Das Trio aus Stockholm ist seit 2010 aktiv, besteht aus Joakim, Adrian und Anders (Letzterer hat einen wunderhübschen Schnauzbart) und hat nach vier Singles kürzlich mit „Skuggfigurer“ auf Gaphals Records sein erstes Album veröffentlicht. Sie spielen wundervollen, mitreißenden, intensiven Punkrock mit mehrstimmigem Gesang und mit dieser ganz gewissen schwedischen Komponente, und wenn man so begeistert ist, muss man früher oder später eben ein Interview machen. Angesichts des Bandnamens sprach ich mit meinem Namensvetter Joakim unter anderem über Messer.
Die Basics, bitte.
KNIFVEN haben 2010 als Drei-Mann-Band angefangen. Bis dahin haben wir zusammen in der Post-Rock Band MELU gespielt, da waren wir zu viert, mit dem Gitarristen Robert Linde. Als der entschied, die Band zu verlassen, waren wir, also Anders, Gitarre und Gesang, Adrian, Schlagzeug, und ich, Joakim, Bass und Gesang, uns schnell einig, dass wir weiterhin zusammen spielen wollten. Dabei ergab sich aber eine komplett neue Ausrichtung in Musik, Gesang und Text. Während der Zeit hörten wir alle vor allem schwedischen Punk und Alternative, hauptsächlich Sachen wie MASSHYSTERI, Mattias Alkberg und PASCAL. Das inspirierte uns dazu, kürzere und schnellere Songs zu schreiben, ein Gegensatz zu den Post-Rock-Sachen, die wir zuvor bei MELU gespielt hatten. Die Umstellung von englischen zu schwedischen Texten war nicht so dramatisch. Als die Idee aufkam, war es für alle drei der offensichtliche nächste Schritt der Band. Auf den Namen KNIFVEN als beste Idee auf einer Liste von guten und weniger guten Bandnamen einigten wir uns kurz darauf. Wir haben alle seit unseren frühen Teenagerjahren in Bands gespielt, alle möglichen Stile von Rock bis Metal und Hardcore bis Indiepop. Aber nachdem wir KNIFVEN gegründet hatten, wurde immer klarer, dass wir alle ein gemeinsames Ziel haben: Wir wollen schnellen, lauten und richtig energischen Punkrock spielen, bei dem die schwedischen Texte Geschichten aus unserem Alltag erzählen, aber auch sozialkritisch sind. Wir gelten vielleicht nicht als eine besonders ideologisch motivierte Punkrock-Band, aber wir wissen mit Sicherheit ganz genau, was uns gefällt, und wahrscheinlich noch besser, was uns nicht gefällt. Da geht im Moment viel Scheiße ab in Schweden, vor allem in der Politik, und es fängt an, sich wirklich negativ auf die Gesellschaft auszuwirken.
Was ist so faszinierend an Messern, dass ihr beschlossen habt, eure Band KNIFVEN zu nennen?
Wir denken, dass KNIFVEN ein kurzer und direkter Name ist, der gut zu unserem Sound und unseren Plänen passt. Sich für eine Punkrock-Band einen Namen auszudenken, ist gar nicht so einfach, aber als einer diesen Vorschlag machte, waren wir uns alle einig, der passt am besten. Auch wenn es jetzt etwas klischeehaft klingt, auf den Namen kamen wir am Morgen nach einer durchzechten Nacht bei mir, das war im April 2011. Aber da es schon einen Singer/Songwriter mit dem Namen Kniven gab, entschieden wir uns, das „F“ einzufügen. Die Aussprache ist die gleiche, aber durch die altschwedische Schreibweise fällt KNIFVEN zwischen anderen eher auf. Danach haben wir erst mal ein paar alte Bücher aus dem 19. Jahrhundert gewälzt, in denen man das Wort in der alten Rechtschreibung noch finden konnte. Ein paar Geschichten waren echt brutal und das machte uns nur noch sicherer, dass wir uns richtig entschieden hatten. Aber abgesehen davon, dass wir den Namen mögen, hat niemand von uns wirklich was mit Messern am Hut. Okay, wir haben alle die „Rambo“-Filme gesehen in den Achtzigern, und der eine oder andere hat einen älteren Bruder, der damals so ein Rambo-Messer besaß.
Habt ihr gewusst, dass die Ox-Heimat Solingen sich „Klingenstadt“ nennt wegen all der Messerhersteller hier?
Haha, das ist ein interessanter Zufall. Wir alle finden die Traditionen, Geschichte und Symbolik der Schwertindustrie sehr inspirierend. Einer unserer Songs, „Velvet“, ist voll von Andeutungen und Hinweisen, auch wenn sich das Thema des Songs mit etwas vollkommen anderem beschäftigt. Aber das mit reinzunehmen, machte den Song um einiges düsterer und angsteinflößender.
Wie ist es um die die schwedische Messer-Tradition bestellt?
Es gibt da ein berühmtes Messer namens „Mora-kniv“ aus der Stadt Mora mitten in Schweden. Mora-Messer wurden in Ende des 18. Jahrhunderts erfunden und sind klassische Messer in Schweden. Es wurde hauptsächlich von Zimmerleuten und allgemein im Handwerk benutzt. Als Kind hat man ein Mora-Messer bekommen, ist in den Wald gerannt und hat Verwüstungen angerichtet bei Bäumen, Pflanzen, Tieren und allem, was einem sonst noch untergekommen ist. Das gehört bei uns in Schweden einfach dazu, wir sind Naturmenschen.
Rasieren hat ja viel mit Messern zu tun, gerade, wenn man die klassische Methode bevorzugt. Da zwei von euch einen Bart tragen, nehme ich an, ihr habt eine gewisse Geschicklichkeit, was das angeht.
Adrian ist der Einzige, der einen anständigen Vollbart trägt, und Anders ist der mit dem berühmten Schnurrbart. Adrian benutzt einen elektrischen Rasierer und von Zeit zu Zeit gibt es eine Nassrasur. Er hat nie ein Messer für den Bart benutzt, aber er würde es sicher tun, falls es zu einer Notfallrasur kommen sollte, während wir gerade auf Tour sind. Anders behauptet, er würde das Rambo-Messer bevorzugen, aber soweit wir wissen, ist das noch nie passiert. Ich habe zu der Rasiermesser-Diskussion nichts beizutragen.
In der Rock’n’Roll-Terminologie sind Begriffe mit Bezug auf Schneiden und Messer allgegenwärtig, ihr seid also in guter Gesellschaft.
Das meiste davon stammt wohl aus den Anfängen der Metal-Ära. Die Namen und Synonyme für Messer sind so vielfältig und scheinen sowohl zu den Texten als auch zur Optik vieler Hardrock- und Metal-Bands zu passen. Ich erinnere mich, dass ich mal auf eine Band namens TOKYO BLADE stand, die gehörten zu der New Wave of British Heavy Metal irgendwann in den Achtzigern, aber es gibt da sicherlich noch tonnenweise weitere Beispiele. In den letzten Jahren scheint dieser Trend auch auf andere Genres übergegriffen zu haben, auch auf Punkrock. In Schweden gibt es einige Bands, die „Knife“ in ihrem Namen haben, eine davon sind die exzellenten KNIVDERBY. Eine andere gute Band wären noch LONG KNIFE aus Portland, USA, aber die coolste von allen sind SHONEN KNIFE aus Japan. Wir durften sie übrigens letztes Jahr bei einer Show in Schweden supporten. Sie waren so unfassbar nett zu uns, dass man fast hätte weinen können. Egal, Messer sind einfach cool und dabei bleibt es!
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