Als Gunnar von Gunner Records mir von Jared Hart erzählte, war der erste Gedanke: Nicht noch ein Singer/Songwriter aus einer Punkband! Wenig später hörte ich die Platte „Past Lives & Pass Lines“ und sie läuft seitdem regelmäßig. Das Album ist düster, sanft und zugleich voller Energie. Es geht weder in die Schrammel-Folk-Ecke, noch begeht es den Fehler, ein Heartland-Rock-Album sein zu wollen. Wenn Vergleiche schon sein müssen, erinnert das Album am ehesten an die American Recordings von Johnny Cash, nur eben rauher, direkter und vielleicht auch wütender. Mit seinen jungen Jahren hat Jared, der ansonsten bei den SCANDALS den Frontmann gibt, tatsächlich so etwas wie seine eigene Nische gefunden. Vor einem Konzert in Hamburg bot sich die Gelegenheit, Jared ein paar Fragen zu stellen.
Eine leichte Frage zum Einstieg: Punkrock oder Country?
Punkrock!
Dennoch hat dein Album einen deutlichen Country-Einschlag.
Es gibt ein paar Sachen, die ich mag. Aber Punkrock ist der Grund, warum ich überhaupt angefangen habe, Musik zu machen. Punk hat einen großen Platz in meinem Herzen und egal, was ich mache, ich kehre immer wieder dahin zurück. Es ist so was wie die erste Liebe. Country ist manchmal okay, aber erzähl das bloß niemand.
Punkrock war also deine erste Liebe. Von welchen Bands sprechen wir da?
RANCID, THE BOUNCING SOULS und ONE MAN ARMY, und so ziemlich jede Band aus Jersey und der Bay Area in Kalifornien. Das hatte einen großen Einfluss auf mich, als ich ein Teenager war. Punkbands brachten mich dazu, mit dem Gitarre spielen anzufangen und weckten den Wunsch in mir, auch Konzerte zu geben. Ich wollte so sein wie sie, den ganzen Tag rumhängen und Musik machen. Das veränderte meine Sicht auf die Welt.
Was meinst du, warum so viele Sänger aus Punkbands nun mit akustischer Musik unterwegs sind und die Leute das auch noch hören wollen?
Puh, ich kann nur für mich sprechen. Für mich war das eine drastische Veränderung. Ich war es gewohnt, drei Leute hinter mir zu haben. Du kannst Fehler besser verbergen. Ich spiele seit 2004 mit der Band. In den letzten Jahren, als ich anfing alleine aufzutreten, war es wie ein Neuanfang. Alles war neu und auf der Bühne sehr dynamisch. Alleine oder mit einer Band auf der Bühne zu stehen, ist einfach anders. Die meisten Punk-Songs werden allerdings auch auf der akustischen Gitarre geschrieben. Es ist interessant zu sehen, was passiert, wenn der ganze andere Kram wegfällt und nur noch das nackte Lied überbleibt. Ich denke, so geht es den anderen, die diesen Weg gegangen sind, auch. Außerdem ist es einfacher, alleine auf Tour zu gehen. Zudem ist es billiger. Ich glaube, Leute, die Punkrock hören, brauchen davon auch mal eine Pause. Du kannst ja nicht ein Leben lang die gleichen Sachen hören. Ab und zu brauchst du etwas anderes und dann ist es cool, die Typen von anderen Bands, wie zum Beispiel Chuck Ragan, der so was wie ein Pionier ist, in einem anderen Klanggewand zu sehen.
Gibt es einen Unterschied zwischen den Punkrock-Shows und deinen Solokonzerten?
Vor allem die Heftigkeit bei Punk-Shows. Bei Solokonzerten fühle ich mich manchmal wie unter einem Mikroskop. Jeder Fehler, den du machst, wird sofort bemerkt. Bei einer Rockband macht das nicht so viel aus, weil die anderen sehr laut spielen und ein Verspieler dann untergeht. Und ich würde sagen, der größte Unterschied ist die Energie. Es ist eine andere Art von Energie. Auf einer Punkrock-Show soll es krachen und bei einem Akustikkonzert sollen die Leute zuhören. Es ist leise, obwohl eine gewisse Energie in der Luft liegt, nur eben anders.
„Past Lives & Pass Lines“, was soll uns der Titel sagen?
Das fasst in etwa zusammen, wie ich zufällig zu den Themen, die auf dem Album behandelt werden, gekommen bin. Im Prinzip fing ich schon 2010 mit dem Album an, schrieb immer wieder Lieder und legte sie dann zur Seite. Ich dachte nie daran, die Songs zu veröffentlichen, sondern nahm sie in meinem Zimmer als Demos auf. Eigentlich wollte ich sie für mich behalten, damit ich ein bestimmtes Gefühl, welches ich mit den Liedern verbinde, nicht vergesse. Stück für Stück kamen dann immer mehr Lieder zusammen und sie passten nicht zu den SCANDALS. Es hat viel damit zu tun, worüber Leute sich Gedanken machen, was sie im Laufe des Lebens verlieren und wie es danach weitergehen kann. Da kommt der Titel her. Er war auf einmal in meinem Kopf.
Warum passten die Songs nicht auf ein SCANDALS-Album?
Es fühlte sich nicht nach der richtigen Zeit an. Ich nutze die Band als eine Fluchtmöglichkeit. Die Shows, die wir spielen, sollen intensiv sein. Alles, was mich physisch und psychisch verrückt macht, lasse ich draußen, sobald ich durch eine Clubtür gehe und auf einer Bühne stehe. Dann habe ich für eine Stunde oder auch länger Spaß. Und dann geht es zurück in die wirkliche Welt. Diese Lieder fühlten sich alle nach der echten Welt an. Ich wollte diesen Vibe nicht zu den SCANDALS bringen. Es gibt einige trostlose Stücke auf dem Album, na ja, vielleicht nicht trostlos, aber introvertierte Songs, das passte einfach nicht. Die SCANDALS machen Spaß. In diesem Fall habe ich zunächst nur versucht, meine Gedanken aufs Papier zu bringen.
Würdest du sagen, in deinem täglichen Leben ist das genauso, also dass du zwei unterschiedliche Seiten hast?
Das glaube ich nicht. Ich bin eigentlich sehr offen. Wenn du dich mit mir hinsetzt und mich kennen lernst, wirst du das schnell merken.
Ich habe das Album jetzt sehr oft gehört, muss aber sagen, ich verstehe noch nicht so ganz, was du mit deinen Texten sagen willst. Aber es fühlt sich so an, als ob sie insgesamt sehr düster sind. Wie kommt das?
Jedes Lied ist so was wie eine Momentaufnahme, ein Polaroid aus einer bestimmten Zeit. Ich musste verschiedene Ereignisse verarbeiten und damit mir die Sachen nicht die ganze Zeit im Kopf herumspuken, habe ich es eben in Liedern verarbeitet. Die meisten Lieder handeln davon, wie Menschen etwas im Leben verlieren und wie sie damit im Alltag umgehen. Das ist das übergeordnete Thema. Und dann handelt jedes Lied von einem bestimmten Moment. Es geht darum, sich zu fragen, wo man steht, und seinen Glauben infrage zu stellen. Irgendjemand glaubt an etwas und jemand anders eben nicht. Ich verbrachte viele Nächte damit, darüber nachzudenken. Es gab auch ein paar beschissene Erfahrungen in den letzten paar Jahren.
Eher privater Natur oder als Musiker?
Beides. Aber auf dem Album geht es um den privaten Kram. Darum steht mein Name auf dem Album und nicht die Band. Vielleicht war ich einfach zu lange mit mir selbst beschäftigt.
Ist bei den Liedern für dich, als Autor, ziemlich klar, wovon sie handeln?
Ja. Ich würde sagen zu 75%. Sie waren ziemlich eindeutig, als ich sie schrieb, und sind es jetzt immer noch. Aber sie sind nicht so geschrieben, dass sie eindeutig sind. Sie sind so geschrieben, dass du dich in diesen Szenarien wiederfinden kannst. Ich mag es nicht, wenn Lieder zu deutlich sind, weil es den Hörer nicht fordert. Es gibt Lieder, die mir alles bedeuteten, und als ich rausfand, wovon sie eigentlich handelten, war es ein großer Unterschied zu meiner Interpretation. Ich finde es besser, wenn du mir erzählst, was dir ein Song zu einer bestimmten Zeit bedeutete.
Du hast gerade gesagt, dass du dich mit einem Glauben beschäftigt hast. Es gibt auf dem Album einige Referenzen zur Bibel. Oder siehst du das nicht so?
Es geht eher um die Bilder, die erzeugt werden und diese Bilder sind meistens heftig. Vielleicht auch nicht unbedingt die Bibel, sondern religiöse Metaphern. Als ich aufwuchs, sagte man mir, was ich zu glauben habe, und je älter ich wurde, desto mehr konnte ich für mich selber denken. Jetzt bin ich der, der ich bin und woran ich glaube. Es gibt keine Zeile, die sagt, so ist dies und so ist jenes, das ist, was ich glaube. Es sind alles nur Fragen. Es gibt kein richtig oder falsch. Darüber denke ich nach. Die religiösen Bilder sind da nur drin, um eine Entwicklung dazustellen. Ich will niemandem vorschreiben, wie er zu leben hat. Es gibt Menschen, die an Gott glauben und sich sicher sind, dass es den Himmel gibt, und es gibt Menschen, die sind Atheisten und sind sich sicher, dass es so etwas nicht gibt. Ich sage nicht, das eine ist falsch und das andere nicht. Ich weiß es nämlich nicht. Ich versuche, es in den Liedern nur rauszufinden.
Kann man sagen, du bist ein „Suchender“?
Ich versuche nur, verschiedene Punkte zu verbinden und hoffe, einen Sinn zu finden. Ich mag es nicht, wenn mir jemand etwas vorschreibt.
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