuhe besorgt, die ich vorne aufgeschnitten hatte, damit die Schmerzen nicht so groß waren. Wenn man dann älter wird, wird man auch immer schmerzempfindlicher und ich habe mich dann mit Randy Black von DESTRUCTION über geeignete Schuhe unterhalten. Er hat mir Asics-Schuhe empfohlen und mein Orthopäde hat mir zusätzlich noch Einlegesohlen für meine Plattfüße verschrieben. Diese Kombination fühlt sich für mich jetzt sehr gut an.
Wie bist du zu deiner ersten Band gekommen?
Freunde von mir haben mich trommeln sehen und haben gefragt, ob ich auch „Reign in blood“ von SLAYER spielen könnte. Die hatten eine Band und brauchten dringend noch jemanden für ihre nächsten Gigs, weil ihr Drummer ausgestiegen war. Also bin ich hin und habe mit den Jungs gespielt. Wir haben noch „Bounded by blood“ von EXODUS und viele andere Thrash-Metal-Klassiker gespielt. Damals gab es auf den Philippinen nur sehr wenige Frauen, die Schlagzeug spielten, und irgendwie starrte das Publikum während der Show immer nur zu mir hinten am Bühnenrand, ohne sich wirklich für die Band vorn auf der Bühne zu interessieren. Das war schon eine etwas komische Situation. Die Band hat dann ernsthaft darüber nachgedacht, das Schlagzeug vorne an den Bühnenrand zu stellen.
Erinnerst du dich noch an deinen ersten Auftritt?
Oh ja, ich war mega aufregt, aber die Musik hat mich so mitgerissen, dass ich die ganze Zeit während des Spielens nicht mit dem Headbangen aufgehört habe. Ich hatte mir richtig die Finger blutig gespielt und unser Sänger sagte ins Mikrofon: „Unsere Schlagzeugerin ist zwar ein Mädchen, aber sie kann zutreten wie ein Pferd.“ Das war für mich wie ein Ritterschlag und fühlte sich sehr gut an.
Wie bist du von den Philippinen nach Europa gekommen?
Das ist eine sehr lange Geschichte. Ich hatte gerade zwei Jahre mit meiner ersten Band gespielt, als meine Eltern geschäftlich nach Japan umziehen mussten. Ich war die älteste Tochter und habe in der Firma meiner Eltern gearbeitet, also musste ich auch mit ihnen nach Japan gehen. Ich habe mein Schlagzeug zurückgelassen und habe dann für neun Jahre in Japan gelebt. Alles in allem habe ich 15 Jahre nicht Schlagzeug gespielt. In Japan habe ich dann meinen Mann kennen gelernt und bin mit ihm in die Schweiz gezogen. Glücklicherweise ist mein Schwiegervater auch Schlagzeuger. Er spielt in Bluesbands und hat mich zwei Jahre später dazu gebracht, wieder Schlagzeug zu spielen und meine Fähigkeiten in einer Musikschule weiter zu verbessern. Ich war gerade zwei oder drei Monate auf der Musikschule, als mein Coach im Internet eine Anzeige fand, wo eine Schlagzeugerin für eine Heavy-Metal-Band gesucht wurde. Ich fühlte mich überhaupt nicht bereit, aber mein Coach hat mich überredet, mich zu bewerben, denn schließlich hatte ich ja nichts zu verlieren. Als ich den Übungsraum zum Vorspielen betrat, war ich total schüchtern und hatte nur mein Doppelpedal dabei. Die Band hatte zu diesem Zeitpunkt zwei Songs, die ich spielen sollte, aber als sie mir etwas von Achteltriolen erzählt haben, hatte ich keine Ahnung, was das ist. Ich habe also so gespielt, wie ich es zu den Songs als passend empfand. Nach ein paar Durchläufen sagten die Mädels dann: „Stop, stop, du bist dabei.“ Und das war es. Wir sind zusammen in einer Bar etwas trinken gegangen und sie haben mir von ihren Plänen, eine Heavy-Metal-Band zu gründen, erzählt. Schon damals war Schmier von DESTRUCTION als Manager mit an Bord und für mich als Thrash-Metal-Fan war es zunächst völlig unglaublich, mit dieser Legende zusammenarbeiten zu dürfen.
Hast du jemals daran gedacht, als professionelle Schlagzeugerin dein Geld zu verdienen?
Nein, niemals. Ich hätte mir auch nicht träumen lassen, wie weit wir mit der Band kommen würden. Als ich damals das erste Mal im Übungsraum war, dachte ich, wir würden halt Heavy Metal spielen und ab zu irgendwelche Auftritte in kleinen Clubs spielen. Dass wir nur ein paar Jahre später auf großen Festivals auftreten oder in den USA und Südamerika auf Tour gehen würden, konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Mit Schmier als Manager wurde mir aber schnell klar, dass das mit BURNING WITCHES eine ernsthafte Sache werden würde, und wir verdanken ihm wirklich eine Menge. Als „All-Female“-Band hast du es im Musikbusiness nicht so leicht und Schmier kennt zum Glück viele Leute im Business. Er weiß, was man tun oder besser lassen sollte, und kennt auch die Arschlöcher ganz genau. Ohne ihn und die ganze DESTRUCTION-Crew hätten wir es sicherlich viel schwerer gehabt. Wenn ich BURNING WITCHES nicht gefunden hätte, würde ich heute wahrscheinlich kein Schlagzeug mehr spielen. Dann würde ich mich wohl meiner zweiten Leidenschaft widmen und zu Hause kochen.
Erinnerst du dich an deine ersten Aufnahmen in einem Tonstudio?
Oh ja, das war für mich nicht so einfach, weil mein Selbstbewusstsein nicht besonders groß ist. Ich fand mich immer nicht gut genug und zum Glück haben die anderen in der Band mir immer gut zugeredet. Das geht bis heute so und ich glaube, ich muss immer noch mehr lernen, um besser zu werden. Schlagzeugspielen ist ein kontinuierlicher Lernprozess und das wird wohl auch nicht aufhören. Ich will zwar keine große Technikerin sein, aber mein Traum ist es, entweder Jazzdrummerin oder Drummerin in einer brutal technischen Death-Metal-Band zu werden. Na ja, vielleicht klappt das in einem nächsten Leben. Im Studio habe ich jedenfalls das erste Mal mit einem Metronom Bekanntschaft gemacht. Dieses Klick, Klick, Klick im Ohr kannte ich vorher gar nicht und ich bin der Meinung, jeder Mensch ist sein eigenes Metronom und hat seinen eigenen Rhythmus in sich. Das ist natürlich nicht immer exakt und gleichmäßig, aber für mich war das immer okay. Das sah der Produzent natürlich ganz anders und ich war gezwungen, mich an das Metronom zu gewöhnen. Da erinnerte ich mich daran, dass die Kumpels in meiner ersten Thrash-Metal-Band sich immer darüber beschwert haben, dass ich die Songs dreimal schneller als gewünscht gespielt habe. Heute finde ich, dass das Metronom eine ganz gute Erfindung ist, um dafür zu sorgen, dass alle Bandmitglieder im gleichen Tempo spielen. Aber live zu spielen macht natürlich viel mehr Spaß, obwohl man sich da schon sehr konzentrieren muss, denn schließlich spielt man jeden Song nur einmal. Im Übungsraum hingegen kannst du richtig Spaß haben und viel Blödsinn machen. Da kannst du natürlich jeden Song so häufig spielen, wie es notwendig ist, und zwischendurch ist noch genug Zeit zum Quatsch machen.
Übst du heutzutage noch viel für dich allein?
Ja. Ich übe natürlich die BURNING WITCHES-Songs regelmäßig bei mir zu Hause und dann spiele ich noch sehr gerne die Songs, die ich früher als Jugendliche schon gehört habe. Ich spiele also zu Stücken von CARCASS, SEPULTURA, SLAYER und all den Bands, die mich mein Leben lang beeinflusst haben. Ich wünschte, ich könnte wie Dave Lombardo spielen, denn den finde ich wirklich unerreichbar gut. Das Besondere an seinem Spiel ist, dass er es trotz seiner Ausnahmefähigkeiten nie übertreibt, sondern seine Parts immer dem jeweiligen Track unterordnet.
Kannst du dir vorstellen, noch mal Unterricht zu nehmen?
Also ich glaube wirklich, dass ich an einem Punkt angekommen bin, an dem ich ernsthaft darüber nachdenke, noch mal professionellen Unterricht zu nehmen. BURNING WITCHES haben jetzt fünf Alben veröffentlicht und natürlich will ich nicht auf allen folgenden Alben dieselben Breaks und immer dieselben Rhythmen spielen. Wie schon gesagt, sehe ich Schlagzeugspielen als lebenslangen Lernprozess und da wird es jetzt Zeit für neuen Input.
Kannst du dir vorstellen, etwas außer Heavy Metal zu spielen und auch in ganz anderen musikalischen Projekten aktiv zu sein?
Also zur Zeit bin ich ja Vollzeit bei BURNING WITCHES aktiv, aber wenn ich irgendwann älter bin, könnte ich mir vorstellen, in einer Blues- oder in einer Jazzband zu spielen. Aber eigentlich ist das unmöglich, weil Jazz für Schlagzeuger die schwierigste Musik überhaupt ist und mir dafür sicherlich die technischen Fähigkeiten fehlen.
Gibt es außer Dave Lombardo noch andere Drummer, die dich maßgeblich beeinflusst haben?
Oh ja, so viele. Ken Owen, der erste CARCASS-Drummer, war ein großer Einfluss für mich und auch Simon Phillips von TOTO.
Welche Ratschlag würdest du Jugendlichen geben, die anfangen möchten, Schlagzeug zu spielen?
Fangt immer mit den Grundlagen an. Es macht keinen Sinn, gleich am Anfang zu viel auf einmal zu wollen. Wenn du Arzt werden willst, beginnst du ja auch nicht gleich mit einer Herz-OP, sondern lernst erst einmal, Erste Hilfe zu leisten. So ist das auch beim Schlagzeugspielen. Lerne die Grundlagen und verbessere dich stetig weiter. Dann brauchst du nur noch ein bisschen Selbstvertrauen und du wirst von ganz allein vorankommen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #170 Oktober/November 2023 und Christoph Lampert