KVLR

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Ich kaufe ein E ... und ein A ..

KVLR hießen mal KEVLAR, aber ein böser internationaler Großkonzern merkte das auch irgendwann mal und so wurden unter großen Schmerzen ein E und ein A entfernt. Übrig blieben vier Konsonanten, die keine Abkürzung darstellen. Am Heimatort Umea, Schweden hat sich nichts geändert, und nach dem schon ziemlich gelungenen Album „The Great Collapse“ gab‘s von der bereits seit 1996 gegründeten Band im Februar eine neue Platte, ohne Titel zwar, aber auch wieder auf Stickman Records. Bevor die Band vor einer erschreckend kleinen Gruppe junger Menschen im Oberhausener Zentrum Altenberg musizierte, ließ sie sich noch ein paar Fragen stellen. Beteiligt waren Johan Sellman (Gesang, Gitarre), Ludwig Franzen (Gitarre), Joel Burg (Bass) und Magnus Öberg (Drums).

Wie lange haben DuPont eigentlich gebraucht, um euch wegen des Namens auf den Leib zu rücken?

Ludwig:
„Ich bin seit Ende 2000 dabei, davor gab es die Band schon vier Jahre, und 2001 dann stießen sie auf unsere Website-Registrierung kevlar-online.com. Es war wohl reiner Zufall.“

Und was hat euch die Sache gekostet? Horrende Anwaltsgebühren?

Johan:
„Zwei Briefe und zwei Buchstaben, zum Glück nicht mehr. Wir hatten nur zwei Möglichkeiten: Einfach sofort alles zu tun, was sie verlangen, oder vor Gericht gehen und verlieren – also haben wir den Namen geändert.“
Magnus: „Als wir die Band gründeten, dachten wir überhaupt nicht über so was nach, wir wussten nicht, dass ‚Kevlar‘ ein geschütztes Warenzeichen ist. Der Brief hat uns dann echt überrascht.“
Joel: „Und ‚Nylon‘ oder ‚Styropor‘ sind ja auch geschützte Bezeichnungen, die aber heute von jedem umgangssprachlich benutzt werden, da sagt ja auch keiner was.“
Magnus: „Die schrieben in dem Brief, dass sie nicht wollten, dass ihr Name durch unsere Aktivitäten in Mitleidenschaft gezogen wird, aber es war klar, dass sie keinerlei Ahnung hatten, was und wer wir sind.“
Johan: „Unser erster Bassist kam mit dem Namen an, der hatte irgendwo gelesen, dass schusssichere Westen aus Kevlar hergestellt werden, und er fand das cool.“

Und heute heißt ihr also KVLR – wie immer man das ausspricht ... (Es folgen reihum mit viel Gespucke verbundene Versuche, vier Konsonanten auszusprechen)

Magnus:
„Der neue Name war für uns als Band dann auch ein Neuanfang, von daher hatte die ganze Aktion auch ihre guten Seiten.“
Als ich auf dem Weg hierher die neue CD gehört habe, kamen wir einmal mehr zwei Bands in den Sinn: NEW MODEL ARMY, wegen des Gesangs und der Gitarre ...
Johan: „... das haben wir schon mal gehört, ja.“
... bei manchen Songs auch THE SOUNDTRACK OF OUR LIVES.
Johan: „Danke! Uns freut es immer, mal was anderes zu hören als Vergleiche mit STARMARKET und FIRESIDE. Nette Leute, aber wir versuchen doch nicht wie die zu klingen, andererseits gibt es vielleicht doch Ähnlichkeiten, weil wir die gleichen alten Platten im Regal stehen haben.“

Zum Beispiel? Die eine oder andere Band aus Washington, D.C.?

Johan:
„Ja, zum Beispiel FUGAZIs ‚Repeater‘. Und natürlich ‚Daydream Nation‘ von SONIC YOUTH sowie ‚Loveless‘ von MY BLOODY VALENTINE. Und diese Platten sind, denke ich, auch deren Referenzen.“
Ludwig: „Für mich sind auch DINOSAUR JR, Tom Waits und SUGAR wichtig – generell lärmige Popmusik.“

Und was läuft bei euch im Tourbus-CD-Player?

Ludwig:
„Wir haben an einer Tankstelle eine CD mit Hits aus den 80ern gekauft, international und schwedisch. Da ist Peter Cetera drauf, der Typ von CHICAGO, Laura Branigan, Sandra, ALPHAVILLE, A-HA und so weiter ... Das war eine harte Zeit, hahaha.“
Johan: „Jetzt, da wir alle bald dreißig werden, müssen wir uns auch mal mit unseren musikalischen Wurzeln beschäftigen. Übrigens haben wir auf Tour in den USA Poster gesehen für Auftritte von Kenny ‚Footloose‘ Loggins. Aber zurück zu unserer Musik, bitte!“

Gerne. Da ihr ja wohl profunde Kenner der Popmusik der 80er seid, verarbeitet ihr das denn auch als Einfluss in eure Musik?

Johan:
„Durchaus! Wenn wir im Proberaum improvisieren, rutscht einem da schon auch mal so ein Achtziger-Hook raus. Der Einfluss ist also da, wenn auch nicht groß.“

Wie auch der Einfluss von den erwähnten Bands aus den späten 80ern und frühen 90ern.

Ludwig:
„Und da ist bei mir persönlich auch noch PINK FLOYD wichtig, deren Platten mein Vater immer spielte, als ich noch ein Baby war. Das habe ich nicht bewusst wahrgenommen, das ist einfach da, und ich weiß, es ist gut. Das ist pure Emotion.“

Tja, das ist das Interessante an diesem neuen Jahrtausend: War Punk einst Rebellion gegen die Supergroups der 70er wie PINK FLOYD, begeistern sich die Post-Punk-Bands heutzutage dafür ...

Ludwig:
„Ja, so was verändert sich ständig, auch wenn PINK FLOYD und Punk zwei Extreme sind. Oder die 80er und ... Hm, was ist dazu das Gegenstück?“
Johan: „Justin Timberlake vielleicht?“
Ludwig: „Eher Alternative Country. Ich mag das nicht.“

Seht ihr euch als Punkband?

Johan:
„Nein, eher als Indie-Rock-Band.“

Rock‘n‘Roll?

Johan:
„Rock.“

Stadion?

Ludwig:
„Noch nicht. Die BACKYARD BABIES sind Rock‘n‘Roll.“
Johan: „Es ist schwer eine gute Definition von Rock zu finden. Indie-Rock, das sind wir. Post-Indie-Rock ...“

Mir gefällt das. Der Begriff stammt aus den späten 80ern, als das noch eine Bedeutung hatte.

Ludwig:
„Für uns hat das auf jeden Fall eine Bedeutung, denn wir arbeiten so selbständig wie möglich, ‚verkaufen‘ letztlich nur das komplett fertige Album an die Plattenfirma. Wir haben zu Stickman ein sehr gutes Verhältnis.“

Haben die euch gefunden oder ihr die?

Johan:
„Wir hatten denen Demo-Aufnahmen geschickt, und dann sah uns in Saarbrücken der Typ, der die MOTORPSYCHO-Fanseite betreibt und empfahl uns weiter – und so hörten sich Rolf und Jeannette die Demos noch mal an, wir schickten ihnen mehr Songs, und so kam eins zum anderen.“

Und wie läuft‘s so?

Johan:
„Die Platte ist ja erst raus, da kann man noch nicht viel sagen, aber angesichts der Menge an Merchandise, die wir verkaufen, scheinen uns die Leute zu mögen. Und mal abgesehen, dass wir alle erkältet sind ... Und die Lebensmittelvergiftung ...“

Huch!

Ludwig:
„Wir hatten alle Durchfall und schreckliche Bauchschmerzen. Und trotzdem haben wir am nächsten Tag in Karlsruhe gespielt, aber das war, als ob man sich unter Wasser bewegt – alle Bewegungen sehr langsam und anstrengend. Statt Zugaben mussten wir uns auf der Bühne hinsetzen ... Als Warnung: Wenn ihr in Frankfurt seid, geht nicht in die Pizzeria Pedro.“

Vielleicht ist Pedro aber auch unschuldig und ein enttäuschter Fan, dessen Songwünsche ihr nicht erfüllt habt, wollte euch vergiften.

Johan:
„Oder es war unser Label, um uns auf die Probe zu stellen. Oder um auf einfache Weise für Publicity zu sorgen.“

Wie läuft‘s in Schweden?

Ludwig:
„Die Platte war erst zwei Wochen raus, als wir auf Tour gingen, aber wir bekamen doch schon schöne Reviews. Schweden ist für eine kleine Band wie uns schwierig, man kann da kaum auf Tour gehen, und eine Hand voll Plattenfirmen dominiert den gesamten Markt.“
Johan: „Wenn du in den größeren Clubs in Malmö, Stockholm und Göteborg spielen willst, hast du kaum eine Chance da reinzukommen.“
Ludwig: „Da ist das in Deutschland eine ganz andere Situation, da gibt es in jeder kleinen Stadt einen Club oder ein Jugendzentrum mit Bühne, wo man spielen kann – das kennen wir nicht aus Schweden.“

Mit was für Bands seid ihr in Umea aufgewachsen?

Ludwig:
„In einer kleinen Stadt wie Umea kennt man sich einfach.
Konzerte dort waren früher stilistisch sehr gemischt, nicht nur reine Punk- oder Hardcore-Shows, und so waren da immer viele Leute, selbst bei kleinen, neuen Bands. Und natürlich waren REFUSED die größte Band. Das Problem war und ist, dass die Szene keinen Treffpunkt hat und es von der Seite der Stadtverwaltung auch kein Interesse gibt, das zu ändern.“
Johan: „Es gab mehrere Versuche, Clubs mit Bierausschank zu gründen, aber das klappte alles nicht. Und so findest du als Veranstalter einfach keine Location, um ein Konzert zu veranstalten.“
Ludwig: „Schweden hat da ein sehr altmodisches System: Du kannst eine Alkoholausschanklizenz bekommen, und eine für Livemusik – aber beides zusammen ist beinahe unmöglich. Denn man weiß ja, was passiert, wenn Leute Bier trinken und Rockmusik hören ... Klar, das muss verboten werden.“

Und was wird 2004 noch so für euch bringen, was erwartet euch nach der Tour?

Ludwig:
„Wir werden mit den WEAKERTHANS auf Tour gehen, so viele Konzerte und Festivals wie möglich spielen, und dann muss ich mir – ich bin derzeit arbeitslos – wohl zumindest einen Halbtagsjob suchen. Johan muss wieder zur Uni, er studiert Lehramt, Joel muss wieder arbeiten, er ist Programmierer, und Magnus hat ja noch sein Label, Chalk Sounds.“

Danke für das Interview.