Weiter geht’s mit unserer Serie zu NGOs und privaten Vereinen, die sich sozial engagieren und einen Bezug zur Punk- und Hardcore-Szene haben. Im Februar-Heft haben wir euch Sea Punks e.V. vorgestellt, die sich um Bootsflüchtlinge im Mittelmeer kümmern. In der zweiten Folge geben wir euch einen Einblick in die Arbeit von „Kein Bock auf Nazis“, einer Gruppe von Politaktivist:innen, die sich Aufklärungsarbeit an der Basis auf die Fahnen geschrieben haben. Auf unzähligen Konzerten und Festivals sieht man die Infostände, ihre Aufkleber und Shirts prägen das Bild in alternativen Jugendzentren und Punkrock-Clubs. Wer hinter der Initiative steckt und was sie alles antreibt, berichtet uns Aktivistin Anja.
Wie, wo, wann und warum kam es zur Gründung eurer Organisation? Wer waren damals die Ideengeber:innen und „Köpfe“, wer ist es heute?
Unsere Kampagne wurde 2007 von der Band ZSK in Berlin ins Leben gerufen und die Jungs sind bis heute im Team mit dabei. Damals gab es außerhalb der radikalen Linken und ganz wenigen engagierten Journalist:innen kaum Leute, die sich ernsthaft mit Rechtsextremismus auseinandergesetzt haben. Das hat sich erst alles nach der Selbstenttarnung des NSU geändert. Da waren plötzlich alle ganz geschockt: Ach, Nazis erschießen wirklich Menschen?! So wie sie es in jedem Rechtsrock-Lied singen und ankündigen?
Erzähl bitte die Geschichte hinter eurem Namen.
Uns war es wichtig, nicht die x-te klassische Antifa-Kampagne zu sein, sondern vor allem Jugendliche außerhalb linker Jugendzentren und besetzter Häuser zu erreichen. Dafür war und ist es wichtig jung, frisch und provokativ aufzutreten. Der klare Slogan „Kein Bock auf Nazis“ und das poppige Logo mit den knalligen Farben ist dafür perfekt. Unser Ziel ist es, einen Grundkonsens bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu fördern, kurz gefasst: Ganz egal, was du für Musik hörst oder wie du aussiehst, beim Thema Neonazis und Rassismus sind wir uns alle einig: Geht gar nicht!
Welche Ziele habt ihr euch gesetzt?
Wir wollen Mut machen, informieren und aktivieren. Wir sind davon überzeugt, dass eine nicht-rechte Jugendkultur, die sich aktiv gegen Nazis einsetzt, der Schlüssel ist, um langfristig dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen.
Welche größeren Aktionen und Erfolge gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Das Wichtigste sind natürlich immer unsere Infostände. Wir waren vergangenes Jahr bei knapp hundert Konzerten und Festivals präsent. Von Rock am Ring bis zu Touren mit BROILERS, DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN. Es war ein wildes Jahr. Nebenbei haben wir aber auch ein kostenloses Jugendmagazin und einen CD-Sampler rausgebracht. Zu jeder Landtagswahl verschicken wir rund tausend Gratis-Aktionspakete. Zur Wahl in NRW haben wir 49 Großplakate gemietet. Im Herbst haben wir in sechs Städten ein kostenloses Argumentationstraining gegen rechte Sprüche angeboten. Am meisten Stress gab es aber, als wir stundenlang ein Flugzeug mit einem 20 Meter langen „Scheiß AfD!“-Banner über Hannover fliegen gelassen haben. Die AfD ist total durchgedreht vor Wut und hat uns „Nazimethoden“ vorgeworfen! Da mussten wir schon sehr lachen. Das nächste Flugzeug ist übrigens bereits gechartert.
Mit welchen Risiken ist euer Engagement verbunden? Seid ihr Anfeindungen ausgesetzt, werdet ihr kriminalisiert?
Wir kriegen immer mal „Fanpost“ von AfD-Politikern und Nazis, aber damit können wir gut leben. Unsere Teams sind immer gut geschützt, da gab es noch nie ernsthafte Probleme bei Festivals. Es ist eher so: wenn wirklich mal ein Nazi oder AfD-Anhänger am Stand auftaucht, bedanken sich die Veranstalter bei uns für den Hinweis und schmeißen das Arschloch raus. Fertig!
Wie viele ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende habt ihr?
Unser Kernteam besteht aus vier hauptberuflichen Personen und dann gibt es einen Kreis von rund vierzig Ehrenamtlichen, verteilt über ganz Deutschland und Österreich, die uns bei den Ständen und Aktionen helfen.
Wo ist der Sitz eurer Organisation?
Unser Hauptbüro und das Materiallager sind in Berlin. Aber unser Netzwerk aus Teamern ist quer über Deutschland und Österreich verteilt.
Wie viele Mitglieder und Unterstützer:innen habt ihr? Beschreibt doch mal die „typischen“ Aktivist:innen.
Wir haben mehr als 400 Supporter:innen. Das sind Menschen, die uns jeden Monat einen kleinen Betrag spenden und für konkrete Aktionen ansprechbar sind. Alle Proteste, die virtuell laufen, funktionieren natürlich am besten. Aber wir mobilisieren selbstverständlich auch oft klassisch zu Demos gegen AfD und Rassismus. Mit unserer großen Reichweite können wir lokale Antifa-Gruppen und Initiativen gegen rechts da sehr gut unterstützen. Wir übernehmen auch oft das Drucken von Plakaten und Flyern für engagierte Gruppen.
Was könnt ihr leisten, das eine staatliche oder konfessionelle Organisation nicht kann?
Ich kann beispielsweise hier im Interview sagen, was ich will, ohne dass uns Fördergelder gestrichen werden. Die AfD ist ein rassistischer Scheißverein, der mit allen Mitteln gestoppt werden muss! Wenn du von der Bundesregierung Fördergelder nimmst und genau das sagst, gibt es am nächsten Tag einen Anruf, dass man doch bitte die Neutralität wahren soll. Aber wir scheißen auf Neutralität. Wir stehen auf der Seite aller Menschen, die vom Rechtsruck bedroht werden, ohne Wenn und Aber.
Welche konkrete Arbeit leistet eure Organisation? Also was genau macht ihr? Und mit wem arbeitet ihr dabei zusammen? In welchen Ländern seid ihr aktiv?
Wir arbeiten nur im deutschsprachigen Raum. Also Deutschland, Österreich, Schweiz. Schwerpunkt ist aber natürlich Deutschland. Wir arbeiten mit allen zusammen, die sich melden und Unterstützung brauchen. Mal sind das Schüler:innen, die ein Konzert gegen rechts planen, mal Privatpersonen, mal lokale Initiativen. Und natürlich haben wir auch freundschaftliche Kontakte zu anderen NGOs wie Pro Asyl, Sea-Watch oder PeTA.
Wofür verwendet ihr das Geld, das euch gespendet wird? Und habt ihr so was wie ein Spendensiegel und wie wird gewährleistet, dass mit den Spenden satzungsgemäß umgegangen wird?
Geld geht leider immer schnell weg. Das meiste investieren wir in Infomaterial, Sticker und Poster. Dann kommen noch Miete und Versicherungen dazu und wir haben ja zwei Busse für die Festivalstände – die gehen auch gut ins Geld. Wir haben erst vor kurzem unseren eigenen gemeinnützigen Verein gegründet. Früher lief das alles über einen befreundeten Trägerverein. Jetzt stehen wir endlich auf eigenen Füßen. Wegen eines Gütesiegels recherchieren wir noch. Da gibt es leider viele Rip-off-Organisationen, die dir nur Geld für so ein blödes Siegel abziehen wollen.
Wie kann man euch unterstützen? Nur mit einer Spende oder auch mit aktiver Mitarbeit?
Beides hilft. Wir suchen auch immer mal Menschen, die uns bei Festivals oder Konzerten helfen. Viel lieber ist es uns aber, wen jemand selbst bei sich vor Ort eine Aktion startet und wir nur „Starthilfe“ geben. Darum geht es ja am Ende.
Habt ihr prominente Fürsprecher:innen aus der Musik- und Kulturszene?
Ja, zum Glück ganz viele. DIE TOTEN HOSEN, DIE ÄRZTE und DEICHKIND unterstützen uns ebenso wie BEATSTEAKS, KRAFTKLUB, DONOTS und viele andere. Die passen zu uns, weil wir uns genau in diesem popkulturellen Kosmos bewegen und dort die meisten Menschen erreichen. Außerdem lieben wir diese Musik ...
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