KENT NIELSEN

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Should I stay or should I go

Während der letzten dreißig Jahre gab es eine Handvoll Großstädte, wo ich dachte, hier würde ich gerne mal mehr Zeit verbringen. Deswegen überlege ich, dass ich, sobald mein Kind erwachsen und auf einem guten Weg ist, zumindest für eine Weile in einer dieser Städte ziehen werde. Voraussetzung wäre unter anderem der richtige Job, denn um noch mal als Tellerwäscher anzufangen, bin ich inzwischen zu alt. Und außerdem, wer möchte schon so ein Kulturangebot vor der Nase haben, nur um sich nichts davon leisten zu können? Alles kann, nix muss, aber um ein bisschen mehr Klarheit zu schaffen, hatte ich mir überlegt, während der nächsten vier bis fünf Jahre immer wieder eine andere Stadt zu besuchen. Gesagt, getan, im Herbst stand London als Erstes auf dem Plan, keine schwere Entscheidung, da es ohnehin mein Favorit ist.

Ich wurde für das Thinking Pink Festival in Derby und das Kirstyfest 2017 in Soho gebucht, und fange an, den Rest des Trips um diesen beiden Events herum zu planen, inklusive einer Woche Bildungsurlaub von meinem Brötchengeber, so dass ich insgesamt dreieinhalb Wochen in Großbritannien verbringen kann. Aber welche Unterkunft? Ein Hotel, B&B und selbst die Jugendherberge läge für so einen langen Zeitraum jenseits dessen, was ich mir leisten könnte. Eine Rundfrage bei meinen vielen Bekannten auf der Insel bringt schließlich die Rettung. Mooney (ex-INSTIGATORS), den ich seit dreißig Jahren nicht mehr gesehen habe, bietet großzügigerweise an, mir sein Zimmer in einem Künstlerkomplex in Hackney North für die Dauer meines Aufenthaltes zu überlassen.

Ein wenig spannend ist das schon. Die Gegend um Seven Sisters und Finsbury Park nordöstlich vom Stadtzentrum war vor 25 Jahren tatsächlich der einzige Ort in London, wo ich mich nicht wohl in meiner Haut fühlte. Was, zugegeben, auch daran lag, dass mein damaliger Begleiter absolut nicht überlebensfähig im Ghetto gewesen wäre – falls es Ärger gegeben hätte. Heute setzt sich die dortige Bevölkerung aus 61,8% Weißen, 9,6% Asiaten, 20,9% Schwarzen und 1,4% Chinesen zusammen (laut Wikipedia). Man könnte auch sagen, dass die Gentrifizierung im Borough of Hackney angekommen ist, Hipster mischen sich mit Alteingesessenen und Migranten aus allen Ecken der Welt. Es gibt viele Grünflächen, unter anderem den wunderschönen und großräumigen Glissold Park direkt vor der Tür von dem, das während der nächsten Wochen mein Zuhause werden soll.

29.09. Nachmittags in ein Taxi zum Bahnhof investiert, Räder und Griff meines geliehenen überdimensionalen und restlos überladenen Reisekoffers hätten niemals den Fußweg überstanden. Ab 16:30 Uhr verbringe ich die nächsten fünf Stunden von Lübeck nach Düsseldorf gefangen im Reisefieber, wie es die Männer meiner Familie väterlicherseits seit Generationen plagt. Die Zeit ist denkbar knapp, um es dort vom Hauptbahnhof zum ZOB zu schaffen, und tatsächlich versucht der Zugführer während der gesamten Fahrt, eine drohende Verspätung einzuholen. Und er schafft es. Der Bus ist noch da, als ich völlig außer Puste an der Haltestelle ankomme, setzt sich aber dann relativ schnell in Bewegung. Zum Glück sind keine Partygäste an Bord, alle machen es sich schnell gemütlich und versuchen zu schlafen, nur unterbrochen von der doppelten Passkontrolle im Hafen von Calais, ehe es an Bord der Fähre geht.

30.09. Gegen acht Uhr morgens an der Victoria Station angekommen, verschlingt der Fahrkartenautomat prompt zwanzig Pfund, diese werden mir aber von einem netten London Transport-Angestellten nach einiger Zeit gegen Quittung wieder erstattet. Den One Week Travel Pass im zweiten Anlauf erworben, und es kann weitergehen nach Hackney North. Den restlichen Tag verbringe ich damit, auszupacken, Lebensmittel zu besorgen und die Gegend auszukundschaften. Noch vor 22 Uhr bin ich auf der Couch eingeschlafen, irgendwann nachts völlig gerädert aufs Hochbett geklettert und habe insgesamt zwölf Stunden durchgepennt.

01.10. Fange an zu proben, danach in die Stadt. Wieder zu Hause, darf ich meinen WG-Nachbarn beim Sex zuhören. Am nächsten Tag wartet der erste Auftritt, wird auch Zeit.

02.10. Bin mehr als rechtzeitig los, denn ich finde es schwer einzuschätzen, wie lange man von A nach B braucht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Wie für alles andere, existiert natürlich auch dafür eine App, nur dass mein annodazumaliges Handy schon mit Google Maps überfordert ist. Folglich bin ich natürlich der Erste im Pub The Star by Hackney Downs, wo ich als Support von THE UKULELE SKA COLLECTIVE gebucht bin. T.U.S.C. ist ein neues Projekt von Paul Duncan (ex-SINK, ex-BIG RAY). Der Name ist Programm, und wie üblich bei einem Kollektiv wechselt die Besetzung von einem Auftritt bis zum nächsten. Die Band besteht in der Regel aus zehn bis zwölf Männern und Frauen, fest dabei sind Bassist und Schlagzeuger, manchmal ein Percussionist, jede Menge Ukulelen, statt Bläsern gibt es Kazoos in unterschiedlichster Größe – und singen kann das Kollektiv, aber wie! Sie covern alte Jamaican Ska-Hits aus den Sixties und Perlen der 2Tone-Ära, aufgelockert durch den einen oder anderen Klassiker aus dem „Great American Songbook“. An diesem Abend gibt es zum ersten Mal „On my radio“ von SELECTER, und wer bei so viel Spiel- und Lebensfreude stillstehen kann, hat ein Herz aus Stein. Ich darf wie gesagt den Abend eröffnen. Das überwiegend junge Publikum, aber auch die Mitglieder von T.U.S.C. hören aufmerksam zu – der Tourauftakt hätte nicht besser laufen können.

04.10. Gestresst wegen dem heutigen Auftritt, weil The White Swan in Charlton südlich von London wirklich am Arsch der Welt liegt. Vor Mitternacht zurück zu sein, schaffe ich dennoch, es ist der kleinste Gig auf der Tour. Bin irgendwie nicht so im Flow wie am Montag. Es ist ein klassischer Showcase-Abend, wo vier oder fünf Künstler je zwei zehn- bis fünfzehnminütige Sets spielen. Der Promoter bedient mehrere Läden und idealerweise rutscht man, wenn es gut läuft, irgendwann in seinen Roster von Künstlern, die er anbietet. Da ich einfach noch nicht so lange solo unterwegs bin, brauche ich ein bisschen mehr als zehn Minuten, um einen Spannungsbogen aufzubauen. Deswegen sind diese ganz kurzen Konzerte nicht unbedingt meins.

07.10. Ziemlich früh los Richtung Derby für das Thinking Pink Festival, jede Menge Anlass für Reisefieber und Panikattacken, bin aber relativ entspannt, auch dann noch, als ich schon im falschen Zug Platz genommen hatte und auf einmal Hals über Kopf sämtliche Taschen und Instrumente krallen, aus dem Zug rausspringen und das Gleis runter hechten muss zum anderen Abschnitt. Im Derby angekommen, macht im Hotel niemand auf, ich kann aber telefonisch klären, wo der Schlüssel deponiert sei und auch gleich ein Taxi für den nächsten Morgen buchen, da ich sehr früh wieder raus muss. Weil ich selbst auf der Acoustic Stage oben im Black Rebel Coffee House vom Hairy Dog spiele, schaue ich mir vorrangig die dortigen Acts an, unter anderem Sophie Sparham, (Spoken Word, fantastisch), Chris Butler, STATIC KILL, SUPER FAST GIRLIE SHOW und Louise Distras. Mit meinem Auftritt bin ich auch zufrieden, bekomme einiges an sehr gutem Feedback. – und bin schon im Café für eine Soloshow 2018 gebucht. Auf der Hauptbühne beeindrucken mich vor allem IN EVIL HOUR, ON TRIAL UK und das Frauenduo YOU WANT FOX. Das Festival selber ist eher schlecht besucht. Das tut mir leid, da es ja für einen guten Zweck ist, nämlich Früherkennung von Brustkrebs sowie Nachsorge für Überlebende der Krankheit.

08.10. Muss in aller Frühe mit dem Zug zurück nach London, um es rechtzeitig zum Kirstyfest zu schaffen, kann zum Glück während der Fahrt noch ein paar Stunden Schlaf nachholen. Das Kirstyfest ist für Fans, Freunde und Familie der großartigen, 2000 ums Leben gekommenen Kirsty MacColl, um ihr Leben und ihre Musik zu Feiern. Um zwölf Uhr ist Treffen im Soho Square, es gibt eine kurze Ansprache zum Ablauf des Nachmittags, dann wird von allen „Soho Square“ und „Don’t come the cowboy“ gesungen, anschließend geht es gemeinsam ins Spice of Life, wo die Veranstaltung von 13 bis 17 Uhr stattfinden soll. Mein Auftritt kommt extrem gut an und ich darf einige tolle Interpretationen hören – etwa von Philip Rambow, Chloe & Gianni Lorentzen, Terry Hurley, Maisie Johnson – und einige sehr nette Menschen kennen lernen. Da Kirsty sich vehement für eine Lockerung der amerikanische Handelsembargo gegen Kuba einsetzte, gibt es ein Gewinnspiel zugunsten des von ihr unterstützten Music Fund for Cuba. Danach erschöpft nach Hause.

09.10. Ausgeschlafen, dann zum Lunch mit Ed „Shred“ Wenn (DEALING WITH DAMAGE, ex-BIG RAY, ex-SINK, ex-STUPIDS), was total schön ist. Wir hatten von 1990, wo meine damalige Band UGLY FOOD zweimal zusammen mit SINK tourten, bis zum Sommer 2017 keinen Kontakt gehabt, verstehen uns aber auf Anhieb genauso gut wie damals. Der Brüller ist, dass wir während des Rebellion Festivals 2017 maximal ein, zwei Meter voneinander entfernt saßen, ein ganzes Konzert lang – ohne uns wiederzuerkennen. Nachmittags gehe ich noch ins Tate Modern-Kunstmuseum unten an der Themse.

10.10. Wäsche gewaschen, Sachen gepackt und dann abends mit der Bahn in aller Ruhe nach Bracknell zum ersten von fünf Auftritten mit Damian Clarke (ex-PRESSGANG). Der Gig im Acoustic Couch ist okay, wenn auch schlecht besucht. Im Anschluss eine elend lange Autofahrt über kleine, gewundene Straßen nach Dorset zu Damian nach Hause. Habe andauernd das Gefühl, ich müsse kotzen, aber ansonsten unterhalten wir uns prima und sehr angeregt.

11.10. Benefiz für Ärzte ohne Grenzen im The Star in Bristol, leider auch nicht so gut besucht, wir haben dennoch Spaß. Übernachtet wird bei Damians Sohn, den ich das letzte Mal sah, als er vier war – vor mindestens zwanzig Jahren. George Whitfield, ebenfalls früher bei PRESSGANG, ist an diesem Abend als dritter Act dabei. Er hat einen Gastauftritt auf meinem Soloalbum, und den Song „Platform no. 3“ spielen wir an diesem Abend das erste Mal zusammen. Damian und ich geben dazu noch „Do anything you wanna do“ von EDDIE AND THE HOT RODS zum Besten, das ebenfalls auf dem Album zu hören ist. Ich auf der Ukulele und er auf dem Hackbrett – eine Interpretation, die es definitiv so noch nie gegeben hat.

12.10. Der Auftritt heute ist okay, spiele selber nicht so gut, komme aber gut an. Es ist Open Mike Night im legendären Comedy Club Catweazle in Oxford, von daher gibt es einige sehr gute Dichter, Spoken-Word-Künstler und Songwriter zu hören.

13.10. Reading, wo wir das vorletzte Konzert spielen. Damian zieht nachmittags (wie jeden Tag) los, um Straßenmusik zu machen. Im Rising Sun angekommen, ist noch niemand da außer ein paar Schluckspechten an der Bar. Setze mich in den Veranstaltungsraum, probe ein bisschen und versuche, mich zu erinnern, ob ich vor über zwanzig Jahren schon mal hier gespielt habe oder nicht. Irgendwann kommen dann die Leute von der PA, der Veranstalter, Damian und schlussendlich auch das Publikum. Es wird ein sehr cooles Konzert, leider muss ich mein Set kürzen, da Damian als Lokalmatador und langjähriger Bewohner der Stadt überzieht und anschließend auch noch jede Menge Fragen beantworten muss zu seinem Hackbrett und der Hurdy Gurdy, seiner Drehleier. Nach dem Konzert wird bei einem unheimlich netten Quäkerpärchen übernachtet. Wenn es bloß mehr solche Menschen gäbe – neugierig, weltoffen und sozial engagiert!

14.10. Nachdem ich wieder in meiner Londoner Unterkunft angekommen bin, verschlafe ich den ganzen Nachmittag vor lauter Erschöpfung. Gehe abends raus, um Lebensmittel zu kaufen, auf dem Rückweg verlaufe ich mich, gehe früh ins Bett und penne noch mal elf, zwölf Stunden.

15.10. Das letzte der insgesamt fünf Konzerte mit Damian ist im Elm Tree in Cambridge. Wir entschließen uns dazu, ganz unplugged zu spielen – im Nachhinein vielleicht ein Fehler in meinem Fall, da der Geräuschpegel doch relativ hoch ist. Macht aber trotzdem Spaß. Verkaufe sogar ein bisschen Merchandise, was ansonsten eher mau ist auf dieser Tour. Danach erwische ich die Bahn direkt nach Kings Cross und bin vor Mitternacht im Bett.

16.10.-20.10. Englischkurs in der EC English Schule am Euston Square. Hätte zwar lieber etwas anderes gemacht, aber wenn man Bildungsurlaub und England eintippt, gibt es nichts außer Sprachkurse, und es musste ja auch in mein Zeitfenster passen. Ich mag die Atmosphäre in Sprachschulen, weil dort wirklich Menschen aus allen Herren Länder zusammenkommen. Gerade in so einem Klima wirkt der Brexit noch bedrohlicher, da viele Schüler und Lehrer direkt davon betroffen sind. Die Schule selber ist ziemlich anspruchsvoll, und ich habe dort auf alle Fälle nicht meine Zeit verschwendet.

18.10. Abends gehe ich zusammen mit Paul zum Ukulele Jam. Den Ukulele Wednesday gibt es in drei verschiedenen Locations jede Woche, der größte ist im Albany Pub in der Great Portland Street, dort gibt es einen Beamer, mit dem die Songs an die Wand geworfen werden. Schon geil, wenn fünfzig oder sechzig Ukulelen das gleiche Lied anstimmen, alle mitsingen und eine unbestimmte Anzahl von Kazoos die Bläserparts und Gitarrenlicks übernehmen. Ein äußerst kurzweiliger Abend.

20.10. Nach dem Ende des letzten Schultags komme ich nicht sofort nach Hause, da die U-Bahn-Stationen am Euston Square und Kings Cross/St. Pancras vorübergehend wegen Überfüllung geschlossen werden. Also frage ich einen Straßenreiniger, wie ich am besten zur Fuss nach Camden käme, und spaziere die ganze Strecke im Dunkeln am Kanal entlang. Da die Zahl der Obdachlosen in England permanent ansteigt, dachte ich, der Fußweg würde voll sein, es ist aber kaum etwas los, bis auf ein paar Fahrradfahrer und Jogger. Ein bisschen fühlt es sich dennoch an wie in einem Roman von Charles Dickens.

21.10. Nachmittags spielen THE UKULELE SKA COLLECTIVE am Stonebridge Lock im Tottenham. Dort liegen sogenannte Narrrowboats an beiden Seiten des Kanals, so weit das Auge reicht. Zentrum der Party ist ein kleines Café, es wird Cider gepresst, getrunken, diverse Acts treten auf, es gibt sogar ein zum Plattenladen umgewandeltes Boot. T.U.S.C. sind wieder nicht weniger als göttlich. Als ihr Set zu Ende ist, mache ich mich auf den Weg zum anderen Ende der Stadt, um SQUEEZE und NINE BELOW ZERO im Indigo at The O2 zu sehen. Die zwei Locations hätten nicht unterschiedlicher sein können. Obwohl ich weder Freund von moderner Architektur noch von Entertainment-Palästen wie dem O2 bin, muss ich dennoch zugeben, dass es echt beeindruckend ist, wenn man dort durch den Eingang kommt. Eine nicht enden wollende Zahl von Bars und Restaurants, dazu ein Kino und mindestens fünf verschiedene Veranstaltungslocations. Das Indigo hat mit dem oberen Bereich ein Fassungsvermögen von circa 1.500 Personen.

Ich bin seit 1979 Fan von SQUEEZE, die sich bereits 1974 im Süden von London gegründet haben. Bisher hatte ich sie noch nie live gesehen, mein letzter Abend in London soll also ein ganz großer werden. Ich hatte mich darauf eingestellt, NINE BELOW ZERO, die immerhin schon seit 1977 unterwegs sind, einfach über mich ergehen zu lassen. Wenn überhaupt, so dachte ich, kommt da irgendeine Bluesband auf die Bühne geschlurft und gniedelt um die Wette, eine Stilrichtung, der ich noch nie etwas abgewinnen konnte. Stattdessen wird dem Publikum ein Rhythm & Blues-Brett um die Ohren gepfeffert, dass mir nicht nur einmal der Atem stockt. Drei ältere Herren (Gitarre/Gesang, Schlagzeug und Gesang/Mundharmonika), durch zwei jüngere Bläser, ein Bassist und die Ausnahme Sängerin/Percussionistin Charlie Austen verstärkt. Der Performance von Charlie hätte ich den ganzen Abend zuhören und bestaunen können. Eine unglaubliche Stimme und Bühnenpräsenz.

Anschließend ist dann endlich die Mannschaft um Glenn Tillbrook und Chris Difford an der Reihe. Man wartet fast vierzig Jahre darauf, eine Band zu sehen, und hofft einfach, dass es keine Enttäuschung geben wird. Und was soll ich sagen, SQUEEZE erfüllen nicht nur sämtliche Erwartungen, sie übertreffen sie bei weitem. Perfekter Sound, tolle Lightshow und viel Mut zum Risiko. Das neue Album „The Knowledge“ ist erst seit ein paar Tagen draußen, trotzdem spielen sie mehr als die Hälfte der Songs davon, vom Vorgänger „Cradle To The Grave“ immerhin zwei Songs, dazwischen jagt ein Klassiker den nächsten. Fast jedes Mitglied von N.B.Z. ist während des Konzerts mehrmals als Gast auf der Bühne, was die Freundschaft zwischen den beiden Bands unterstreicht. Schlicht und einfach ein Wahnsinnskonzert! Als alles zur Ende ist und die Massen geordnet Richtung U-Bahn ziehen, begegnen uns unzählige Gruppen von jungen Zombies, die in die Arena strömen. Für Halloween ist es noch ein wenig zu früh, wer weiß, vielleicht sind es ja tatsächlich Untote. Eine freundliche Computerstimme bedankt sich mittels Lautsprecher für unsere Besuch und hofft, uns bald wiederzusehen. Das hat schon gewisse Big-Brother-Qualitäten.

22.10. Ich räume mein Zimmer auf und gehe noch mal ums Eck, um THE UKULELE SKA COLLECTIVE in einer Apfelplantage zu sehen. Wieder fällt mir auf, wie sehr Ska und 2Tone Teil des musikalischen Allgemeinguts von England ist, jeder kennt die Songs, unabhängig von Alter oder sozialem Status. In einer Ecke des Gartens, wo das Ganze stattfindet, steht Penny Rimbaud (ex-CRASS) und verkauft Kunsthandwerk. Irgendwie ist es ein würdiger und passender Abschluss für dreieinhalb tolle Wochen in der schönsten Stadt der Welt. Ich mache mich auf den Weg zum Busbahnhof an der Victoria Station, prügle mich fast mit einem Alki, der die Leute im Wartebereich belästigt, und fahre dann mit dem Bus Richtung Düsseldorf, um von dort die Bahn nach Lübeck zu nehmen.

Ob ich in vier Jahren dahinziehen werde, wenn mein Sohn volljährig ist? Ich weiß es nicht, und muss es auch nicht jetzt wissen, man wird sehen. Noch braucht mein Kind mich. Und wer weiß schon, was in vier Jahren ist, von wegen Brexit und so weiter. Die Stimmung ist bereits ganz schön düster unter den Briten.