KEIN BOCK AUF NAZIS

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ZSK über ihre Anti-Nazi-Initiative

ZSK sind nicht nur musikalisch gegen Nazis aktiv, sondern auch mit der Initiative „Kein Bock auf Nazis“. Sänger Joshi erklärt, worum es dabei geht und warum sie keine Stände auf FREI.WILD-Konzerten machen.

Wie kam es zum Portal keinbockaufnazis.de?


Wir haben 2006 mit der Band zusammengesessen und überlegt, wie man den vielen Jugendlichen, die sich gegen Nazis engagieren wollen, Mut machen kann. Es sollte darum gehen, zu zeigen, dass sie nicht alleine sind, und gleichzeitig weitere Menschen für das Thema zu sensibilisieren, die sich damit noch gar nicht groß beschäftigt haben. Aus dieser kleinen Idee ist eine richtig große Sache geworden. Mit Hilfe von Spenden haben wir seit der Gründung 250.000 kostenlose DVDs und mehr als eine Million Schülerzeitungen produziert und bundesweit verteilt. Außerdem gab es zur Landtagswahl in Sachsen einen Gratis-Sampler mit einer Auflage von 20.000 Stück.

Und wer steckt dahinter? Seid ihr ein Verein, arbeitet ihr ehrenamtlich, wie kümmert ihr euch um die ganze Arbeit?

Wir machen die Kampagne gemeinsam mit apabiz, dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum e.V. Das heißt, wir können auch Spendenquittungen ausstellen. Alles läuft 100% ehrenamtlich in unserer Freizeit. Zum Glück haben wir inzwischen viele Leute, die uns helfen. Sonst wäre die Arbeit gar nicht zu schaffen.

Wie verbreitet ist rechtes Denken unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen?

Da gibt es ja ganz eindeutige Untersuchungen, zum Beispiel die jährliche Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu rechtsextremen, rassistischen und antisemitischen Einstellungen. Die Ergebnisse sind zum Teil richtig bitter. Während in Westdeutschland 2012 jeder fünfte Befragte rassistische Einstellungsmuster hatte, waren es in Ostdeutschland fast 39%.

Was für Erfahrungen macht ihr, welches Feedback bekommt ihr?

Die Rückmeldungen auf unsere Kampagne sind ziemlich gut. 120.000 Facebook-Freunde und 30.000 Adressen im Newsletter sind schon verrückt. Teilweise sind wir aber auch genervt, weil einige Promo-Agenturen gemerkt haben, was wir für eine große Nummer sind. Jede Woche kriegen wir Anfragen von bekloppten PR-Profis, die versuchen uns irgendwelche Bands unterzujubeln, über die wir dann berichten sollen. Die Thematik ist ihnen scheißegal. Es geht denen nur um kostenlose Werbung. Besonders schräg sind immer Mails in diesem Stil: „Hallo, wir sind unbekanntes Festival XY und auch total gegen Nazis. Wir wollen euer Logo auf die Poster nehmen. Bitte überweist uns im Gegenzug 2.000 Euro auf folgendes Konto ...“. Die meinen das wirklich ernst!

Ihr wendet euch explizit an Jugendliche und junge Erwachsene im Schulalter, etwa mit einer Schülerzeitung. Warum diese Zielgruppe?

Für uns war von Anfang an klar, dass das eine Jugendkampagne wird. In der Jugend entscheidet sich einfach, in welche Richtung du dich entwickelst, welchen Weg du gehen willst und was dir wichtig ist. Wir hoffen, dass durch unsere Arbeit möglichst viele engagierte Kids ermutigt werden, selbst etwas gegen Nazis und Rassismus zu unternehmen. Darum geht es bei „Kein Bock auf Nazis“: wir wollen die Jugendlichen dazu bringen, selbst etwas zu starten, wir sind dabei nur der Auslöser. Den Rest müssen sie selbst machen.

Ihr macht auch DVD-Compilations – als Reaktion auf die „Schulhof-CDs“ der NPD? Wie sieht das Konzept aus?

Ehrlich gesagt, war das nie als Gegenstück zur „Schulhof-CD“ gedacht. Wir wollen nicht auf Neonazis reagieren, sondern selbst Akzente setzen. Bei der DVD ging es einfach darum, dass Schüler und Schülerinnen lieber etwas anschauen, als eine Zeitung zu lesen. Es ist schon spannend, wenn DIE ÄRZTE oder DIE TOTEN HOSEN erzählen, was sie früher für Ärger mit Nazis hatten und warum sie sich bis heute gegen die Typen zur Wehr setzen. Das würde als geschriebenes Wort nicht halb so gut wirken.

Wie sind die Reaktionen darauf?

Die Reaktionen waren ziemlich überwältigend. Wir haben inzwischen eine Viertelmillion davon in vier verschiedenen Auflagen verteilt und kriegen immer noch täglich Anfragen nach den längst vergriffenen Dingern. In vielen Schulen wurde die DVD von Lehrern vorgeführt. Das zeigt uns, dass es die richtige Entscheidung war, die Filme zu produzieren.

Wie finanziert ihr diese erstaunlich hohen Auflagen? Bekommt ihr Geld vom Staat?

Nein, das wollen wir auch gar nicht. Wir finden es wichtig, unabhängig zu bleiben. Am Anfang haben wir sehr viel Geld von der Band in die Kampagne investiert. Inzwischen läuft es von alleine über Spenden, Unterstützung von Gewerkschaften und vor allem T-Shirt-Verkäufe. Für die letzte Schülerzeitung haben wir eine Crowdfunding-Aktion über eine Online-Plattform gestartet. Das lief erstaunlich gut. Trotzdem sind wir immer knapp bei Kasse. Würden wir den Mitgliedern aus unserem Team für die viele Arbeit auch nur einen Stundenlohn von fünf Euro zahlen, wären wir innerhalb von zwei Monaten pleite.

Ihr habt prominente Unterstützer wie DIE ÄRZTE und DIE TOTEN HOSEN, seid oft mit eurem Stand auf deren Konzerten präsent. Wie kam es dazu?

Mit ZSK haben wir zum Start der Kampagne natürlich all unsere Kontakte genutzt, um bekannte Bands in Boot zu holen. Dass wir mit den TOTEN HOSEN und DIE ÄRZTE befreundet sind, hat uns da sehr geholfen. Die laden uns dann auch regelmäßig zu ihren Shows ein. Wir hatten im vergangen Jahr Infostände bei mehr als fünfzig Festivals und Konzerten. Von Rock am Ring über Hurricane, Highfield und Taubertal, bis zur ÄRZTE- und Hosen-Tour. Die Stände zu organisieren ist eine Riesenarbeit. Wir haben eine Person im Team, die sich ausschließlich darum kümmert. Das geht im Januar los und endet erst im September. Wir haben das Glück, dass viele Veranstalter unsere Kampagne kennen und gut finden. Das macht es natürlich leichter. Aber es bleibt trotzdem ein enorm großer Aufwand, alles zu klären, auf den Weg zu bringen und natürlich die Stände selbst zu betreuen.

Warum stellt ihr euch nicht auch auf FREI.WILD-Konzerte oder eines dieser Onkelz-Gedächtnis-Festivals?

Lustig, dass ihr das fragt. Wir kriegen tatsächlich immer wieder Mails, warum wir nicht mal bei Nazi-Konzerten oder FREI.WILD-Quatsch stehen würden. Ganz einfach: Die Sicherheit unserer Leute ist uns sehr wichtig. Was für eine verrückte Vorstellung, dass man dann mit irgendwelchen durchgeknallten FREI.WILD-Jüngern oder gar Nazis einen netten Plausch veranstalten würde. Es gab schon Festivals, auf denen wir massiv körperlich von organisierten Rechtsextremisten angegriffen wurden. Das wollen wir unseren ehrenamtlichen Helfern ersparen. Außerdem sind wir keine Aussteiger-Kampagne, sondern unterstützen diejenigen, die sich gegen Nazis engagieren. Es ist absurd, zu glauben, dass wir allein mit einem Infostand einen Rassisten, völkischen Trottel oder einen überzeugten Neonazi dazu bringen könnten, seine menschenverachtende Ideologie über Bord zu werfen. So einfach ist es – leider – nicht. Wir werden nicht mit einem rassistischen FREI.WILD-Fan im Thor-Steinar-Shirt diskutieren, ob das jetzt eine rechte Marke ist oder nicht. Dafür ist uns unsere Zeit zu schade. Es gibt Grenzen. Davon abgesehen, hassen uns die FREI.WILD-Fans wie die Pest. Wir kriegen mehr Gewalt- und Morddrohungen von denen als von richtigen Nazis. FREI.WILD-Fans sind da schlimmer als Familienministerin Kristina Schröder: Jeder, der sich gegen Nazis engagiert, ist für die automatisch eine „scheiß Zecke“, „Linksextremist“ oder „Autobrandstifter“. Jeder, der es wagt, auch nur ein Wort Kritik an FREI.WILD zu äußern, ist ein „Linksfaschist“, dem man „aufs Maul hauen“ muss. Krasse Spinner halt.

Was unterscheidet eure Arbeit von der „klassischen“ Antifa-Arbeit?

Ich denke, der Unterschied ist, dass wir versuchen, ein sehr niedrigschwelliges Angebot zu machen. Wir wollen zeigen, dass sich wirklich jeder auf seine Art gegen Nazis stark machen kann. Der Rest kommt von alleine.

Wie gefährlich ist euer Tun, was für Reaktionen seitens der Rechten habt ihr erlebt? Oder anders gefragt: Wie mutig muss man sein, um für KBAN aktiv zu werden?

Die Gefahr, die von der Neonazi-Szene ausgeht, sollte man nicht überbewerten, aber auch nicht unterschätzen. Jeder, der ein T-Shirt gegen rechts trägt, kann in eine brenzlige Situation geraten, auf dem Land vermutlich noch eher als in einer Großstadt. Das Wichtige ist, dass man sich davon nicht einschüchtern lässt, sich Freunde und Unterstützung sucht und weitermacht.

Zum Abschluss: Wenn man bei euch mitmachen will, was kann man tun?

Wir freuen uns immer über Unterstützung. Das einfachste ist es, sich unsere kostenlose Schülerzeitung zu bestellen oder bei uns im Shop Sticker, Poster und Flyer zu ordern und selbst etwas zu starten. Ansonsten kann man uns auch einfach mailen. Wir haben inzwischen bundesweit fast überall Leute, die uns beispielsweise bei Festivalständen und Verteilaktionen helfen. Davon kann man nie genug haben.