Was kommt dabei heraus, wenn man die zwei derzeit umtriebigsten Herren der Metal- und Hardcore-Szene, Jamey Jasta (HATEBREED, ICEPICK) und Kirk Windstein (CROWBAR, DOWN) in einen Proberaum steckt? Ganz einfach: KINGDOM OF SORROW. Ein musikalischer 30-Tonner aus eben genau der Quersumme genannter Bands, für die die zwei verantwortlich sind. Wie und warum die beiden so ein musikalisches Ungetüm gebaut haben und sich damit unter der Flagge von Relapse Records dieser Tage auf den Highway begeben, konnte ich von Jamey Jasta persönlich in Erfahrung bringen. Der war nämlich im Rahmen einer vom Label gesponsorten Promo-Tour für das Album in Europa unterwegs, gastierte also zu diesem Zweck auch in einem Dortmunder Hotel und beantwortete bereitwillig und dabei Suppe schlürfend meine Fragen.
Das Projekt KOS existiert ja schon seit 2005. Warum hat es denn letztendlich so lange gedauert, die Platte zu veröffentlichen?
Das liegt wohl in erster Linie daran, dass Kirk und ich eben zuvor unsere Priorität auf HATEBREED beziehngsweise DOWN gelegt hatten und erst jetzt Zeit war, KOS richtig anzugehen. Jetzt, nach den Veröffentlichungen von "Supremacy" und "III - Over The Under" haben wir genug Zeit, nach dem Release mit der Band auch auf Tour zu gehen, uns um die ganze Promotion zu kümmern und eventuell auch ein paar Festivals zu spielen. Vielleicht schaffen wir es auch noch zu euch nach Europa. Das wäre vorher auf keinen Fall gegangen.
Warum erscheint KOS nicht auf deinem eigenen Label Stillborn Records?
Nun, wir haben das ja mit ICEPICK damals gemacht und bezüglich KOS war das einfach unmöglich. Jeder, der ein eigenes Label hat oder mal für eins gearbeitet hat, weiß, wie viel Arbeit da drinsteckt. Alles allein mit nur zwei Leuten bei Stillborn zu erledigen, wäre nicht möglich gewesen. Relapse waren außerdem von Anfang an mein Wunschlabel für KOS, und als wir das Angebot von ihnen bekommen haben, war ich wirklich überglücklich.
Woher kennen Kirk und du euch eigentlich? Wie habt ihr euch gefunden und entschieden, das Projekt gemeinsam zu starten?
Das erste Mal hab ich ihn 1994 getroffen. Damals hab ich mit ihm in erster Linie als Fan vor oder nach irgendwelchen CROWBAR-Shows gesprochen. Wir haben uns einfach gut verstanden und über die Jahre ist da eine richtige Freundschaft entstanden. Als ich dann HATBREED hatte, sind wir auch zusammen auf Tour gegangen, sei es mit CROWBAR oder 2002 mit DOWN. Als eingefleischter CROWBAR-Fan macht mich das heute stolz, nicht nur mit ihm befreundet zu sein, sondern auch mit ihm ein gemeinsames Projekt zu haben. Mit ihm an KOS zu arbeiten, war toll, da wir uns als Freunde dazu entschieden haben und er ein ganz entspannter Kerl ist. Außerdem hatten wir keinen Druck in Form irgendwelcher A&R-Typen, die einem reinquatschen wollten. Wir konnten ganz locker zusammen proben. KOS ist daher ein reines Freundschaftsprojekt. Die konkrete Idee kam allerdings erst im März 2005 und seitdem haben wir beide laufend über ein gemeinsames Projekt gesprochen und das auch immer in der Presse erzählt. Somit war das die ganze Zeit in aller Munde und die Fans haben sich im Internet den Kopf zerbrochen, was das denn genau sein sollte. Wir haben da ständig die wildesten Namensgebungen gelesen, wie "Crobreed" oder "Hatebar" - das war sehr amüsant.
Wie hat sich denn der Rest der Bandmitglieder von KOS gefunden?
Nun, Schlagzeuger Derek Kerswill von UNEARTH mit ins Boot zu holen, war die Idee von unserem Produzenten Zeus, der uns von dessen bombastischen Schlagzeugkünsten überzeugte. Gitarrist Steve Gibb von CROWBAR und ex-BLACK LABEL SOCIETY wollten wir dabei haben, da wir ihn kennen und ihm vertrauen, und was Matthew Brunson für den Bass angeht, der arbeitet in einem Plattenladen, den Kirk und ich häufiger besuchen, und wir haben ihn einfach gefragt, ob er Lust hat mitzumachen. Wir dachten, es ist ganz gut, auch mal wieder jemanden dabei zu haben, der mit dem ganzen Musikbusiness noch nichts am Hut hat und motiviert ist.
Wie lang habt ihr gebraucht, das Album einzuspielen?
Kirk und ich hatten es eigentlich schon so gut wie fertig geschrieben, als die anderen hinzu kamen. Wir spielten ihnen einmal das Material vor und gingen dann mit allen ins Studio. Besonders Derek war im Studio unglaublich. Er hat die Sachen einmal gehört und hat sie direkt perfekt eingespielt. Der Kerl ist wirklich der Professionellste von uns allen. Kirk und ich sind einmal, während seiner Schlagzeugparts, auf einen Kaffee rausgegangen und als wir wiederkamen, hatte er schon fast die Hälfte der Songs fertig. Somit haben die Aufnahmen gerade zwei Tage gedauert.
Wie würdest du den Sound von KOS beschreiben? Freunde von CROWBAR dürften wohl mehr enttäuscht werden als diejenigen, die auf die letzten Releases von DOWN und HATEBREED abfahren.
Da hast du Recht. Den schleppenden Gitarrensound von CROWBAR bieten KOS nicht wirklich. Obwohl zum Beispiel auf CROWBARs "Broken Glass" auch schnellere Stücke drauf sind. Bei KOS hatten Kirk und ich Spaß an durchaus schnellen Nummern wie "Led into demise" und "Demon eyes" als auch an eher DOWN-infizierten Songs wie "Grieve". Ich denke aber, dass wir trotz dieses offensichtlichen Stilmixes mit KOS einen eigenen Sound kreiert haben.
Du würdest also nicht sagen, dass die KOS-Songs soundtechnisch doch einen dicken HATEBREED-Stempel tragen?
Nein, allein aus dem Grund, weil alle diese Songs, die du vielleicht meinst, Kirk geschrieben hat. Viele Leute haben mir schon gesagt, dass einige Songs sehr nach HATEBREED klingen, aber bei diesen Parts hatte wirklich mehr Kirk seine Finger im Spiel. Insgesamt haben wir beide mit dem Projekt versucht, neue Wege zu gehen. So haben wir beide das eine oder andere Mal richtigen Gesang drin, Kirk hat einige Soloparts und an vielen Stellen, wo der Hörer denkt, dass es sich hier mehr um HATEBREED oder auch um DOWN dreht, hat genau der andere oftmals das Riffing gemacht oder die entscheidende Idee gehabt, was wiederum mit zum eigenen Soundkonzept von KOS gehört.
Wie sieht das denn bei den Songtexten aus?
Die Texte habe ausschließlich ich geschrieben, aber nur, weil Kirk nicht wollte. Ich hab ihn wirklich bearbeitet, aber es war zwecklos.
Ich hab über das letzte HATEBREED-Album "Supremacy" gelesen, dass du den Titel in erster Linie aus sehr persönlichen Gründen gewählt hast und das nichts mit Tough-Guy-Gehabe zu tun hat. Auch die Texte haben dort eine sehr persönliche Note. Wie sieht das im Falle von KOS aus?
Lass mich das mal so erklären: "Supremacy" bezeichnet eher einen generellen Zustand und "Kingdom Of Sorrow" sehe ich eher als einen bestimmten Platz. "Supremacy" bedeutet in diesem Kontext vor allem Überlegenheit über das Destruktive in dir, also metaphorisch ausgedrückt, dein persönlicher Kampf zwischen dem Engel auf der einen Schulter und dem Teufel auf der anderen. Das "Kingdom Of Sorrow" beschreibt wohl am besten einen bestimmten Platz für ein persönliches Leid, das man in seinem Kopf oder Herzen mit sich herumträgt. Dieses Leid kann aus diversen tragischen Erlebnissen herrühren, und wenn es uns möglich ist, den Menschen dabei zu helfen, dieses Leid besser zu verarbeiten, so dass er/sie mit einem positiveren Gefühl durchs Leben geht, dann ist es das, was ich mit KOS erreichen wollte. Ich persönlich denke, dass wir alle oft unsere schlechten Erfahrungen und das daraus resultierende Leid an einem bestimmten Platz verstecken, nicht darüber reden wollen und denken, so kommen wir am besten damit zurecht. Dieser Platz ist das "Kingdom Of Sorrow". Ich muss diese Dinge aber konfrontativ angehen und verarbeite meine persönlichen Erlebnisse in meiner Musik. Danach fühle ich mich wie befreit, schöpfe Kraft und kann das Leben wieder genießen. Das hat nicht unbedingt was mit Hardcore oder Heavy Metal zu tun. Jeder, auch wenn er mit dieser Musik überhaupt nichts anfangen kann, der sich mit seinem "Kingdom Of Sorrow" auseinandersetzt und aus schlimmen Erfahrungen etwas Positives zieht, profitiert dadurch für sein weiteres tägliches Leben. Wenn man sich also mit den Texten beschäftigen möchte - prima, das hier ist die tiefere Bedeutung auf den Punkt gebracht. Das heißt aber nicht zwingend, dass du zu der Musik nicht einfach nur headbangen kannst - dazu ist KOS natürlich auch gemacht, haha.
Wie wichtig ist für dich der Erfolg eines Projektes wie KOS? Ist es dir egal, was HATEBREED-, CROWBAR- oder DOWN-Fans über die Platte denken?
Das interessiert mich herzlich wenig, ob jemand jetzt die Platte mag oder nicht. Ich habe die Platte in erster Linie deshalb gemacht, weil ich sie machen wollte. Auch wenn im Endeffekt die CD niemals erschienen wäre, war das für mich persönlich eine ganz tolle Erfahrung, mit Kirk zusammenzuarbeiten. Über das Geld, das ich in die Aufnahmen und so weiter gesteckt habe, hätte ich mich auch dann nicht aufgeregt, weil wir einfach eine tolle Zeit zusammen hatten. Erfolg spielt für mich in dem Sinne keine Rolle und hat es auch noch nie. Mit HATEBREED haben wir acht Jahre lang nicht einen Cent verdient, aber es war mir persönlich immer egal. Wir haben nie auf die Ideen von Plattenfirmen oder Beratern gehört, sondern haben immer unser Ding durchgezogen, und deshalb klingen HATEBREED auch immer noch so ehrlich wie früher. Dass ich heute in der Situation bin, morgens aufzustehen und Musik machen zu können, ist wunderbar, aber wenn ich Geld verdienen will, kann ich andere Sachen machen, wie ein Haus kaufen, renovieren und dann wieder verkaufen. Mit Musik hab ich noch nie Geld verdienen wollen.
Wie steht es um deine "Karriere" bei MTVs "Headbangers Ball"?
Nun ja, das hab ich ja nun fast vier Jahre gemacht und werde nun, nachdem das vorbei ist, ein Buch darüber schreiben. In dem Buch werde ich über die Reisen, Verrücktheiten und alle berichten, die ich dort kennen gelernt habe, wie Slash, Dio, Ozzy Osbourne, Dave Grohl, Marilyn Manson, METALLICA ... Vielleicht nenne ich es "A Headbanger's Tale", ich weiß noch nicht genau. Aber ich freue mich total darauf, das Buch zu schreiben. John Grisham hat mal gesagt, ein wahrer Schriftsteller schreibt eine Seite am Tag. Das heißt, wenn ich das echt beherzige, dann kann ich jedes Jahr ein Buch schreiben. Es gibt so viele Leute mit jeder Menge Storys - vielleicht sollte ich einen Buchverlag gründen, haha.
Aber niemand muss dein Buch als großen Enthüllungsroman fürchten, oder doch?
Nein, ich hoffe eher, dass es die Leute inspiriert, Ähnliches zu machen, auch wenn sie vielleicht, wie ich damals, keinerlei TV-Erfahrung haben.
Sag bloß, du musstest dich wirklich um den Job bewerben?
Ja, ehrlich. Ich war einer von 300 Kandidaten und habe mich richtig beworben, mit Anschreiben, Bewerbungsgespräch und allem, was dazu gehört.
Kannst du schon sagen, ob es eine zweite KOS-Platte geben wird?
Ja, davon kannst du ausgehen. Das zweite Album soll aber ganz anders werden. Die Idee ist, Steve Gibb mehr in das Songwriting einzubinden, und es wird wohl alles etwas atmosphärischer werden. Wir wollen wohl auch ein Piano einsetzen.
Das klingt sehr experimentell ...
Ja, aber das ist das Schöne an dem Projekt. Ich kann einfach machen, was ich will. Ich kann ganze Songs aufnehmen, wo ich vorher etwa nur Windgeräusche aufgenommen habe und die Leute denken, ich spinne. Wenn ich das mit HATEBREED machen würde, würden die Fans wohl auch alle Platten verbrennen, aber dafür hab ich eben KOS. Da kann Kirk dann auch machen, was er will ... und wenn er von mir aus die Songs nur pfeifen will, haha.
Was steht in der nächsten Zeit mit HATEBREED an?
Das Tolle an HATEBREED ist, dass die Band kein Ein-Mann-Projekt mehr ist, sondern sich zu einem globalen Monster entwickelt hat. Wir werden demnächst Alaska, Südamerika, Südafrika, Russland betouren und in jedem Land, in dem wir waren, haben wir eine lokale Szene kreiert. Was die nächste HATEBREED-Platte angeht, so habe ich noch vor kurzem zu unserem Bassisten Chris gesagt, dass es klasse ist, in der Position zu sein, wo die beste Platte erst noch kommen muss. Das ist nicht bloß ein Gedanke, sondern ein Gefühl. Du weißt es einfach, wenn es Zeit für eine neue HATEBREED-Platte ist. Dennoch stehen noch einige Sachen im Vorfeld an. Demnächst wird es eine DVD geben, dann wollen wir noch ein Coveralbum machen, wir brauchen einen neuen Produzenten und einen neuen Plattenvertrag. Aber all das ist egal, wenn das Gefühl für eine neue Platte bei allen Beteiligten das Richtige ist. Nur dann kann eine gute Platte entstehen. Bei den Aufnahmen zu "Supremacy" hab ich im Studio auch immer an die Fans vor der Bühne im Moshpit gedacht - egal, ob auf dem With Full Force Festival oder auf einer Show mit 500 Leuten. Ich dachte nur: Wow, wenn das auf die Leute losgeht, dann ist Feierabend! Genau dieses Gefühl ist aber nötig, um neue Songs zu schreiben und ein Album aufzunehmen. Du kannst nicht einfach sagen: Ich schreib dann mal einen Song oder ich mache jetzt mal ein besseres Album als das zuvor. Du musst es fühlen und daran glauben. Wenn es Zeit für eine neue HATEBREED-Platte ist, dann weiß ich das. Ein Gefühl lässt sich nicht kommerzialisieren.
Wirklich neu erfinden werdet ihr euch aber wohl nicht, nehme ich an?
HATEBREED werden immer wie HATEBREED klingen. Wenn du in dein Lieblingsrestaurant gehst. willst du ja auch nicht, dass es zumacht und da ein Kentucky Fried Chicken entsteht. Was unsere Entwicklung angeht, so denke ich an SLAYER oder METALLICA. Jeder kennt sie, viele lieben oder hassen sie und es gibt auch eine Menge Fans, die sich in letzter Zeit über ihre Alben beschwert haben, aber sie sind definitiv Institutionen, die seit 20 Jahren und mehr die Szene dominieren.
Magst du denn ihr "St. Anger"-Album wirklich?
Auf jeden Fall. METALLICA sind einfach die Größten. Für mich können die machen, was sie wollen, denn sie sind eben METALLICA. Sag über das letzte Album, was du willst, aber für mich sind und bleiben sie die beste Band der Welt. Es kommen und gehen so viele Bands heutzutage und ich wundere mich manchmal, wie viele von ihnen abgefeiert werden. Sie mögen ja auch nicht schlecht sein, verglichen mit METALLICA sind sie aber nur ein Tropfen Pisse im Ozean. Das Gleiche gilt für SLAYER. Wenn die Burschen die Bühne entern, dann ist Schluss mit lustig - dann kannst du nur noch eine Kerze anmachen. Es ist völlig egal, was für schlechte Kritik es auch hagelt, für mich sind diese beiden Bands absolut unantastbar.
Kommt ihr mit KOS auch nach Deutschland?
Jetzt steht ja erst mal die US-Tour an und dann mal schauen. Vielleicht schaffen wir es ja wenigstens im Sommer auf die Festivals, wie Wacken oder With Full Force. Lust haben wir auf jeden Fall.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #77 April/Mai 2008 und Carsten Hanke
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #90 Juni/Juli 2010 und Jens Kirsch
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