Joe Raposo

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Von RICH KIDS ON LSD zu den REAL McKENZIES

Im Jahre 1987 erschien auf Alchemy Records mit "Rock'n'Roll Nightmare" eines meiner zehn Favoriten-Alben aller Zeiten und die RICH KIDS ON LSD begeisterten auf ihren ausgiebigen Europatouren zwischen 1987 und 1990 wahrscheinlich jeden der damals Anwesenden. Der schlicht unglaubliche Stop-and-go-Hardcore zauberte mit seiner Energie überall ein entrücktes Grinsen auf die Gesichter der Konzertbesucher. Nachdem Sänger Jason Sears die Band 1993 verließ, wurde es ruhiger um die Ausnahme-Thrasher, obwohl die Band weiterhin existierte und bis 2005 auch weiter live auftrat. Dann der Schock: Im Dezember 2005 verstarb erst Drummer Richard "Bomer" Manzullo, und kurz darauf im Januar 2006 Sänger Jason Sears. Heute schreiben wir das Jahr 2008 und ich sitze mit RKL-Bassist Joe Raposo auf der Wiese hinter dem VIP-Zelt beim Force Attack Festival. Joe wird in einer halben Stunde mit seiner aktuellen Band - den REAL McKENZIES - die Bühne stürmen und hat sich vorher die Zeit genommen, einige Fragen zu beantworten.



Joe, auf dem RKL-"Greatest Hits Live"-Album ist dieser Notizzettel abgedruckt, auf dem deine Eltern euren Gitarristen Barry zu deinem Vormund bestimmen ...

Ja, das war unglaublich. Ich war gerade mal siebzehn Jahre alt, auf der Highschool, und sollte mit den Rich Kids auf Europatour gehen. Meine Eltern waren alles andere als begeistert, aber sie ließen mich dann doch fahren. Allerdings unter der Bedingung, dass einer der Jungs mein Vormund sein musste und Barry kannten sie halt ganz gut. Während der Tour kam dann natürlich alles ganz anders und eigentlich habe ich die ganze Zeit auf ihn aufgepasst, denn die Jungs waren ständig dermaßen zugedröhnt, haha. Überhaupt war diese ganze Zeit in Europa eine großartige Erfahrung für mich. Ich war jung, alles war aufregend und ich dachte mir, mehr coole Dinge können mir in diesem Leben nicht mehr passieren. Wir haben so viele Leute kennen gelernt und viel von den damaligen Bekanntschaften sind noch heute meine Freunde, die ich treffe, wenn wir mit den McKenzies auf Tour sind.

Wie bist du damals überhaupt zu den Rich Kids gekommen? Auf den ersten Platten hast du ja noch nicht gespielt.

Ich habe überhaupt erst mit 15 angefangen Bass zu spielen und habe mir immer heimlich das Equipment von meinem älteren Bruder ausgeliehen. Wenn der aus dem Haus war, schnappte ich mir seinen Bass und habe geübt und geübt. Gespielt habe ich damals aber nur in einer unbedeutenden Highschool-Band. Dave Raun, der Drummer von LAG WAGON, ist ein Sandkastenfreund aus meinem Viertel und wir haben eigentlich schon immer zusammen abgehangen. Daher kam ich auch früh mit Musik in Berührung, denn Dave kannte halt jede Menge Leute. Ich war damals großer RKL-Fan und dann erfuhr Dave, dass eben diese einen Bassisten suchten. Er arrangierte, ohne mein Wissen, ein Vorspielen für mich und ich dachte mir "Mist, das ist viel zu früh und ich bin niemals gut genug." Ich hätte mich auch nie getraut, mich bei denen zu melden, aber da Dave die Sache eingefädelt hatte, konnte ich nicht mehr zurück. Also fuhren wir zur Session und ich machte die Sache immerhin so gut, dass Bomer mir gleich "Blocked out" und "Scab on my brain" als Hausaufgaben mit auf den Weg gab - ausgerechnet diese Songs! Eine Woche später war ich dann in der Band und hatte knapp einen Monat Zeit, für meinen ersten Gig zu üben. Ich sage dir, ich war diesen Monat so aufgeregt wie davor und nachher nie wieder.

Was passierte dann in den 90ern mit den Rich Kids?

Nachdem es für uns ja super gelaufen war, stieg Anfang der 90er Jason aus der Band aus und irgendwie war ein bisschen die Luft raus. Wir haben dann noch "Riches To Rags" rausgebracht, aber kurze Zeit später verließ dann auch Bomer die Band und wir standen kurz vor dem Aus. Gegeben hat es RKL aber eigentlich immer und wir haben auch immer weiter Konzerte gespielt. Fast zehn Jahre später kam Jason wieder zurück in die Band und wir waren die letzten Jahre fleißig dabei, neue Stücke zu schreiben. Selbst Bomer ließ sich wieder blicken, gab seine moralische Unterstützung und Hilfestellung beim Songwriting, auch wenn er nicht wieder als Drummer einstieg. Es war fast wieder der alte geile Geist zurück in der Band. Aus dieser Zeit gibt es sogar noch zwei komplett aufgenommene neue Stücke mit Jasons Gesang drauf und wir hoffen, die irgendwann veröffentlichen zu können. Es sind zwar nur Aufnahmen aus meinem Homestudio, aber sie sind klasse und wir werden sehen, wer sie herausbringen wird. Nachdem dann Bomer und Jason kurz hintereinander starben, gab es allerdings für die Band keine wirkliche Zukunft mehr.

Und zu dieser Zeit begann dann deine Karriere bei den REAL McKENZIES?

Ja, so ungefähr. Als die REAL McKENZIES 2005 mit den Aufnahmen für "10.000 Shots" beschäftigt waren, hatten sie keinen Bassmann und Fat Mike war mit ihnen im Studio, um die Bassspuren einzuspielen. Da er aber wie immer viel zu viel um die Ohren hatte, fragte er mich, ob ich Zeit und Lust hätte, für ihn einzuspringen. Ich sagte zu und dachte mir, es würde wohl nur ein kurzer Job werden, aber dann liefen die Aufnahmen sehr gut und Paul fragte mich, ob ich nicht im Anschluss mit ihnen auf Europatour gehen wollte. Das klang nach einer guten Gelegenheit, alte Freunde wieder zu treffen und so saß ich kurze Zeit später mit im Flugzeug. Mit den McKenzies auf Tour zu sein, war damals - und ist auch noch heute - ein großer Spaß. Die Chemie stimmte einfach und so war der Aushilfsjob nach der Tour vorbei und ich fest in der Band. Ich bin jetzt eigentlich immer bei den meisten Stücken am Songwriting beteiligt und steckte von Platte zu Platte tiefer im Produktionsprozess drin. Die Arbeit im Studio macht mir halt sehr viel Spaß und ist eine tolle Erfahrung.

Mit Sean Sellers an den Drums könnte man die Band eigentlich als eine Art All-Star-Kapelle bezeichnen.

Haha, absolut! Wir haben den ersten Gitarristen von DOA am Start, Sean von GOOD RIDDANCE und das Interessante dabei ist, dass sowohl Sean als auch ich unser Handwerk im Endeffekt eigentlich von Bomer gelernt haben. Wenn man genau hinhört, wird man also feststellen, dass die neuen Stücke der McKenzies ein bisschen nach RKL klingen.

Ist die Band ein Vollzeitjob oder bleibt dir noch Zeit für andere Projekte?

Die Band benötigt schon sehr viel Zeit, da wir eigentlich immer irgendwo auf Tour sind. Aber wenn ich zu Hause bin, spiele ich noch mit einigen Kumpels in einer Band mit dem Namen KINGCITY SF. Da spielen wir aber definitiv keinen Punk, sondern mischen Club-Musik aus den 30er Jahren mit Latin und Ragtime. Ich spiele da Stand-up-Bass und wir tragen bei unseren wenigen Konzerten Anzüge. Ein großer Spaß, bei dem Rich Morin - der auch bei THE OTHER gespielt hat - und meine alten Freunde Chris Rest und Boz Rivera mit von der Partie sind. Wir treffen uns nach Lust und Laune, und wenn mal etwas Zeit ist, spielen wir sogar einige Shows.