Das Leben von Wayne/Jayne County in die paar Zeilen einer Interview-Einleitung zu packen ist schlicht unmöglich, deshalb nur die nötigsten Fakten: 1968 aus Dallas, Georgia nach New York gekommen, dort im Künstlerumfeld von Warhol schauspielernd aktiv, dann 1972 die erste Band QUEEN ELIZABETH und Pionierarbeit im Glitter-Rock-Sektor. Ab 1975 dann Auftritte mit der neuen Band THE BACKSTREET BOYS in Max’s Kansas City und CBGB’s, und 1977 die Umsiedelung nach London, wo unter dem Namen WAYNE COUNTY & THE ELECTRIC CHAIRS eine neue Band gegründet wurde. 1979 Rückkehr in die USA, Namenswechsel hin zu Jayne. Ab 1980 Aufenthalte in Berlin, Arbeit am Theater und mit Rosa von Praunheim in „City Of Lost Souls“. 1983 wieder in die USA, und seitdem wurde es etwas ruhiger um sie, wobei doch 1993 und 1995 nochmal neue Alben eingespielt wurden, und parallel gab es Neuauflagen der alten Platten. Aktuell brachte sich Jayne County wieder ins Gespräch, als der Sohn von KISS’ Gene Simmons nichts besseres zu tun hatte, als seine Band THE ELECTRIC CHAIRS zu nennen. Wir stellten daraufhin Frau County ein paar Fragen ...
Jayne, was machst du heute, woran arbeitest du und wo lebst du zur Zeit?
Ich nehme auf und spiele Gigs wie gewöhnlich, ich habe damit niemals aufgehört! Ich habe gerade in L.A. mit Constance Copper, Ginger Coyote, Cherry Vanilla und Andy Warhol-Superstar Holly Woodlawn einen Song aufgenommen, „Rock and roll republiKKKan“, in dem es darum geht, wie angeekelt die Leute von diesen hinterhältigen Arschlöchern sind, von diesen faschistischen „Rock-Künstlern“, die George Bush und seine republikanische Gestapo dabei unterstützen, AmeriKa in einen rechtsgerichteten, faschistischen Christenstaat zu verwandeln. Ihr Europäer habt allen Grund, euch Sorgen zu machen und Angst zu haben. Was gerade in AmeriKa passiert, ist furchtbar und wird die ganze Welt beeinflussen! Auf jeden Fall sind viele der Fans von Gene Simmons, Alice Cooper, Ted Nugent, Kid Rock, und die Liste ist noch viel länger, angeekelt davon, dass diese Künstler eine politische Partei unterstützen, die Leuten wie mir und allen, die es wagen, ihre Meinung nicht mit ihnen oder ihrer abstoßenden, kriegshetzerischen, Rechte verleugnenden Einstellung zu teilen, schaden will! Und ich bin angeekelt von den amerikanischen Medien, die nie über diese schrecklichen, scheinheiligen Scheisskerle berichten. Sie mögen in großartigen Bands sein und großartige Musik machen, aber ihre politische Meinung ist unterstes Niveau. Dasselbe gilt für Johnny Ramone, der registriertes Mitglied des KKK war und ein Mitglied der White Aryan Nation! Ich liebe die Musik dieser Bands, aber ich hasse ihre engstirnigen Ansichten. They can fuck off! Und ich gebe euch den Song „Rock and roll republiKKKan“ als freien Download für alle und jeden, der ihn will. Gebt ihn bitte an alle weiter. Außerdem mache ich meine Kunst. Meine Kunst wurde in letzter Zeit bei vielen Ausstellungen gezeigt. Ich zeige Rockstars, die auf abspritzenden Penis-Kreuzen gekreuzigt werden. Außerdem ist ein Album von mir auf Munster rausgekommen und eine Doppel-CD kommt in einem Monat raus, es sind einige Gigs in Europa geplant und eine Doku über mein Leben wird in Kürze erscheinen, eine andere wird gerade gedreht. Ihr seht, ich bin busy busy busy.
In den Medien wurde berichtet, dass du ein kleines Problem mit Gene Simmons von KISS hast oder hattest. Kannst du uns erzählen, was vorgefallen ist?
Also, Miss Mean Gene wurde wütend auf mich wegen des Songs „Rock and roll republiKKKan“ und beschloss, es mir mit dem Stehlen meines Bandnamens zurückzuzahlen. Er versuchte, der Band seines schwulen Sohns Nicky den Namen „The Electric Chairs“ zu geben. Es hätte dann „Nicky Simmons and the Electric Chairs“ geheißen, da muss ich lachen! Was für ein armseliger Versuch, mir Ärger zu machen. Aber alles, was es mir brachte, war die beste Publicity, die ich seit Jahren hatte. So fiel es alles auf ihn und diese entsetzlich armselige Kopie der Osbournes, genannt „The Family Jewels“, die Mean Gene auf dem Sender A&E hat, zurück. Und jeder weiß, dass Genes’ Familienjuwelen nichts sind, womit man prahlen kann. Er hat einen grünen Schwanz mit Warzen drauf und braucht ewig, bis er mal kommt, wenn er denn überhaupt kann. Schade, dass Mean Gene so ein Drecksack ist, denn KISS sind so eine großartige Band. Ich liebe KISS!
Wenn wir schon bei alten Bands sind: Wie gefällt dir das neue NEW YORK DOLLS-Album?
Ob ich das neue Two York Dolls-Album mag? Ich hab’s nicht gehört. Die NEW YORK DOLLS haben kein Album rausgebracht, Jerry Nolan, Arthur Kane und Johnny Thunders, die den Dolls ihren Sound gaben, sind tot! Ich weiß, dass Sylyain Sylyain und David Johanssen – ich liebe sie – eine CD mit einer Studioband rausgebracht haben, die sie die NEW YORK DOLLS nennen, aber die NEW YORK DOLLS haben kein Album rausgebracht!
Wie bist du in all den Jahren mit der ambivalenten Einstellung von Rock’n’Rollern gegenüber Homosexuellen und Transvestiten umgegangen? Viele Bands oder Musiker spielen gern mit diesem Image, aber gleichzeitig gibt es im Rock’n’Roll viel Homophobie.
Ja, und viel dieser Trans- und Homophobie existiert immer noch. AmeriKa ist ein rückständiges Land, wenn es um Sex geht. Aber so viele der ursprünglichen Punkbands hatten schwule Mitglieder! Ohne Namen nennen zu wollen: Bands, die schwule Mitglieder hatten oder haben, sind die SEX PISTOLS, THE CLASH, JOHNNY THUNDERS & THE HEARTBREAKERS, THE BANSHEES und so weiter. Und auch so viele etablierte Künstler wie Freddy Mercury und Elton John und viele mehr. Homosexualität ist überall und die Homophoben sollten darüber hinwegkommen, denn es hört nicht auf, es wird noch größer. Das ist noch ein weiterer Grund, warum ich all diese heuchlerischen Künstler im Rock hasse, die die anti-schwule republiKKKanische Partei unterstützen. Oh, das nagt alles sehr an mir und ich muss eigentlich so viel kotzen, dass man damit ein Stadion füllen kann! Na ja, das ist ja das Gleiche, was ich vorher schon zu Alice Cooper gesagt habe, der einer meiner Helden war. Und natürlich liebe ich immer noch die Musik von Alice Cooper und ich liebe den alten Alice Cooper, der ein betrunkener Drogenabhängiger und lustig war! Aber jetzt ist er ein scheiß rechter, wiedergeborener, christlicher, republikanischer Drecksack! Ich meine, auch David Bowie hat mit dem so genannten „Bisexual Glam“-Ding geflirtet, aber wenigstens fickt David Bowie Transsexuelle! Und David ist eigentlich hetero, aber er tendiert dazu, Transen zu ficken, wenn er den Drang danach hat. Und obwohl David und ich nicht mehr miteinander sprechen, spüre ich immer noch Zuneigung für ihn, auch wenn er miserabel küsst.
Kannst du bitte für mich und meine Leser einmal und für alle Zeit die Verwirrung um dein Geschlecht aufklären? Und vielleicht auch erklären, warum du nicht mehr Wayne, sondern Jayne County sein willst?
Sorry, no! Erzähl euren Lesern, der einzige Weg, herauszufinden, was zwischen meinen Beinen ist, ist mich zu ficken! Hehe, ich werde es einfach machen: „Jayne County is a male to female transgendered glam/punk pioneer.“ Ich habe einen weiblichen Körper, aber ich bin beides, Mann und Frau. Ich habe schottisch-irische und Cherokee-Vorfahren. Und die Cherokee glauben an Zwei-Seelen-Menschen. Das heißt, wir haben zwei Seelen in einem Körper. Eine ist männlich und die andere ist weiblich. Wir waren oft die Schamanen des Stammes.
War denn New York City selbst wirklich so grandios, wie es in allen Büchern dargestellt wird?
Also, diese Frage muss ich mit „Ja“ beantworten. Und NYC ist heute zu etwas vollkommen anderem geworden. Die Freiheit, die in den 60er und 70er Jahren existierte, ist weg. Sogar in den 80er und 90er Jahren waren wir freier! Jetzt ist die Atmosphäre sehr kontrolliert. Für kein Geld der Welt würde ich wieder in NYC leben wollen! Ich habe in NYC zu seiner Glanzzeit gelebt, das waren herrliche Tage. Es ist jetzt so deprimierend, zu sehen, was aus NYC geworden ist und, wo wir gerade dabei sind, aus ganz AmeriKa. NYC war in den 60ern und 70ern vergleichbar mit dem Paris der 20er Jahre, dem Berlin der Weimarer Republik und Swinging London. Alles ging, alles war frei und wild. Ich bin so verdammt glücklich, das Ganze mitgemacht zu haben.
Du hast um 1980 einige Zeit in Deutschland gelebt. Was für Erinnerungen hast du an diese Zeit und hast du Pläne, für eine Tour oder so hierher zurückzukommen?
Ich bin immer bereit, zurück nach Deutschland zu kommen. Die Fans dort sind die Besten. Sie lieben dich und lassen dich es dich wissen. Ich fühle mich immer wohl in Deutschland. Und die deutschen Männer, ich liebe sie! Und ich habe sehr liebevolle Erinnerungen an Berlin, als es noch die geteilte Stadt war. Bei Romy Haag abzuhängen, in dem Stück „Sheila“ aufzutreten, mit Romy, Donna Destry und Cherry Vanilla und PVC. Fun, Fun, Fun! Sich mit einer Horde Drag Queens zu betrinken und zur Mauer zu gehen, um die russischen Soldaten in den Wachtürmen verrückt zu machen! Haha, wir kreischten und riefen: „Fuck me, fuck me, fuck me!“ und holten unsere Titten raus und schüttelten sie vor den russischen Soldaten. Einmal richtete einer der Soldaten sein Gewehr auf uns. Ich schrie ihn an: „Na los, erschieß mich mit deinem besten Schuss!“ Ich hing da mit Zazie De Pari herum, und ging mit meinem deutschen Freund, dem Fotografen Jürgen Wellhausen, aus. Ich vermisse die geteilte Stadt! Aber jetzt hat sich Berlin verändert.
Wie lautet deine Definition von „Punk“?
Meine Definition von Punk ist unmöglich auf einem Blatt Papier oder in einer eMail unterzubringen. Es war ein Gefühl und eine Einstellung. Und Punk war eine bestimmte Zeit. Es gibt so etwas wie eine „Punk“-Band heute nicht mehr. Man hat nur noch Bands, die einen Punk-Sound oder einen Punk-Look haben. Aber echter Punk ist vorbei. Es war ein Ort und eine Zeit, die vorbei sind. Und als Genre hat man Punk genau so, wie man Rock oder Folk oder Goth oder Heavy Metal und so weiter hat. Der Name „Punk“ ist heutzutage eine Bezeichnung, die dir aufgedrückt wird, wenn du einen „Punk“-Sound hast! Der Geist des Punk ist bei einigen Bands immer noch vorhanden, aber die wirkliche Punk-Bewegung gibt es nicht mehr! Die Plattenindustrie hat das sichergestellt. Sie haben Punk genommen und ihn vergewaltigt, ihn weißgewaschen, ihn geplündert, sie ruinierten und zerstörten ihn mit ihrem Geld und ihrer Gier. Man hat jetzt Kommerzpunk, der von der faschistischen Plattenindustrie unterstützt wird, mit dummen, „Bitte verlass’ mich nicht, ich liebe dich“-Scheißtexten. Wo ist die Anarchie? Wo ist der Geist des Punk? Wo ist die „Fuck the government“-Einstellung? Wenigstens haben GREEN DAY „American Idiot“ rausgebracht und sich gegen Präsident Bush erhoben und gesagt: „Fuck you“. Ich bin wirklich stolz auf sie. Aber die meisten der neueren, so genannten Punkbands sind ein schlechter Witz! Gott sei Dank gibt es PEARL JAM, Neil Young und GREEN DAY und all die anderen Rockbands, die sich gegen unseren Nicht-Präsidenten Bush und die RepubliKKKaner stellen. Und Schande über die, die das nicht tun!
jaynecounty.com
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Joachim Hiller