Pop-Punk ist der Hardcore dieser Tage: Die Anhänger zelebrieren isoliert, aber über die ganze Welt verstreut, im Geheimen ihren Underground-Kult, nehmen Kosten und Strapazen auf sich, um zu Konzerten zu reisen. Es ist D.I.Y., weitgehend unkommerziell, dient dem Spaß und der Freundschaft, man tanzt den "Blitzkrieg Bop". Angesichts der verwendeten Mittel und erwähnter Strapazen, denen sich Bands und Publikum aussetzen, stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung eigentlich die Veranstalter Gewinn erwarten. Die das tun, sind aber nicht das Schwarze unter den Fingernägeln des Pop-Punks wert und bei ihrem Poster-Punk vielleicht besser aufgehoben. Der einzige Unterschied zum Hardcore ist die zuweilen bestürzend bürgerliche politische Einstellung und eine zu gering ausgeprägte Einheit von Bands und Publikum, ein Zeichen der Konsumhörigkeit unserer Zeit. Doch Wolf kennt Wolf und so erfuhr der 24. November letzten Jahres ein Familienfest des Exzesses beim Monster Zero Mash in Rotterdam. Sieben Bands aus Belgien, Dänemark, Amerika, Deutschland, England und den Niederlanden trafen sich, um - manchmal unmittelbar - miteinander zu musizieren, die Getränke der anderen zu trinken, ihre Träume zu träumen und ihre Lieder zu singen. Insbesondere "The night feels so much better than the day" verdeutlicht diese außergewöhnlichen Bandfreundschaften. Die Veranstalter des Abends spielen nicht nur bei den APERS, den ACCELERATORS und den CENTERFOLDS, bei jenen Bands also, die dieses Lied geprägt haben, sondern auch gemeinsam bei den JIZZ KIDS, von denen in diesem Jahr zwei Singles zu erwarten sind.
Heute Nacht ist Marien Nicotines letzter Auftritt für die APERS. Von wem wird er ersetzt werden?
Kevin Aper: Das steht noch nicht fest. Wir hatten einen, der es machen wollte, doch wegen privater Probleme weiß er momentan nicht, was sein wird. Ich auch nicht, tut mir Leid. Wir müssen abwarten. In der ersten Jahreshälfte werden verschiedene Leute, Freunde, auf Konzertreisen und Kurzausflügen aushelfen: jemand aus England wird mit uns auf Englandtour gehen, einer aus den Niederlanden wird uns nach Deutschland begleiten. Kelvin, Ivo und ich müssen uns überlegen, wie wir weitermachen wollen.
Das letzte Album "Reanimate My Heart" war eher schwermütig. Ich hörte, dass eine bandinterne Abmachung vorsah, das nächste Album wieder süßer zu gestalten.
Kelvin Centerfold: Nee, das wird das bis dahin Beste!
Kevin Aper: Offen gestanden, habe ich über das nächste Album bisher noch nicht nachgedacht. Als wir anfingen, dieses Album zu schreiben, hatten wir ein paar Lieder, die eher nach Powerpop klangen. Fröhliches Zeug zum Tanzen eben. Marino wollte deswegen - du hast also richtig gehört - nach "Reanimate ..." dahin zurück und ein sehr poppiges Album machen. Da Marino nur leider die Band verlassen hat, ist aber alles wieder offen.
Bereits einmal wurde ein Mitglied ersetzt, nämlich Jerry Hormone durch Kelvin Centerfold.
Kevin Aper: Zum Glück!
Kelvin, du brachtest "The night feels so much better than the day" mit zur Band und auf das "Reanimate ..."-Album.
Kelvin Centerfold: Wir hatten das Lied bereits bei den CENTERFOLDS gespielt, meiner ehemaligen Band. Es war zu deren Hochzeiten auch eingespielt worden. Kevin wollte das Lied, allen gefiel es und so schenkte ich es den APERS.
Kevin Aper: Es passte auch gut zu den anderen Liedern.
Ja, es fällt textlich heraus, fügt sich aber perfekt ins Gesamtbild ein.
Kevin Aper: Ich hab den Text ein bisschen verändert, er weicht nun ein wenig von der CENTERFOLDS- und der ACCELERATORS-Version ab.
Kelvin Centerfold: Ist der Text so schlimm?
Es ist ein euphorisches Lied unter sehr depressiven Liedern, ohne wie ein Fremdkörper zu wirken.
Kelvin Centerfold: Das liegt wahrscheinlich daran, dass weiterhin das Dunkel beschworen wird: "I want the dark to brighten up my sight.".
Gib mir einen Abriss von den dahingeschiedenen CENTERFOLDS.
Kelvin Centerfold: Da gibt es nicht viel zu erzählen. Nachdem ich mich den APERS in Vollzeit angeschlossen hatte, gaben wir noch ein Abschiedskonzert. Erwähnenswert ist, dass unser Schlagzeuger heute bei den ACCELERATORS spielt.
Ist die Tatsache, dass Erik A.C. heute bei den ACCELERATORS spielt, Ursache für das Cover von "The night feels so much better ..." auf der "My Baby Is An Undertaker"-7"?
Kevin Aper: Ach, die spielen alles nach, dessen sie habhaft werden können. Lieder ehemaliger Bands oder Coverversionen von SCREECHING WEASEL oder den MANGES, haha. Deswegen haben sie auch eine Million Lieder.
Ox Accelerator: Lass mich das mal klarstellen: Das Lied gefiel uns und niemand spielte es mehr. Wir fanden alle, dass es ein wirklich gutes Lied ist, und weil Erik dafür war, haben wir es übernommen. Punkt.
Ihr hattet bei der Aufnahme des Liedes Gäste dabei. Ist es wahr, dass heute Abend ursprünglich auch RETARDED spielen sollten?
Ox Accelerator: Ja, aber ihre Tour wurde abgesagt.
Kevin Aper: Ein ganz schöner Arschfick, was? Ich zitiere ihren Agenten, Teenage Head aus Belgien. Sie sagten, es wäre unmöglich, Pop-Punk-Bands in Europa zu buchen. Sie konnten nicht genug Shows bekommen und bliesen die Tour ab.
Zurück zu dem Lied: Wer hat mitgemacht, Will von den ZATOPEKS sang den Refrain ...
Ox Accelerator: ... und Sam einen Vers, Mera von RETARDED, Kelvin und ich ebenfalls. Dario von RETARDED spielte Gitarre und steuerte ein Solo bei.
Warum wurde es herausgeschnitten?
Ox Accelerator: Wurde es nicht. Es ist weniger ein Solo als ein Riff. Aber es ist noch immer drin.
Wer von euch wird es heute spielen? Die APERS oder die ACCELERATORS? Ich glaube, die ACCELERATORS haben den Vorteil, früher aufzutreten.
Kevin Aper: Die APERS spielen das Lied nicht und die ACCELERATORS haben eine halbe Stunde ...
Ox Accelerator: Wir spielen das Lied.
Kann ich erwarten, Mitglieder anderer Bands auf der Bühne zu sehen?
Ox Accelerator: Das hängt von den anderen Bands ab, ich hab sie nicht gefragt.
Okay, Kelvin kam von den CENTERFOLDS zu den APERS, Erik zu den ACCELERATORS. Was macht der Dritte heute?
Kelvin Centerfold: Das ist Kevins Neffe.
Kevin Aper: Mein Vetter, lustig, nicht? Inzucht.
Das wäre die nächste Frage gewesen. Ich rede mit euch als JIZZ KIDS, thematisiert wurden aber nur die CENTERFOLDS, die APERS und die ACCELERATORS. Das hat schon was von Inzucht. Wie groß ist die Szene in Rotterdam?
Kevin Aper: Eher klein, jedenfalls nicht so groß wie früher.
Dafür laut.
Kevin Aper: Ja, und das ist gut. Wir Rotterdamer Bands machen es, weil es uns Spaß macht, und nicht für Geld. Wir scheuen uns auch nicht, weite Strecken zu reisen. Dadurch haben wir viele Freunde in ganz Europa. Der heutige Abend ist ein gutes Beispiel dafür: Wir haben Bands aus Deutschland, Dänemark, Amerika ...
Kelvin Centerfold: Afrika.
Kevin Aper: Richtig, aus Afrika. Wie auch immer, wir laden unsere Freunde zu uns ein und machen eine Riesenparty. Es ist cool.
Wird heute irgendetwas gefeiert? Was ist der Grund für sieben Bands?
Kelvin Centerfold: Wir fanden, dass der Rotterdam Rumble von Stardumb Records zu viel an Punkrock eingebüßt hatte und wollten deshalb etwas Eigenes machen. Der Rumble war ursprünglich ein reines Pop-Punk-Festival. Ich persönlich vermisse die Anfangstage und bedauere die Entwicklung.
Ox Accelerator: Es ergab sich einfach, ein eigenes Fest zu starten. Wir konkurrieren aber nicht in der Größe. Es geht nur darum, gemeinsam Spaß zu haben. Sieben Pop-Punkbands aus aller Welt - das verspricht eine Menge Spaß.
Was ist der Grund für die Existenz der JIZZ KIDS? Wir haben heute über vier Bands gesprochen und zu allen kann man den "Blitzkrieg Bop" tanzen. Es ist mehr oder weniger dasselbe.
Kevin Aper: Nein, für mich persönlich ist es ein wenig anders als das, was wir mit den APERS machen. Für die ACCELERATORS gilt dasselbe, glaube ich. Es ist ein anderer Ansatz. Wir nähern uns dem Thema auf unterschiedliche Art und Weise. Ox, Kelvin, Erik und ich sind wirklich gute Freunde und haben uns zum Spaß gegründet. Inzwischen sind wir seit ungefähr vier, fünf Jahren zusammen. Wenn wir zusammen auftreten, sind wir keinem Druck ausgesetzt, weil wir nichts beweisen müssen. Es dient unserem Vergnügen, deswegen sind wir bei Auftritten auch immer schnell besoffen und bekifft. Aber es funktioniert, denn wir harmonieren miteinander und haben richtig coole Lieder. Aufgrund der erwähnten Kontakte in Europa ergab sich auch kürzlich eine lustige Tournee.
Wie kam es zu der Mitwirkung von Joe Queer und Philip Hill auf der 7"?
Kevin Aper: Sie waren auf Tour mit Halt in Arnheim. Ich arrangierte es dann so, dass wir ebenfalls dort waren, und lud sie ins Studio ein. Sie willigten ein und so kam es.
Kelvin Centerfold: Phil spielte Bass auf jener Tour und wir fragten ihn, ob er ein Solo spielen wolle. Er ließ sich die Stelle zeigen, probierte ein paar Sachen und es kam direkt auf die Platte.
Die "How About A Nice Cup Of Shut The Fuck Up?"-7" ist auf dem Label von JOHNIE 3 erschienen, die heute auch auftreten. Wie kam es dazu?
Kevin Aper: Lustigerweise waren wir vor JOHNIE 3 auf Rally Records.
Kelvin Centerfold: Und dabei lagen die Aufnahmen ein Jahr lang herum, weil wir dachten, niemand wolle sie veröffentlichen.
Wie kam der Kontakt zu diesem US-Label zustande?
Kelvin Centerfold: Ich glaube, Kevin kontaktierte Rally über MySpace.
Ox Accelerator: Er hat ihn über das Pop-Punk-Message-Board erreicht.
Kevin Aper: Richtig! Und ich sagte ihm, wenn er es hören wolle, würde ich ihm die Aufnahmen zusenden. Die QUEERS waren dabei, natürlich wollte er es machen und aus irgendeinem Grund wurde es die bestverkaufte Veröffentlichung seines Labels.
Ox Accelerator: Eigentlich ulkig, da wir ja keine Band-Band sind.
Foto: Marc Gärtner (photo.marc-gaertner.de)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #79 August/September 2008 und Walmaul